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Heimatnachmittag „Bie uns wird immer viel jeblackert“

Wenn „hüte inne Bejechnungsstätte“ beim „Kauken“ mal wieder über „diet und dat vortellt“ wird, dann ist in Wormsdorf wieder „Heimatnaamedach“.

Von Ronny Schoof 22.01.2016, 00:01

Wormsdorf l Durch Trennwand und Flurtür kommt der unverkennbar aromatische Duft gerade gebrühten Kaffees gekrochen. Die große Tafel im „Anbau“ ist gedeckt, Apfelkuchen und Bienenstich sind frisch angeschnitten. Noch ist es recht still, Sigrid Schulze wendet sich mit einer kurzen Begrüßung an die versammelte Schar, vergisst dabei auch nicht, innehaltend der verstorbenen Wegbegleiter zu gedenken. Wenig später ist die Ruhe ausgesperrt, es wird heiter geklönt, geschwelgt und geneckt.

An eigenen Wort- und Textbeiträgen mangelt es nie, man ist da von Anekdote und Zeitgeschehen übers Gedicht bis hin zum gesungenen Vers sehr kreativ. Heute zum Beispiel wird Ilsedore Schulz ihre Geschichte „Wie der Schaper noch durchs Dorf gezogen ist“ vortragen. Zuvor stimmen 17 Männer und Frauen gemeinsam das Lied über „Mien schönet Wormsdorp“ an. Es wäre auch noch ein Geburtstagsständchen fällig, aber die Jubilarin feiert just heute ihr Wiegenfest. Man wird das also am 17. Februar, das ist wieder ein vorletzter Monatsmittwoch, nachholen …

„Ja, so gestaltet sich einer unserer typischen Heimatnachmittage“, sagt Inge Ohrstedt, während sie Kaffee eingießt und den großen Kuchenteller samt Schlag in die Runde reicht. Sie war vor 25 Jahren schon dabei, hat den monatlichen Treff mitgegründet. Auf die Frage, ob sie seinerzeit, Anfang 1991, auch nur ansatzweise habe ahnen können, dass die Idee des zwanglosen Plauder- und Plattkreises ein Vierteljahrhundert lebhaft überdauern und fortbestehen würde, hat die in wenigen Tagen 76-jährige Wormsdorferin eine verblüffend simple Antwort: „Man fängt etwas an, die Zeit vergeht – und plötzlich sind 25 Jahre um.“ Als wäre es gestern gewesen.

Es handelt sich um keinen Verein. „Wir sind eine lose Gemeinschaft, die sich regelmäßig trifft, die gemeinsame Zeit miteinander genießt, Klatsch und Tratsch austauscht und auch mal einen Ausflug unternimmt“, sagt Sigrid Schulze, die als eine Art Gruppenleiterin fungiert – oder, wie Inge Ohrstedt anerkennend meint, „die den Heimatnaamedach inzwischen ant Leben höllt“. Die „Grote Schaule“ als ursprüngliches Domizil hat ausgedient, man trifft sich seit Jahren schon in der DRK-Begegnungsstätte. Ein kleiner Obolus – ein Euro pro Teilnehmer – ist für die Nutzung fällig, ansonsten versorgt sich die Gruppe selbst mit Kaffee, Kuchen „und auch mal einem Schnäpschen zum Anstoßen auf die Geburtstagskinder“, lässt Irmgard Bader wissen. Die Gruppen- und auch Dorfälteste hatte vor 25 Jahren den Anstoß gegeben, als sie in der Volksstimme von einem Aufruf der Pädagogischen Hochschule Magdeburg las, zur Förderung der Plattdeutschen Sprache entsprechende Texte einzuschicken. Die Wormsdorfer haben damals fleißig eingeschickt – und dann auch Baders Idee für gut befunden, „hier bie uns in Wormsdorp ok wat vorr de plattdütsche Sprache tau daun“. Zweieinhalb Dekaden später äußerte sich die 94-Jährige so: „Dat geiht nu schon 25 Jahre sau und is noch nich langweilig jeworrn. Et wird immer viel jeblackert, dat is ja auch jesund.“

Irmgard Bader erinnerte zudem an die spezielle Gruppenepisode, als von Sprachforschern Tonaufnahmen gefertigt wurden, um das durchaus sehr mannigfaltige Dorfplatt in der Magdeburger Börde auf örtliche Unterschiede und Besonderheiten hin zu untersuchen. Auch das Fernsehen war schon mal zu Gast beim Heimatnachmittag.

„Ein Jammer nur“, befand Irmgard Bader wehmütig, „dat unsere schöne Sprache immer mehr in Vergessenheit gerät.“