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Wernigerode Bangen vor der nächsten Flut

Brücke anheben, abreißen oder das Flussbett der Holtemme absenken - diese Varianten werden für die Kruskastraße geprüft.

Von Ivonne Sielaff 23.06.2019, 04:00

Wernigerode l Die Bilder vom Juli 2017 sind noch allgegenwärtig: Die Straße Am Auerhahn gut einen halben Meter unter Wasser, überflutete Keller, Anwohner, die händeringend versuchten, ihr Hab und Gut mit Sandsäcken zu schützen. Viel zu viel Wasser kam die Holtemme hinuntergeschossen. Die Fluten rissen Geäst und ganze Bäume mit sich. Die Brücke an der Kruskastraße erwies sich damals als Schwachstelle. Das mitgerissene Holz blieb an der Brücke hängen, was dazu führte, dass das Wasser nicht weiter fließen konnte, sich vor der Brücke staute, über die Ufermauern trat und die Straßen überflutete.

Die Brücke an der Kruskastraße habe deshalb im Wernigeröder Rathaus Priorität, machte Ordnungsdezernent Christian Fischer beim Runden Tisch „Hochwasser“ deutlich. Bei der Zusammenkunft waren Mitglieder der Bürgerinitiative Hochwasserschutz und Vertreter der zuständigen Behörden anwesend.

Laut Fischer prüfe ein Wernigeröder Ingenieurbüro im Auftrag der Stadt verschiedene Varianten, um den Durchfluss des Nadelöhrs Kruskabrücke zu weiten. „Wir haben bereits einen Gutachter bestellt, der den Untergrund prüfen soll“, informierte Jörg Gerlach von der beauftragten Firma. Fakt sei, dass die Unterkante der Brücke zu tief ist. „Mindestens 70 Zentimeter“, so der Experte. Zudem hänge noch eine Trinkwasserleitung unter dem Bauwerk. Mehrere Möglichkeiten würden nun unter die Lupe genommen werden: der komplette Abriss, eine Anhebung beziehungsweise Verschlankung der Brücke, um den Querschnitt zu vergrößern sowie eine Absenkung des Bachbetts.

Ob es eine Option sei, die Brücke sofort abzureißen, um das Quartier kurzfristig vor Hochwasser zu schützen, wollte eine Anwohnerin wissen. „Was spricht dagegen? Für uns ist nicht lebensnotwendig, dass die Brücke da ist.“ Es werde geprüft, ob die Brücke ersatzlos gestrichen werden könnte, so Gerlach. „Die Brücke ist in gutem Zustand, aber in schlechter Lage“, gab der Bauexperte zu bedenken. Ein Abriss hätte Auswirkungen auf die Erreichbarkeit des Quartiers, die Verkehrsführung und die Parksituation.

Eine intakte Brücke abzureißen, koste auch viel Geld, schaltete sich Volker Friedrich, ehemaliger Ordnungsdezernent und zukünftiger Chef der Wasserwehr, in die Diskussion ein. „Das widerstrebt mir. Wir sollten das Geld, das wir nicht haben, sinnvoll einsetzen.“ Schließlich gebe es in Wernigerode noch etliche andere Brücken, die saniert werden müssten. Die Absenkung des Flussbetts sei aus Friedrichs Sicht die elegantere Lösung. „Wie das geht, müssen die Fachleute sagen.“

Im Herbst wollen Jörg Gerlach und seine Kollegen dem Bauamt die verschiedenen Möglichkeiten für die Kruskastraße samt Kostenschätzungen vorstellen. „Eines steht fest: Alle Varianten sind richtig teuer“, stellte Gerlach klar. „Für einen Appel und ein Ei gibt es keine Lösung.“ Unter einer Million sei nichts zu machen, bestätigte Dezernent Fischer. Allerdings sei Hochwasserschutz eine Pflichtaufgabe. „Wir wollen das Ganze so einfädeln, dass wir belastbare Zahlen zum Start der Haushaltsdiskussionen für 2020 haben, so Fischer. Die favorisierte Variante soll 2020 umgesetzt werden.

Nur wenige Meter flussabwärts liegen nach wie vor die von der Flut 2017 in Mitleidenschaft gezogenen Gabionenwände am Ufer der Holtemme. „Wir lassen sie extra liegen“, erklärte Christoph Ertl, zuständiger Flussbereichsleiter des Landesbetriebes für Hochwasserschutz (LHW). „Sie schützen das Ufer. Die Planungen für die neue Uferbefestigung in dem Bereich würden bereits in der Schublade liegen. „Es wird extrem teuer“, so Ertl. Der Baugrund sei sehr schwierig. „Und wir wollen das Ufer so gestalten, dass es auch hält.“ Allerdings müsse erst Geld fließen. Und im Zuständigkeitsbereich der LHW gebe es viele Baustellen.

Keine befriedigende Antwort für die Anwohner, die der nächsten Flut bange entgegenblicken. „Wenn die großen Maßnahmen noch nicht greifen, muss doch wenigstens etwas im Kleinen getan werden“, forderte eine Hasseröderin. Sediment müsse entfernt, das Flussbett regelmäßig freigeschnitten werden. Das angeschwemmte Material werde beräumt, versicherte Christoph Ertl. Holzungen des Flussbettes seien dagegen „naturschutzrechtlich schwierig“. Eine Aussage, die Volker Friedrich nicht hinnehmen wollte. „Das Flussbett hat frei zu sein, auch wenn da mal ein Piepmatz brütet.“ Der Mensch dürfe nicht in den Hintergrund treten.

Es gehe den Anwohnern nicht nur um die Kruskastraße, sondern um alle hochwassergefährdeten Bereiche der Stadt, betonte Juliane Beese, Initiatorin der Bürgerinitiative Hochwasserschutz. Beese mahnte zur besseren Zusammenarbeit der Behörden und zu Dringlichkeit. „Ziel muss sein, dass sich was ändert.“