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51 Altmärker zwischen 25 und 35 Jahren bislang in Projekt für junge Erwachsene integriert / 34 Ausbildungsstellen blieben 2012 unbesetzt Zweite Chance: Mit 30 Jahren Start in die Berufsausbildung

16.10.2013, 01:08

Stendal (vl) l Was sich auf dem Ausbildungsmarkt aufgrund des Rückgangs der Schülerzahlen günstig für die Jugendlichen auswirkt, stellt für viele Unternehmen ein ernstes Problem dar: Freie Ausbildungsstellen können oft nicht mit einem geeigneten Jugendlichen besetzt werden. "Im letzten Jahr blieben 34 Ausbildungsstellen unbesetzt. Auch für 2013 zeichnet sich diese Entwicklung ab", berichtet Ivonne Papke. Besonders betroffen, fügt die Pressesprecherin der Stendaler Arbeitsagentur an, seien das Hotel- und Gaststättengewerbe und die Handwerksberufe.

Deshalb wurde im Februar die Initiative "Erstausbildung junger Erwachsener" gestartet. Ziel dieses Projektes ist es, in den nächsten drei Jahren bundesweit 100000 jungen Menschen zwischen 25 und 35 Jahren ohne Berufsausbildung eine zweite Chance zu geben.

Eine, die diese Chance für sich nutzt, ist Peggy Borchert aus Plätz bei Osterburg. Als "Spätstarterin" hat die fünffache Mutter zum 1. September eine Umschulung zur Friseurin in Tangermünde bei der Firma "Hair Express" begonnen.

Nach der Schule begann die heute 30-Jährige eine Lehre als Friseurin. Doch diese brach sie ab. "Ich war jung und dumm", bereut sie rückblickend. Dann kommt das erste Kind, vier weitere folgen. Ihr Mann ist selbstständig, sie kümmert sich um die Kinder und den Haushalt. Doch zehn Jahre Hausfrauendasein reichen ihr. Die Kinder im Alter von fünf bis 14 Jahren sind aus dem Gröbsten raus.

Peggy Borchert empfiehlt sich mit einem Praktikum

Zwar sieht sie für sich als Ungelernte nur geringe Chancen auf dem regionalen Arbeitsmarkt, doch hat sie klare Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft. Sie möchte immer noch den Beruf der Friseurin erlernen. Als Berufsrückkehrerin sucht sie daher Unterstützung bei der Arbeitsagentur in Osterburg. Dort werden Möglichkeiten der Erstausbildung und der betrieblichen Einzelumschulung mit ihr besprochen.

Peggy Borchert erfährt von einer Bekannten, die in Tangermünde in einem Friseursalon arbeitet, dass dort Fachkräfte beziehungsweise Auszubildende gesucht werden. Sie stellt sich vor und kann ihr Können und ihre Motivation während eines vierwöchigen Praktikums unter Beweis stellen. Die Chemie stimmt, und so kann Peggy Borchert ihren Umschulungsvertrag unterschreiben.

Sie hat sich für eine um ein Drittel verkürzte Ausbildung entschieden und steigt in das zweite Jahr der Ausbildung ein. Sie erhält vom Arbeitgeber eine Ausbildungsvergütung, die Arbeitsagentur unterstützt die Umschulung unter anderem durch die Übernahme der Lehrgangskosten, Fahrt- und Kinderbetreuungskosten.

Fünffache Mutter möchte Vorbild für ihre Kinder sein

Zur Berufsschule fährt Peggy Borchert nach Salzwedel. Dort drückt sie mit zehn anderen Frauen die Schulbank. Die Älteste ist sie dort nicht, die zählt 34 Lenze. Mit 30 noch einmal neu zu beginnen, ist für Peggy Borchert kein Problem. Sie möchte für ihre Kinder ein Vorbild sein, ihnen zeigen, dass für eine berufliche Zukunft eine Ausbildung notwendig ist. Und neben der tatkräftigen Unterstützung ihrer ganzen Familie genießt Peggy Borchert zudem die sozialen Kontakte, die das Berufsleben mit sich bringt.

Für Aileen Krause, sie leitet den Salon "Hair Express" und ist die zuständige Ausbilderin, ist die Initiative eine gute Chance für Unternehmen. Gerade im Friseurhandwerk sei es in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden, Auszubildende zu finden. Das Alter von Peggy Borchert sieht sie nicht als Hindernis. "Sie ist motiviert und passt ins Team. Das ist das Wichtigste", so Krause.

Olaf Lange, Geschäftsführer Operativ der Stendaler Arbeitsagentur, weiß um die Problematik der Nachwuchsgewinnung. "Mit der Initiative ¿Erstausbildung junger Erwachsener\' wurde eine Möglichkeit geschaffen, das dringend benötigte Fachkräftepotenzial aus der Gruppe der Spätstarter zu erschließen", erklärt Lange. "Wenn, wie in diesem Fall, die Bewerber die Motivation mitbringen und sich Arbeitgeber kompromissbereit und Neuem gegenüber aufgeschlossen zeigen, ist ein Schritt zur erfolgreichen Fachkräftegewinnung getan."

In der Altmark sind bislang 37 Frauen und 14 Männer im Alter zwischen 25 und 35 Jahren im Projekt "Erstausbildung junger Erwachsener" integriert.