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Corona-Krise Stiller Hilferuf von Harzer Gastronomen

Harzer Gastronomie- und Hotel-Betriebe dürfen in der Corona-Krise weiter nicht öffnen. Dagegen regt sich Protest - auch in Wernigerode.

Von Ivonne Sielaff 25.04.2020, 01:01

Wernigerode l Die 100 Stühle, die auf dem Wernigeröder Markt stehen, sind leer. Wie die Stühle in den Restaurants und die Betten in den Hotels und Pensionen. „Wir brauchen eine Perspektive“ - das ist die Kernaussage der protestierenden Gastronomie-, Tourismus- und Veranstaltungsbetriebe.

20 Demonstranten haben sich vor den Stühlen postiert. Mit Schutzmasken, Sicherheitsabstand von zwei Metern und schweigend. Diese 20 stehen für eine Branche, die derzeit ums Überleben kämpft. Deutschlandweit und besonders in Wernigerode, einer Stadt, in der Tausende Menschen von der Gastronomie und vom Motor Tourismus leben.

Organisiert hat diesen „stillen Protest“ Konditor Michael Wiecker. „Solche Aktion finden gerade überall in Deutschland statt“, sagt Wiecker gegenüber der Volksstimme. Ein befreundeter Gastronom aus Magdeburg habe ihn gebeten, etwas Ähnliches in Wernigerode auf die Beine zu stellen. Etliche hätten sich daraufhin beteiligen wollen. Doch die Auflagen für eine Demo in Zeiten von Corona sind streng. „Der Aufwand war groß, doch wir wollten es unbedingt machen.“

Die Forderung der Demonstranten an die Landesregierung: Ein Fahrplan für die Wiedereröffnung ihrer Betriebe. „Als in Magdeburg zuletzt über die Lockerungen der Schutzmaßnahmen gesprochen wurde, ist die Gastronomie-, Hotel- und Veranstaltungsbranche komplett ausgelassen worden“, klagt Wiecker. „Aber uns gibt es auch noch. Und für uns ist es lebensnotwendig, dass wir wieder öffnen dürfen - wenn auch unter Auflagen.“

Der Protest stößt bei etlichen Passanten und Besuchern des Wochenmarktes auf Interesse. „Ich finde die Aktion super. Ich unterstütze das“, sagt Kathrin Dahle, die aus der Volksstimme von der geplanten Demonstration erfahren hat. „Wernigerode ist im Moment so leer. Das ist ungewohnt. Der Trubel fehlt.“ Auch wenn die Gesundheit Vorrang habe, eine Perspektive für die Branche müsse kommen.

Manuela Gräfe kann das Ansinnen der Demonstranten ebenso verstehen. „Die kleineren Läden dürfen öffnen, wieso nicht die Restaurants?“, fragt die Wernigeröderin. Die Einhaltung des Sicherheitsabstandes sei wichtig. „Wenn man die Tische auseinander stellt, könnte der Abstand doch gewahrt werden.“

Auch Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) gesellt sich zu den Protestlern. „Das ist ein wichtiges Signal“, sagt der Stadtchef. „Ich drücke die Daumen und hoffe, dass alle von euch durchhalten.“ Nächste Woche sei eine Telefonkonferenz mit dem Landkreis angesetzt. Am 5. Mai rechne er mit einer neuen Verordnung aus Magdeburg. „Hoffentlich mit weiteren Lockerungen“, so Gaffert. „Aber da ist alles noch offen. Zu sagen, in welche Richtung es geht, wäre Kaffeesatzleserei.“ Aus Gafferts Sicht haben die Beschränkungen bisher gute Wirkung gezeigt. „Wir haben seit Tagen keine neuen Corona-Fälle im Kreis.“ Deshalb müsse man bei den Beschränkungen und Lockerungen differenzieren. „Wir sind nicht Köln“, so Gaffert weiter. Er wünsche sich für die Stadt wieder eine Form von Normalität - verbunden mit einer gewissen Vorsicht. „Bis dahin, gebt bitte nicht auf“, so der OB an die Demonstranten gerichtet. „Wir brauchen euch alle.“

Indes sind Quedlinburgs Gastronomen am Freitag auf dem Markt der Welterbestadt zu einer Mahnwache zusammengekommen. Oberbürgermeister Frank Ruch (CDU) hat dabei angekündigt, die Branche mit Taten unterstützen zu wollen. Wie die Stadt in einer Mitteilung informiert, müssen Gastronomie und Einzelhandel nach der Wiedereröffnung drei Monate lang keine Sondernutzungsgebühr zahlen.

In Halberstadt wird ebenfalls mit leeren Stühlen protestiert. Am Freitag, 1. Mai, wollen Gastronomie und Hotellerie von 11 bis 13 Uhr vor dem Rathaus auf ihre schwierige Lage hinweisen.