Wernigerode l Reiner Haseloff (CDU) ist dem Ruf eines Zehnjährigen nach Wernigerode gefolgt. Und dieser zierliche Junge war es dann auch, der mit einem bunten Strauß Rosen im Arm auf den Sachsen-Anhalter Ministerpräsidenten wartete.
Reiner Haseloff hat sich vorgenommen, in seiner Amtszeit alle Schule des Landes zu besuchen. Jeden Monat eine. Ein hehres Ziel: Es gibt 900. Das Stadtfeld-Gymnasium war die 50. Schule.
„Der Ministerpräsident bekommt täglich Briefe von Eltern, Lehrern oder Schülern geschickt, in denen sie Probleme mit dem Nahverkehr, der Essensversorgung oder der Ausstattung thematisieren“, erklärt Matthias Friedrich aus der Staatskanzlei zum Hintergund des Besuchs. Mithilfe der Schulbesuche wolle Reiner Haseloff die konkreten Probleme in den Landtag einbringen, damit diese auch bei den Haushaltsverhandlungen berücksichtigen würden.
Schnell geholfen habe der Ministerpräsident im Fall einer maroden Hallenser Schule. Eine Sanierung sei bereits beschlossene Sache gewesen. Haseloff beschleunigte nach seinem Besuch den Baubeginn.
Der zehnjährige Junge, der vor dem Stadtfeld-Gymnasium wartete, ist Paul Dübner. Er lernte den Ministerpräsidenten im vergangenen Jahr bei der Veranstaltung „Kulinarisches Sachsen-Anhalt“ kennen. Ein Wettbewerb, bei dem regionalen Spezialitäten verkostet und ausgezeichnet werden. Paul, ein begeisterter Nachwuchs-imker, kam mit dem CDU-Politiker ins Gespräch und lud ihn zu sich nach Wernigerode ein. Paul wollte ihm die Bienen-Arbeitsgemeinschaft (AG) vorstellen, in der er sich für Natur und Umwelt einsetzt.
Und tatsächlich: Reiner Haseloff sagte zu. Und so ließ er sich in Wernigerode erklären, dass die Bienen-AG bei den Schülern des Gymnasiums beliebt ist, sie nicht nur Honig schlagen, sondern auch Blühwiesen anlegen, Bienenwachskerzen gießen, Apfelsaft pressen, Saatgut abfüllen, Seifen oder Bienenwachstücher herstellen. „Bienenwachstücher eignen sich, um darin Lebensmittel zu verpacken. Sie sind wieder verwendbar“, erklärte Evelyn Dübner, Pauls Mutter, Lehrerin für Deutsch, Geschichte, Ethik, Kunst und Leiterin der Bienen-AG.
Ein „bisschen aufgeregt“ war Paul, bevor der Ministerpräsident in einer schwarzen Limousine anrollte. „Aber nicht so doll, da ich ja schon lange wusste, dass er heute kommt.“
Reiner Haseloff ließ sich von Schulleiter René Grützmacher auch die Klassenräume zeigen, bewunderte die Kunstausstellung der zwölften Klassen, lauschte dem Chor und ließ sich die Arbeit der anderen Arbeitsgemeinschaften und Schülergruppen erklären.
Auch Julian Aschoff und Noah Filipek hatten einen Stand in der Aula aufgebaut. Sie zeigten dem Ministerpräsidenten ihre Jahrbücher und präsentierten die Schülergruppe „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Die Neuntklässler waren sich einig, dass der Tag trotz des hohen Besuchs für sie in erster Linie ein ganz normaler Schultag ist, fanden es aber „cool, dass so einer hierher kommt“. Im Sozialkundeunterricht haben sie vor dem Besuch besprochen, wer da eigentlich kommt.
Julian Aschoff freute sich noch aus einem anderen Grund: „Jetzt haben wir einen kleinen Vorteil gegenüber dem Gerhart-Hauptmann-Gymnasium.“ Zwischen den beiden Schulen bestehe eine gewisse Konkurrenz, so Julian Aschoff augenzwinkernd.
Kernstück des zweistündigen Besuchs war eine Gesprächsrunde zwischen Landesvertretern, Schülern, Eltern und Lehrern. Unter anderem thematisierten sie den Digitalpakt, das Abitur nach der zwölften Klasse, Stichwort G8, und die Klimaproteste.
„Wann werden wir den Digitalpkat zu spüren bekommen“, fragte Mica Zwick aus der zehnten Klasse. Eva Feußner, Staatssekretärin im Ministerium für Bildung, erklärte, dass in Sachsen-Anhalt 137 Millionen Euro innerhalb der nächsten fünf Jahre für den Digitalpakt bereit stünden. Ab August könnte das Geld von den Trägern der Schulen abgerufen werden. Die Chancen stünden demnach für alle Schüler gut, die Digitalisierung ihrer Schule zu erleben, die nicht in diesem Jahr ihren Abschluss machen.
Reiner Haseloff ließ es sich nicht nehmen, daran zu erinnern, dass eine elektrische Tafel nicht zu besseren Ergebnissen im Logarithmieren führe, Bildung also vielmehr von Lehrern und Schülern abhängig sei als von elektrischen Werkzeugen. Aber klar sei es wichtig, die Schüler auf das spätere berufliche und private Leben vorzubereiten, das ohne Technik kaum noch auskommt.
Ein weiteres Thema, auf das Schüler den Ministerpräsidenten ansprachen, war das Abitur nach der zwölften Jahrgangsstufe. Sie berichteten davon, dass sie kaum Zeit für Hobbys hätten, da sie zum Teil bis zu zehn Unterrichtsstunden in der Schule verbrächten. Die Abende seien zum Lernen und für die Hausaufgaben reserviert. Sie hörten aus Nachbarländern und von Lehrern viel über die Vorteile des Abiturs nach 13 Jahren und fragten: „Gibt es eine Chance für G9 in Sachsen-Anhalt?“ Haseloff sprach sich dagegen aus: „Die Koalition hat sich auf G8 eingeschossen.“ Es sei ein seit Jahrzehnten bewährtes System und jetzt daran zu rütteln sei Aktionismus. Aus seiner Sicht sei es ein Vorteil, dass die Schüler ein Jahr eher die Möglichkeit haben, Geld zu verdienen.
Mica Zwick fragte den Ministerpräsidenten außerdem, wie er zu den Klimaprotesten von Schülern während der Unterrichtszeit steht. Seine Antwort: Er sei dagegen, den Unterricht für den Protest ausfallen zu lassen. Und überhaupt, es sei sinnvoller, dass die Schüler die Heizung runter drehen und ihre mit Braunkohle betriebenen Laptops nicht dauerlaufen lassen, „als 15 Minuten auf dem Marktplatz zu stehen“.