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Harz Wernigeröder Kirchen gehen neue Wege

Corona stellt Kirchen vor eine Heruasforderung. Doch in Wernigerode meistern Gemeinden die Ausnahmesituation mit kreativen Ideen.

Von Johanna Ahlsleben 18.01.2021, 23:01

Wernigerode l Das Coronavirus hat die Gesellschaft vor viele Hürden gestellt: ständig neue Verordnungen, Kontaktbeschränkungen, geschlossene Schulen und vieles mehr. Jedoch hat die Pandemie auch viele Menschen und Institutionen, so auch die Wernigeröder Kirchengemeinden dazu bewegt, kreativ zu werden, um einen Mittelweg zwischen Normalität und Pandemie zu finden.

„Von Mitte März bis Mitte Mai sowie vom dritten Advent bis zum 10. Januar haben wir auf Präsenz-Gottesdienst und Treffen verzichtet“, beschreibt die Pfarrerin der Neuen Evangelischen Kirchengemeinde, Heide Liebold. „Das ist uns schwer gefallen, denn eine Kirchengemeinde lebt auch von der Gemeinschaft und den Begegnungen.“

„Wir mussten im März, mitten in der Fastenzeit, erstmal alles herunter fahren“, erinnert sich der Pfarrer der Katholische Pfarrei Sankt Bonifatius Wernigerode, Stefan Hansch. Eigentlich hätte im vergangenen Corona-Jahr das Patronatsfest des Bonifatius auf der Wiese vor dem Gotteshaus in der Sägemühlengasse gefeiert werden sollen. Stattdessen renovierten die Gläubigen den Gemeindesaal.

Auch die Pfarrerin der Christusgemeinde Wernigerode-Schierke, Kerstin Schenk, plante für 2020 Großes. Die Kirche an der Friedrichstraße feierte nämlich im vergangenen Jahr ihren 111. Geburtstag. „In diesem Festjahr hatten wir natürlich ganz viele schöne Veranstaltungen geplant“, sagt Schenk betroffen, „zum Beispiel hatten wir Besuch von unserem Landesbischof und wollten mit der Gemeinde nach Jerusalem reisen.“ Dort wollten die Gemeindeglieder die Tochter der Pfarrerin besuchen, die dort ihr Freiwilliges Soziales Jahr absolviert hatte.

„Uns war es wichtig, den Aufrufen zur Reduktion von Kontakten zu folgen und eine gewisse Vorbildwirkung zu geben“, erklärt Pfarrerin Heide Liebold. So waren die Verantwortlichen mehr oder weniger gezwungen, Wege zu finden, wie das Leben in der Gemeinde in Zeiten von Corona nicht erstarrt.

Dafür haben alle drei Kirchengemeinden ihren Mitgliedern Online-Gottesdienste auf der Video-Plattform YouTube angeboten. „Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass ich bald auf YouTube zu sehen bin, hätte ich ihn ausgelacht“, sagt Pfarrerin Schenk scherzhaft.

Doch jetzt produziert sie im zum Filmstudio umgebauten Gemeinderaum bis zu drei Video-Andachten in der Woche. Wer heute auf den YouTube-Kanal der Christusgemeinde klickt, kann sich fast 70 solcher Videos angucken. Kerstin Schenk findet, dass mit Hilfe von YouTube auch Menschen erreicht werden konnten, die sonst nicht in die Kirche gegangen wären.

So stellte sich auch Pfarrer Stefan Hansch vor die Kamera in einer Kirche mit leeren Sitzbänken. Obwohl digitale Gottesdienste in der Krise eine gute Möglichkeit zur Überbrückung seien - er findet, „da fehlt halt auch einfach etwas“. Denn im Internet hört und sieht man nur. Aber aus Sicht des katholischen Pfarrers werden Gottesdienste mit allen Sinnen wahrgenommen: „Man riecht den Weihrauch und beim Segen hat man auch Nähe zueinander und spürt den anderen.“ Dass der Gesang, der sonst in den Gotteshäusern erklingt, fehlt, stimmt den 50-Jährigen sehr traurig.

Aber nicht nur Online-Gottesdienste, die den Vorteil haben, dass man sie immer wieder ansehen kann, hielten das Gemeindeleben am Laufen. Aktionen, wie die Telefon-Andacht, die Wäscheleine mit Gebeten oder die Einkaufs-Hilfe der Neuen Christlichen Gemeinde, die Verteilung von schriftlichen Predigten und die Übertragung des Gottesdienstes der katholischen Kirche zum Heiligen Abend sowie die Ostereier-Aktion oder Gottesdienste im Pfarrgarten der Christusgemeinde, haben bei den Gemeindegliedern großen Anklang gefunden. „Wir wollten trotz Corona an unseren Traditionen festhalten“, beschreibt Kerstin Schenk „Wir haben vieles umgestaltet.“ So wurde auch 2020 das lebendige Osterkreuz vor der Kirche in Hasserode geschmückt.

Bei der Aktion „Adventsbasteln von zu Hause aus“ haben Kinder für Senioren gebastelt, „so haben wir auch Kontakte zwischen den Generationen hergestellt“, berichtet Pfarrerin Liebold. In der Christusgemeinde haben Studenten beispielsweise die Fernseher der Senioren eingestellt, sodass auch sie die Andachten verfolgen konnten.

„Die Leute sind dankbar für die Angebote und wir bekommen positive Rückmeldungen auf die Videos“, sagt Stefan Hansch. Auch spontane Hilfsangebote erreichen die Gemeinden. „Da kam eine riesige Welle von Helfern auf uns zu“, erinnert sich Kerstin Schenk, „das waren mehr als überhaupt notwendig.“

Auch ausbleibende Kollekte wurden mit Spenden aus der Gemeinde ausgeglichen. „Menschen haben Geld überwiesen, weil sie nicht zum Sonntags-Gottesdienst gehen“, berichtet die Pfarrerin der Neuen Evangelischen Kirchengemeinde Wernigerode. Aber auch der jeweilige Kirchenkreis, so Pfarrerin Schenk, unterstütze die Gemeinden in dieser schweren Zeit, in der die Gottesdienste gekürzt werden und weniger Menschen die Gotteshäuser besuchen. Viel mehr aber sorgt sich Kerstin Schenk um außergemeindliche Projekte wie „Brot für die Welt“. Am Heiligen Abend seien für das Hilfsprojekt sonst immer mehrere Tausend Euro zusammengekommen. Heide Liebold ließ dafür kleine Spendentütchen verteilen, die die Mitglieder gefüllt zurück bringen können.

„Corona hat auch Türen geöffnet“, schätzt Kerstin Schenk ein. Vieles konnte aus den alten Traditionen heraus gelöst und umgestaltet werden. Daher wollen die Gemeinden auch einiges aus dem turbulenten 2020 mit ins neue Jahr nehmen. „Bereits jetzt ist klar, dass die wöchentliche Telefon-Andacht ein großer Gewinn ist“, erzählt Heide Liebold, „sie erfordert keine besonderen Techniken und es entstehen nur die normalen Telefongebühren.“ Auch die ökumenischen, sprich konfessionsübergreifenden, Film-Andachten haben Anklang gefunden, wie zum Beispiel der Clip zum Martinstag zusammen mit der katholischen Gemeinde. Heide Liebold hofft, dass die Neue Evangelische Kirchengemeinde, die sich voriges Jahr aus St. Johannis- und der St. Sylvestri/Liebfrauen-Gemeinde zusammengeschlossen hat, in diesem Jahr noch mehr zusammenwächst.

Man müsse gucken, mit welchen Angeboten man auch wirklich Menschen erreicht und dann entscheiden, was bleibt, so plant Pfarrer Stefan Hansch. Kerstin Schenk möchte gerne weiterhin digitale Grüße an die Gemeindeglieder verschicken. Ihren Jahresplan für 2021 hat die Pfarrerin wie immer aufgestellt, „natürlich alles unter Vorbehalt“.