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Zukunftsprojekt Ziel: Verschieden sein ist ganz normal

Der Landkreis Stendal hat ein Zukunftsprojekt aus der Taufe gehoben. Es geht um Inklusion und den Abbau von Barrieren.

Von Egmar Gebert 18.10.2018, 18:52

Stendal l „Öffentliches Teilhabemanagement“ nennt sich das Arbeitsgebiet, auf dem Claudia Bolde und Johanna Michaelis im Rahmen eines von der EU geförderten Projektes seit einigen Monaten im Landkreis tätig sind. Die beiden jungen Mit- arbeiterinnen der Kreisverwaltung – jetzt Teilhabemanagerinnen – stellen sich damit einer echten Zukunftsaufgabe, deren Lösung ein Landkreis mit Strukturen sein soll, die es allen darin lebenden Menschen ermöglichen soll, sich barrierefrei zu bewegen.

So versuchte Landrat Carsten Wulfänger (CDU) zu komprimieren, was ein schier unendlich scheinendes Feld zu sein scheint, das in den kommenden Jahren beackert werden soll. Nicht von den beiden jungen Frauen allein, sondern mit möglichst vielen Partnern im Landkreis. Sie kommen aus Einrichtungen der Eingliederungshilfe (zum Beispiel aus Wohnheimen und Werkstätten für Behinderte), aus der Arbeitsagentur und dem Jobcenter, aus Horten, Kindergärten, Ämtern der Kreisverwaltung, von Pflegediensten oder sind einfach „nur“ Menschen, die sich für ein barrierefreies Miteinander im Landkreis engagieren.

In dieser Woche waren sie alle zu einer ersten Fachtagung in Sachen Inklusion eingeladen, die sich das Motto gab „Die Zukunft des Landkreises aktiv mitgestalten“. Noch einmal Landrat Wulfänger, der diese Tagung eröffnete: „Inklusion, das ist die uneingeschränkte, selbstverständliche und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftliche Leben. Der Idealfall wäre, Begriffe wie Behinderung oder Nichtbehinderung spielen keine Rolle mehr. Lassen Sie uns an einem Landkreis arbeiten, in dem es normal ist, verschieden zu sein.“

Um dorthin zu gelangen, muss man erst einmal wissen, woher man kommt, wo man auf diesem Weg steht. Claudia Bolde und Johanna Michaelis starteten auf der Suche nach Antworten im Juni/Juli eine Umfrage unter möglichst vielen Landkreisbewohnern. Mehr als 4000 Fragebögen wurden verschickt, ein Online-Portal für die Beantwortung der 18 Fragen zu den Lebensbedingungen im Kreis eingerichtet.

Gefragt wurde unter anderem, ob man im Landkreis wohnen könne, wie man es sich wünscht, wie mobil man durch den öffentlichen Nahverkehr ist, welche Schwierigkeiten einem im täglichen Leben begegnen, wo und wodurch man daran gehindert wird, sich im wahrsten Sinn des Wortes frei zu bewegen, wie die gesundheitliche Versorgung ist.

Die ersten Ergebnisse stellten die beiden Teilhabemanagerinnen während dieser Tagung vor, die genau genommen Auftaktveranstaltung für das gemeinsame Erarbeiten eines Aktionsplans für einen barrierefreien Landkreis war. Ein Plan, der auflistet, wo Handlungsbedarf besteht, wo Barrieren abzubauen sind und möglichst auch, wer die handelnden Akteure sein müssten. Wobei, auch das sagten die Protagonisten klar, ein solcher Plan kein Dogma, sondern ein von Veränderung gekennzeichneter Prozess ein soll.

Veränderung, die auf vielen Gebieten geboten scheint, denn rund 570 von 1400 Befragten gaben an, Einschränkungen oder Behinderungen zu haben. Schwierigkeiten, auf die sie tagtäglich stoßen, ergeben sich unter anderem aus fehlenden öffentlichen Toiletten (610-mal angekreuzt). 292-mal wurden nicht abgesenkte Bordsteine bemängelt, 263-mal zugeparkte Bordsteine, 140-mal fehlende Leitsysteme für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen und 62-mal fehlende Leitsysteme an Ampeln.

Reserven birgt der öffentliche Personennahverkehr. 113 Befragte können Busse nicht nutzen, weil sie keine Anbindung haben. 56-mal wurde bemängelt, dass die Teilnahme an Kultur- oder Sportveranstaltungen nicht möglich ist, weil sie nicht erreichbar sind. 297 Personen fühlen sich im Landkreis nicht gut informiert oder beraten. Soweit eine kleine Auswahl der Antworten.

Als nächster Schritt sollen all diese Informationen analysiert werden, daraus resultierend bis zum Jahresende Arbeitsgruppen sich der verschiedenen Themengebiete annehmen und bis zum Ende des kommenden Jahres ein Aktionsplan erstellt sein, der fortlaufend aktualisiert wird.

Erfahrungen aus dem Nachbarkreis Börde, der im vergangen Jahr als einer der ersten Landkreise das Teilhabemanagement aufzubauen begann, zeigen, dass die Arbeit am Aktionsplan etwa zwei Drittel der Arbeit ausmacht. Das andere Drittel wird im Bördekreis in die Beratung in Sachen Inklusion investiert. Beratung, die ganz individuell Einzelpersonen gilt, die aber auch in Betrieben und Einrichtungen durchgeführt wird. Ähnlich stellen sich auch die beiden Stendaler Teilhabemanagerinen vor, in den kommenden Monaten zu agieren.

Ansprechpartnerinnen zu allen Fragen der Inklusion und Teilhabe sind Claudia Bolde, Tel. 03931/ 60 71 96, E-Mail: claudia.bolde@landkreis-stendal.de und Johanna Michaelis, Tel. 03931/60 71 94, E-Mail: Johanna.michaelis@landkreis-stendal.de. Internet: http://esf.landkreis-stendal.de.