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Wohnungsbau Zukunft von Kleingärten ungewiss

Der Neuaufstellung des Flächennutzungsplans der Stadt Wanzleben-Börde wurde im Stadtrat zugestimmt.

Von Josephine Schlüer 11.12.2020, 23:01

Wanzleben l Heftige Diskussionen wurden während der Stadtratssitzung am Donnerstag über die Neuaufstellung des Flächennutzungsplans (F-Plan) für die Stadt Wanzleben-Börde geführt. Im neuen Plan sind 6,23 Hektar Flächen von Kleingartenanlagen in der Einheitsgemeinde – darunter der Vereine „Springbrunnen“, „Zukunft Wanzleben“, „Bördeland“ und „Schulze 13“ – als Wohnbauflächen ausgewiesen.

Stadtratsmitglied Silke Schindler von der Fraktion SPD/Die Grünen hatte sich vor der Sitzung in einem Schreiben an die übrigen Stadtratsmitglieder gewandt. Darin bemängelt sie, dass die neu ausgewiesenen Wohnbauflächen 40 Prozent der vier Anlagen ausmachen, von denen aber derzeit lediglich 13 Prozent ungenutzt seien.

Olaf Weber, Vorsitzender des Verbandes der Kleingärtner der Region Ohre-Börde, bestätigt, dass die Gartenanlagen „Springbrunnen“, „Bördeland“ und „Schulze 13“ zu über 90 Prozent ausgelastet sind, „Zukunft Wanzleben“ über 60 Prozent. Stadtrat und Ortschaftsrat hätten wiederholt erwähnt, dass niemand seinen Garten verlieren wird, heißt es weiter im Schreiben von Silke Schindler. „Wenn das ernst gemeint ist, dann kann auf sehr lange Zeit das Baugebiet gar nicht realisiert werden“, gibt sie weiter zu bedenken.

Ein Kleingartenkonzept hätte bereits zu einem früheren Zeitpunkt erstellt werden müssen. Erst auf der Grundlage eines solchen Konzeptes könne über Kleingartenflächen verfügt werden beziehungsweise ermittelt werden, wo Flächen frei seien oder in absehbarer Zeit frei würden. Das sei versäumt worden, so Schindler. Sie betont: „Das eigentliche Problem ist, wir weisen Flächen aus mit der Folge, dass wir sie nicht bebauen werden können. „Wenn wir darum irgendwann alternative Fläche ausweisen wollen, wird die Genehmigungsbehörde darauf hinweisen, erstmal die ausgewiesenen Bauflächen zu nutzen“, sagt Schindler. Das sei der Konflikt. So könnten Entwicklungsmöglichkeiten verbaut werden.

„Der Flächennutzungsplan schafft kein Baurecht“, weiß auch Olaf Weber. Seiner Meinung nach tue sich die Stadt keinen Gefallen damit, im F-Plan Flächen zum Wohnungsausbau auszuweisen, die bei Bedarf nicht genutzt werden können. Weber: „Die Überleitungsregeln aus Anlass der deutschen Wiedervereinigung sind im Bundeskleingartengesetz unter dem Paragraph 20a geregelt.“ Danach unterlägen die Kleingartenanlagen der Stadt Wanzleben-Börde dem Bestandsschutz und sind als Dauerkleingartenanlagen festgesetzt. Aus diesem Grund sei eine Kündigung der Pachtverträge nach Paragraph 9 des Bundeskleingartengesetzes ausgeschlossen. Die Ausweisung von Kleingartenflächen in der F-Planung als Baugebiet entfalte dementsprechend keinerlei Rechtswirkung.

Gudrun Tiedge, Stadtratsmitglied für Die Linke, widersprach Silke Schindlers Kritik an der Ausweisung der Bauflächen und wies darauf hin, dass derzeit keine alternativen Bauflächen zur Ausweisung von Bauland existierten. Den Vorschlag, ungenutzte Privatflächen zu kaufen, bezeichnete Tiedge als Enteignungsversuche. Klaus-Peter Konczalla von der FDP widersprach ebenfalls: „Die Kleingartensparten wurden ursprünglich nach dem Bedarfsprinzip errichtet und müssten dementsprechend auch dem jetzigen Bedarf angepasst werden.“ Tino Bauer, Vorsitzender des Stadtrats, fasste zusammen: „Kleingartenflächen werden nur im gegenseitigen Konsens zu Bauland. Stimmen die Kleingärtner nicht zu, wird auch nicht gebaut.“ Stadtratsmitglied Philipp Neuendorf (fraktionslos), wies jedoch erneut darauf hin, dass die Flächen der Kleingartenanlagen im Bedarfsfall nicht bebaut werden dürfen, weil der Bestandsschutz gelte, weshalb im schlimmsten Fall langfristig kein Nutzen für die Stadt erzielt werde.

„Der Flächennutzungsplan wurde auf einer rechtlichen Basis erarbeitet“, sagte Thomas Kluge, Bürgermeister der Stadt Wanzleben-Börde. Es sei offensichtlich vielen unklar, dass man mit dem F-Plan planungsrechtlich gar nichts machen kann, so Kluge. Sollte später auf der Basis des F-Plans ein Bebauungsplan erarbeitet werden, nämlich genau dann, wenn der Kleingartenverband freiwillig Flächen abgibt, „dann wären wir handlungsfähig“, so Kluge. Darum ginge es im Kern. Für das B-Plan-Verfahren wäre wieder der Stadtrat verantwortlich, also eine Abstimmung der Ortschafträte zwingend erforderlich. Man könne im B-Plan nur umsetzen, was im F-Plan festgelegt wurde. Kluge nannte das Beispiel der Anlage Hügelplantage, die im vorherigen F-Plan als Grünfläche ausgewiesen war. „Jetzt sind die Kleingärtner weg und wir dürfen dort nicht bauen“, sagte der Bürgermeister.

Dem Feststellungsbeschluss zur Neuaufstellung des Flächennutzungsplans der Stadt Wanzleben-Börde stimmte der Stadtrat mit 18 von insgesamt 27 Stimmen zu. Martin Schindler besuchte als besorgter Kleingärtner die Sitzung. Er fürchtet um die Anlagen und vermutet: „Wie sollen wir denn jetzt junge Leute motivieren, den Garten einer Rentnerin fortzuführen und ein kleines Gartenhaus zu sanieren, wenn über diesem Garten das Damoklesschwert - ‚Hier macht die Stadt Bauland‘ - schwebt?“ Da könne man den Leuten zehnmal erzählen, sie bräuchten keine Angst haben, die Stadt kann hier nicht ran. „Wie würden Sie sich entscheiden“, fragte Schindler. So bekomme die Stadt letztendlich was sie wolle, nämlich Flächen zum Wohnungsbau auf denen ehemaliger Kleingärten.

Positiv bewerten sowohl der Kleingärtner als auch Olaf Weber die Aufstellung eines Kleingartenentwicklungskonzeptes, dem der Stadtrat ebenfalls zugestimmt hat. „Der Verband verspricht sich von dem Konzept Bestandsschutz, also den Erhalt des Grüngürtels, eine ausreichende Versorgung mit Kleingärten sowie ein funktionierendes Kleingartenwesen in einvernehmlicher Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung und Verband, so Weber.