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Große Volksstimme-Serie: "Oschersleben im neuen Jahrzehnt" / Teil 8: Engagement für das Sanssouci der Börde Dornröschen wird Schritt für Schritt geweckt

Von Yvonne Heyer 02.10.2010, 06:17

Seit dem 1. Januar 2010 blickt Oschersleben in ein neues Jahrzehnt. Doch welche Zukunftschancen sehen die Entscheidungsträger und die Bürger in der Stadt und in den Ortsteilen insbesondere angesichts knapper Kassen? In einer Zeit, da die Menschen immer älter werden, der Nachwuchs für seine berufliche Zukunft die Heimat zumindest zeitweise verlässt, verändern sich Städte, Gemeinden und die gesamte Lebensweise. Die Volksstimme geht der Frage nach, wohin der Weg für die Bodestadt führen kann. Heute Teil 8: "Engagement für das Sanssouci der Börde - Peseckendorfer und Gäste wandeln künftig durch einen hundertjährigen und doch verjüngten Park".

Oschersleben/Peseckendorf. Die Ruhe ist himmlisch. Der Peseckendorfer Schlosspark ist einfach ein idyllisches Fleckchen Erde. Mit seinem Wasserturm könnte er glatt die Kulisse für einen Märchenfilm liefern. Steht man vor diesem Turm, ist es, als würde Rapunzel jeden Augenblick ihr langes Haar herunterlassen; eine kleine Träumerei, doch im Fall des Peseckendorfer Schlossparks ist Träumen eben erlaubt.

Viele Menschen haben schon gestaunt, was dieses kleine Dorf Peseckendorf, ein wenig abseits von den schnellen Straßen des Landkreises, so ganz im Verborgenen zu bieten hat. Da ist dieses Schloss inmitten des Ortes, auch Sanssouci der Börde genannt. Und während das alte herrschaftliche Haus vor 15 Jahren eine umfassende Verjüngungskur bekam, hier vor allem junge Menschen in die so geschaffene Jugendbildungsstätte einkehren, fehlt dem denkmalgeschützten Schlosspark eben diese Verjüngungskur.

Wer beim Spaziergang über die Parkwege genauer hinschaut, wird schnell feststellen: Die zum Teil seltenen wie alten Bäume brauchen Pflege. Damit auch künftige Generationen über schöne Parkwege wandeln, die Idylle genießen können, muss sich dringend etwas tun. Engagierte Peseckendorfer haben das längst erkannt. Allen voran der vor etwas mehr als einem Jahr gegründete Kultur- und Heimatverein des kleinen Dorfes. Die Vereinsmitglieder um den Vorsitzenden Prof. Dr. Mario Engelmann haben sich auf die Fahnen geschrieben, dem Park neues Leben einzuhauchen.

Sich mit der Zukunft des Parks zu beschäftigen, heißt gleichzeitig, einen Blick in die Geschichte zu werfen. Denn das Ziel des engagierten Heimatvereins ist klar: Der Park soll nach historischem Vorbild umgestaltet werden.

Schauen wir also in die Geschichte des Parks. Sie reicht mehr als hundert Jahre zurück. Damals gab es in Peseckendorf ein altes Rittergut und ein Schloss. Das Schloss wurde zwischen 1813 und 1859 schrittweise abgerissen. Aus seinen Steinen errichtete man die Umfassungsmauer des Gutes und die Kapelle im Ort. Mitte des 19. Jahrhunderts kaufte die Familie Schaeper das Rittergut Peseckendorf. Vor dessen altem Gutshaus wurde ein prächtiger, etwa acht Hektar großer Park angelegt. Schon damals gab es dort drei Teiche, verbunden über ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem, seltene Bäume und Buschgruppen. 1904 entstand inmitten des Parks ein Wasserturm im neugotischen Stil. Er wurde erst vor einigen Jahren von der damals noch selbständigen Gemeinde Peseckendorf saniert.

Zwischen 1906 und 1909 wurde das alte Rittergutshaus abgerissen und das - heute oft als Schloss bezeichnete - Herrenhaus vom bekannten Architekten Paul Schulze-Naumburg errichtet. Und mit dem Bau dieses Gebäudes wurde auch der Park neu strukturiert. So ließ der damalige Bauherr Friedrich Schaeper eigens für einen besseren Blick auf sein grünes Reich einen Rundsaal in die Mitte des Schlosses zur Parkseite bauen. Auf diesen Rundsaal wurden nun die Sichtachsen und Wege des Parks ausgerichtet. Einer der Teiche wurde bis an das Herrenhaus herangezogen und war so groß, dass man sich auf ihm mit Gondeln bewegen konnte.

In einem alten Film über das Peseckendorfer Rittergut, der aus dem Jahre 1937 stammt, sagt Rudolf Pramme: "Der Park war wie der Wörlitzer Park angelegt, nur nicht so groß." Rudolf Pramme lebt heute in Klein Oschersleben, ist 89 Jahre alt und kann sich noch sehr gut an den Park erinnern. Weil sein Vater auf dem Gut arbeitete und er als Kind dort oft spielte.

Von einem Landschaftspark nach Wörlitzer Vorbild mit Baumgruppen, Sträuchern, Wasserläufen und freien Sichtachsen ist der Peseckendorfer Schlosspark heute weit entfernt. Über Jahrzehnte schlief er den Dornröschenschlaf. Doch der noch junge Heimatverein des kleinen Ortes ist angetreten, ihn zu wecken.

"Ziel ist, den Park großteils nach historischem Vorbild herzurichten"

"Unser Ziel ist es, einerseits den Park in großen Teilen nach historischem Vorbild wieder herzurichten, andererseits muss die Sanierung und Umgestaltung so erfolgen, dass die Pflege und Bewirtschaftung von der Stadt Oschersleben, dessen Ortsteil Peseckendorf inzwischen ist, von der Ortschaft, und vom Heimatverein ohne großen finanziellen Aufwand gewährleistet ist. Zudem soll auch noch dem Naturschutz Rechnung getragen werden", so der Vereinsvorsitzende Mario Engelmann. Dem kleinen wie rührigen Verein war von Anfang an klar, dass er diese Aufgabe nicht allein stemmen kann. Die Umgestaltung und Sanierung des Parks braucht schon aus finanzieller Sicht kompetente Unterstützer und Partner. Diese wurden gesucht und mit der Hochschule Anhalt in Bernburg-Strenzfeld, Studienbereich Landschaftsgestaltung, auch gefunden.

Die Studenten der Landschaftspflege Franziska Wunderlich und Marc Letsch haben gerade zum Thema Schlosspark Peseckendorf ihre Diplomarbeit abgegeben. Sie haben sich dafür eingehend mit dem Park beschäftigt, nicht nur den Baumbestand überprüft und jeden einzelnen Baum vermessen, sondern auch konkrete Vorschläge zur Umgestaltung des Parks erarbeitet. Dabei wurden sie von Prof. Dr. Birgit Felinks, Studienberaterin Landschaftsarchitektur und Umweltplanung der Hochschule Anhalt in Bernburg, und Heike Mortell, der Landesdenkmalpflegerin aus Halle, unterstützt. Die beiden Studenten wollen die Ergebnisse ihrer Diplomarbeit nach der öffentlichen Verteidigung im November in Peseckendorf vorstellen.

Mario Engelmann, der schon einen Blick auf den Entwurf der Diplomarbeit der beiden Studenten werfen durfte, sagte darüber: "Ich habe fast alle Teile davon gelesen und glaube, dass das nicht nur die beste Arbeit zu dem Thema Geschichte des Parks sein wird, sondern in ihr auch mehr Vorschläge für die praktische Umsetzung der Parkrekonstruktion geliefert werden, als ursprünglich gedacht. Lassen wir uns also überraschen."

Dass sich der Heimatverein in Zusammenarbeit mit der Ortschaft Peseckendorf und der Stadt Oschersleben keine einfache Aufgabe mit der Sanierung des Parks gestellt hat, wurde Ende April während eines Vororttermins deutlich. Hier stellten Franziska Wunderlich und Marc Letsch erste Ergebnisse ihrer Arbeit vor und berichteten von den Schwierigkeiten, in dem dicht bewachsenen Park überhaupt einen Anfang zu finden. Birgit Felinks brachte diesen Eindruck mit den Worten auf den Punkt: "Der Park braucht Zuwendung. Man sieht den Park vor lauter Bäumen nicht."

Bei ihrer Bestandsaufnahme mussten die beiden Studenten viele rote Punkte in eine Übersichtskarte zeichnen. Diese Symbole machen deutlich, dass viele Baumpflegearbeiten auch aus Sicherheitsgründen an den zum Teil sehr alten Bäumen dringend notwendig sind. Die Ergebnisse der Diskussionen und Vorschläge, die sich während des Parkrundganges ergaben, wurden zusammengefasst und konkretisiert.

Im Ergebnis entstand eine grobe Kostenschätzung, die wiederum Grundlage für einen Fördermittelantrag war. Den hat die Stadt Oschersleben am 20. Mai an das Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung für die Sanierung/Rekonstruktion des Parks gestellt. Eine Antwort gibt es bislang nicht und daher ist auch nicht bekannt, welche Maßnahmen förderfähig sind und welche nicht.

"Der Park braucht Zuwendung, man sieht ihn vor lauter Bäumen nicht"

Egal aber, wie die Entscheidung ausfällt, allen Beteiligten ist klar: Viele Schritte und Bauabschnitte werden - allein aus finanzieller Sicht - nötig sein, um das Vorhaben umzusetzen.

"Allerdings gibt es auch Dinge, die uns im ersten Moment als besonders aufwändig erschienen und die später möglicherweise doch weniger Probleme bereiten. So wurde während des Rundganges diskutiert, den zahlreichen, wilden Aufwuchs möglicherweise als Nachzucht zur Verjüngung des Baumbestandes zu nutzen. Und die Vertreter der Unteren Naturschutzbehörde schlugen vor, Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen, für die oft geeignete Flächen gesucht werden, im Peseckendorfer Schlosspark vorzunehmen. So könnte sogar aus dem dritten Teich, der heute beinahe völlig verlandet ist, ein Fischzuchtteich werden, für dessen Nutzung auch ein Angelverein schon Interesse anmeldete", ist vom Heimatvereinsvorsitzenden weiter zu erfahren

"Ein Landschaftsgarten im Wandel - Gutspark Peseckendorf" unter diesem Motto könnte nicht nur die Diplomarbeit der künftigen Garten- und Landschaftsgestalter Franziska Wunderlich und Marc Letsch stehen. Nein, dieses Thema hat sich auch der Peseckendorfer Heimatverein auf die Fahnen geschrieben. Ein langer Weg wird es sein, bis dieser Wandel vollzogen ist. Und der Heimatverein wünscht sich, dass er auf diesem Weg nicht nur von der Stadt Oschersleben, sondern auch vom Paritätischen als Träger der Jugendbildungsstätte, die sich heute im Peseckendorfer Schloss befindet, begleitet wird. Denn am Ende des Weges sollten das Gutshaus und der Park wieder zu der Einheit verschmelzen, die ihren Architekten und Erbauern vor mehr als 100 Jahren vorschwebte.