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Corona Rettungsschirm für Wanzleben

Was der Wanzleber Bürgermeister Thomas Kluge (parteilos) von den Beschlüssen der Bundesregierung hält.

Von Mathias Müller 09.07.2020, 01:01

Wanzleben l Die Große Koalition in Berlin will 130 Milliarden Euro ausgeben, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie zu mildern. Auch die Kommunen bekommen Milliardenhilfen, die unter anderem die Gewerbesteuerausfälle ausgleichen sollen. Was der Wanzleber Bürgermeister Thomas Kluge (parteilos) von den Beschlüssen hält, darüber hat Volksstimme-Reporter Mathias Müller mit ihm gesprochen.

Volksstimme: Herr Kluge, wie hoch sind die Ausgaben in der Stadt Wanzleben-Börde, die durch die Corona-Pandemie entstehen?
Thomas Kluge:
Die Aufwendungen für Corona belaufen sich in unserer Stadt auf aktuell 440.000 Euro. Der größte Teil, konkret 400.000 Euro, betreffen Ausfälle bei den Gewerbesteuern. Wenn das ausgeglichen wird, dann werden wir unsere Planungen bis 2024 erfolgreich umsetzen können, den Haushalt dann ausgleichen und Investitionen entsprechend der Prioritäten umsetzen.

Werden Sie angesichts der aktuellen Situation eine Haushaltssperre verhängen und wird die Stadt 2024 schuldenfrei sein?
Eine Haushaltssperre werde ich aktuell nicht verhängen. Wir können 2024 nicht schuldenfrei sein, die Kredite für Investitionen werden auch darüber hinaus finanziert. 2024 wollen wir einen ausgeglichenen Ergebnishaushalt nachweisen. Die Konsolidierung zu beenden, ist das Ziel. Der Haushaltsplan der Stadt soll bei den Investitionen so wie beschlossen umgesetzt werden. Ein Rotstift wird nicht angesetzt.

Blicken Sie für die Stadt Wanzleben-Börde mit Sorgen in die Zukunft?
Ich blicke nicht mit Sorgen in die Zukunft. Wir sind planungsseitig gut aufgestellt. Dass, was wir uns vorgenommen haben, können wir auch realisieren. Und bei der Entwicklung der Finanzlage dürfen wir nicht die Fortschreibung des Finanzausgleichsgesetzes außer acht lassen. Hier habe ich die Erwartungshaltung, dass das Land die Zuweisungen aufgabengerecht gestaltet. Und dass hätte auch Auswirkungen auf die Kreisumlage. Wir wollen keinen Luxus, aber wir wollen die Ziele des Stadtentwicklungskonzeptes in allen Ortschaften und Ortsteilen möglichst zügig umsetzen.

Wie hoch sind die Altschulden der Stadt?
Wir haben die Wohnungen der Stadt doch verkauft. Damit haben wir keine Altschulden mehr.

Was hat Ihnen die Corona-Pandemie außer der Sorgen um die Gesundheit der Bevölkerung noch an Erkenntnissen eingebracht?
Die besondere Situation durch Corona führt zu der Möglichkeit und der Notwendigkeit, über bisherige Verfahren in der Verwaltung nachzudenken. Die Frage ist doch, was muss eine Kommune für die Bürger wirklich leisten? Was kommt bei all dem Verwaltungsaufwand beim Bürger an? Ist diese Bürokratie zukunftsfähig? Man könnte doch darüber nachdenken, ob das Online-Angebot für Bürger nicht verbunden werden kann mit weniger Aufwand insgesamt. Heute heißt online doch nur, den Weg ins Amt sparen, vielleicht kann auch der Aufwand der Bearbeitung reduziert werden. Das spart auch Geld und Zeit.

Wie beurteilen Sie die Rolle des Landes Sachsen-Anhalt bei der für die Kommunen nötigen und auskömmlichen Finanzausstattung?
Der Bedarf besteht, denn die Kommunalfinanzen sind weiter Streitthema. Das, was wir im Auftrag des Landes ausführen, das muss auch vom Land bezahlt werden. Davon sind wir trotz anzuerkennender Verbesserungen weit entfernt. Ein bedenklicher Höhepunkt: Die Urteile zur Kreisumlage. Weil die Finanzzuweisungen des Landes nicht ausreichen und der Landkreis keine eigenen Steuereinnahmen hat, erhebt er die Kreisumlage. Diese wurde erfolgreich beklagt, aus meiner Sicht ohne Gewinner. Die kommunale Ebene steht vor einer Zerreißprobe und der Verursacher, hier das Land, hat das Problem erfolgreich verlagert. Die Lösung des Problems hieße aufgabengerechte Finanzzuweisung. Das ist auch gerecht, wir wollen ja nicht mehr als uns zusteht, aber eben auch nicht weniger. Meine Erwartungen an das neue Finanzausgleichsgesetz ist gegeben.

Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf die Arbeit der Kommune?
Auf allen Ebenen wird eine erfolgreiche Arbeit geleistet. Lockerungen sind erforderlich, Vorsicht ist weiter geboten. Dass die Regierung die Kommunen nicht allein lassen will, ist anzuerkennen. Wir können unsere kommunale Finanzpolitik nicht auf Pandemien aufbauen und wir können die Folgen nicht den Bürgerinnen und Bürgern aufbürden. Und dass die Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung anerkannt werden, unterstreicht die Bedeutung der kommunalen Ebene. Die Leute wohnen nun mal zuerst in ihrer Ortschaft, ihrer Stadt, ihrem Landkreis. Hier bekommen sie die Leistungen, die von großer Bedeutung für sie sind, vom Reisepass über den Trauschein von der Stadt bis zur Kfz-Zulassung und Baugenehmigung vom Landkreis.

Wie beurteilen Sie die Bemühungen der Bundesregierung, mit zusätzlichen Ausgaben die Auswirkungen durch Corona für die Städte und Gemeinde abzumildern?
Eine Stadt hat ja nun die allermeisten Finanzbeziehungen zum Land. Das beide, Bund und Land, Hand in Hand arbeiten wollen, sehe ich natürlich positiv. Bewerten kann ich es erst, wenn konkret bekannt wird, was gezahlt wird.

Was halten Sie von einem Rettungsschirm für die Kommunen?
Wenn der ländliche Raum attraktiv bleiben soll, gibt es praktisch keine Alternative für einen kommunalen Rettungsschirm. Wohnen, Arbeiten und Freizeitgestaltung, das sind die Eckpfeiler. Wohnen in unserer Stadt ist und bleibt attraktiv. Nicht umsonst kümmern sich Stadtrat und Verwaltung um die Ausweisung von Bauland. Die Arbeitsplätze vor Ort sind begrenzt, aber unsere Arbeitgeber haben interessante Angebote. Und von Wanzleben-Börde aus liegen die Landeshauptstadt und das Gewerbegebiet Osterweddingen vor der Tür. Damit können wir in unserer Stadt punkten. Das Vereinsleben unserer Stadt ist toll und die Bürgerinnen und Bürger honorieren das auch. Die große Kultur kann in Magdeburg genossen werden. Nicht jede Kommune kann alles machen, aber wir können unseren Beitrag zur Attraktivität leisten. Der in Aufstellung befindliche Flächennutzungsplan und das Stadtentwicklungskonzept weisen für die Stadt Wanzleben-Börde den Weg in die richtige Richtung.

Jetzt hat die Regierung bis zum Jahresende die Mehrwertsteuer gesenkt, um die Wirtschaft anzukurbeln. Hat auch die Stadt etwas davon?
Was von der Mehrwertsteuersenkung bei uns ankommen könnte, weiß ich noch nicht und kann ich nicht bewerten.