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DDR-Kunst in Wanzleben wird entsorgt Der „Junge Leser“ ist vom Schulhof verschwunden

Eine Skulptur ist wegen der aktuellen Bauarbeiten vor der Wanzleber Gemeinschaftsschule entfernt worden. Der Landkreis Börde bestätigt jetzt die erfolgte Entsorgung des Kunstobjektes aus DDR-Zeiten. Wie ist es dazu gekommen?

Von Christian Besecke 12.06.2024, 18:00
Roland Puchta aus Wanzleben zeigt auf den Standort, wo der etwa zwei Meter große „Junge Leser“ bis zum Juli 2023 zu finden war.
Roland Puchta aus Wanzleben zeigt auf den Standort, wo der etwa zwei Meter große „Junge Leser“ bis zum Juli 2023 zu finden war. Foto: Hagen Uhlenhaut

Wanzleben. - Der Wanzleber Roland Puchta kann von seinem Balkon aus quer über den Schulhof der Gemeinschaftsschule blicken. Jahrzehntelang fiel im dabei die im Volksmund „Lesender Schüler“ genannte Skulptur ins Auge. Das Vergnügen wird er jetzt nicht mehr haben.

Im Augenblick ist der Hof der Schule eine einzige Baustelle. Der Landkreis Börde lässt das Gelände neu und modern gestalten (Volksstimme berichtete), nachdem schon das Schulgebäude von 2019 bis 2021 komplett saniert wurde. Zu dieser Zeit stand das fachlich richtig „Junger Leser“ genannte Denkmal noch an seinem Platz.

Allerdings soll die Skulptur „erheblich mit Farbe beschmiert, verunreinigt und dadurch erheblich beschädigt“ gewesen sein.

Darüber informiert die Pressestelle des Landkreises Börde. „Durch Vandalismus war bereits zeitweise der Kopf abgängig. Etliche Bruchstellen, Abplatzungen und Beschädigungen an der Kubatur der Statue waren sichtbar“ führt Pressesprecherin Anne-Luise Schröder aus. Von der Nachbarschaft und den Schülern sei die Statue in keiner Hinsicht mehr gewürdigt oder gepflegt worden. An der Statue selber war kein Hinweisschild über Namensgebung, Herkunft und Erbauungszeit vorhanden. Darüber klär die Leiterin des Bördemuseums, Dr. Nadine Panteleon auf. „Sie ist im Zuge der Symposien im Ummendorfer Steinbruch entstanden, die in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts stattgefunden haben“, sagt sie. Damit gehört die Skulptur zu sogenannten DDR-Kunst, die in der Region und weit darüber hinaus Verbreitung gefunden hat. Es sind hunderte Kunstwerke, oft im Auftrag entstanden und diese finden sich oft in Wanzleben und den Ortsteilen, wo sie einst aufgestellt wurden. Der „Junge Leser“ wurde vom Bildhauer Klaus Thiede konzipiert und von der Firma Roßdeutscher aus Magdeburg geschaffen. Das Werk kam an 23. April 1981 nach Wanzleben an die damalige Lenin-Oberschule und es gab einen feierlichen Appell mit dem ganz großen Brimborium. In der Volksstimme wurde seinerzeit darüber berichtet. Die Figur symbolisierte quasi das Leseland DDR als besonderen Bildungsstandort.

Das Aus für die Plastik erfolgte Anfang Juli 2023. Nach Rücksprache mit der Schulleitung, wurde bei einer Bauplanungsrunde beschlossen. Es sei auf dem „Altschulhof“ keine Wiederverwendung im Zuge der Neugestaltung vorgesehen gewesen, vermeldet der Landkreis. Demnach ist die Statue entfernt worden. Mehrmals sei die Stadt Wanzleben in die Vorplanung und in den Abriss der Außenanlagen auch vor Ort mit einbezogen. Auch hier habe es keine Einsprüche gegeben. Auch gab es keine Hinweise aus der Bevölkerung oder von weiteren Personen, dass diese Statue erhalten werden müsse. Das bestätigt Schulleiter Steffen Armgart.

Geschreddert und vergessen

Ordnungsamtsleiter Kai Pluntke sagt dazu: „Ich war bei den Besprechungen anwesend. Zur Skulptur kann ich aber gar nichts sagen. Es ist mir auch nicht mehr bewusst, dass wir darüber explizit gesprochen haben.“ Dr. Nadine Panteleon sieht den Vorgang aus der Sicht einer Expertin. „Man mag zu den Zeugnissen der DDR stehen wie man mag“, sagt sie. „Kunst liegt immer im Auge des Betrachters“. Die so beauftragte Vernichtung der Plastik durch die Baufirma bedauert sie. Das findet auch Roland Puchta. „Hätte man die Skulptur, in welchem Zustand auch immer, nicht einlagern können, um dann den Stadtrat entscheiden zu lassen“, fragt er.