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Corona-Onlinetest Aus dem Harz für ganz Deutschland

Die Corona-Krise stellt den Rettungsdienst im Harz vor Herausforderungen. Hilfe bringt ein inzwischen preisgekröntes Internetprogramm.

Von Holger Manigk 13.05.2020, 01:01

Wernigerode l Mitten in der Corona-Krise macht eine Idee aus dem Harz deutschlandweit Schule: Die renommierte notfallmedizinische Fachgesellschaft „Arbeitsgemeinschaft der Notärzte Nordrhein-Westfalen“ (AGNNW) hat den Ärztlichen Leiter Rettungsdienst des Landkreises Harz, Dr. Christoph Schenk, für ein von ihm entwickeltes Internetprogramm zur Einschätzung der Infektionsgefahr mit Covid-19 ausgezeichnet. Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Corona-Selbsteinschätzung für Bürger des Harzkreises, die speziell an Mitarbeiter von Rettungsleitstellen und Notrufzentralen adressiert ist.

Anhand von nur drei Fragen zu Symptomen der Krankheit, persönlichem Verhalten und Arbeitsumfeld können die Notfalldisponenten in der Rettungsleitstelle einschätzen, wie hoch das Risiko einer Ansteckung für die Besatzungen der eingesetzten Rettungswagen ist.

Die Idee dafür sei aus der Not heraus geboren: „Zu Beginn der Corona-Krise wurde vom Gesundheitsamt quasi das ganze Team einer Rettungswache in Quarantäne geschickt, weil es unwissend Kontakt mit einem Infizierten hatte, wie es sich im Nachhinein herausstellte“, erläutert Schenk. Zudem habe sich damals ein dramatischer Mangel an der nötigen Schutzausrüstung wie FFP-Masken und Kitteln angebahnt.

„Ich habe mir überlegt, wie ich folgenden Spagat schaffen kann: Unseren Rettungsdienst-Mitarbeitern sicheres Arbeiten zu ermöglichen und gleichzeitig den Verbrauch an Schutzausrüstung zu minimieren. Sozusagen „so viel Schutzausrüstung wie nötig, aber so wenig wie möglich“, berichtet der 54-Jährige.

Über das soziale Netzwerk Facebook startete er dann einen Aufruf, um einen IT-Experten für die Programmierung des Fragebogens zu finden. Hilfe bot ein Student der Wirtschaftsinformatik von der Universität Potsdam, Arne Spieß, an.

„Ihm gebührt ein mindestens genauso großer Anteil der Ehrung wie mir“, bedankt sich Christoph Schenk. Gemeinsam hätten sie über Telefon und PC zunächst zwei Tage lang rund um die Uhr an dem Programm bis zu dessen Veröffentlichung gearbeitet, es den inzwischen geänderten Corona-Richtlinien zu Verdachtsfällen des Robert-Koch-Instituts entsprechend über Nacht aktualisiert.

„Wichtig war uns vor allem: Wir wollten keine Insellösung für den Harz schaffen, sondern so programmieren, dass auch andere Regionen den Fragebogen nutzen können“, sagt der Ärztliche Leiter Rettungsdienst. So haben schon deutschlandweit verschiedene Rettungsleitstellen anderer Landkreise das Tool übernommen. „Ich bin mir sicher, nach der AGNNW-Auszeichnung werden noch weitere Leitstellen folgen“, so Schenk.

Dabei hatte er kaum Erwartungen bei der Bewerbung um den Ideenpreis, den der 2500 Mitglieder starke Verband wegen der Corona-Pandemie spontan statt seiner üblichen Wissenschaftspreise für herausragende Leistungen im Bereich Notfallmedizin und Rettungswesen ausschrieb. „Da bewerben sich auch Unikliniken, die ganz andere Forschungsmöglichkeiten haben als wir“, schätzt der Arzt ein. Für den Preis wurden Projekte über Deutschland hinaus eingereicht, teilt die AGNNW mit.

„Wie wir erwartet hatten, waren darunter einerseits Projekte von überregionaler Bedeutung und auf der anderen Seite solche, die in einem umschriebenen lokalen Maßstab wichtig und hilfreich waren und auch weiterhin sind“, so die Notarzt-Vereinigung weiter. Das ausgelobte Preisgeld von 1500 Euro geht zu gleichen Anteilen an drei Initiativen.

Die Berufsfeuerwehr Köln hat ein medizinisches Einsatzteam „zur Diagnostik und Behandlung von an Covid-19 erkrankten Personen in ihrer häuslichen Umgebung“ eingerichtet. Der Kreisverband Ludwigsburg (Baden-Württemberg) des Deutschen Roten Kreuzes erhält die Auszeichnung für die „Zusammenstellung von transportablen Sets für das notwendige Material zum individuellen Eigenschutz und für eine aussagekräftige Erstuntersuchung des Notfallpatienten zur Vermeidung einer Kontamination des gesamten Einsatzmaterials“.

Mit ihnen in einer Reihe steht die „Programmierung und barrierefreie Bereitstellung eines webbasierten Tools zur Bearbeitung von Notrufen in der Leitstelle nach Algorithmus zur Früherkennung von Covid-19-Fällen“ aus dem Harz. „Das war und ist eine echte Teamleistung“, resümiert Christoph Schenk. Deshalb wolle er das Preisgeld mit seinem Kompagnon Arne Spieß teilen.

Mehr als die Auszeichnung zähle für ihn aber: „Mittlerweile hat sich das System in unserer Leitstelle etabliert – und unsere Retter vor Ort können sich bei Einsätzen besser vor einer Corona-Infektion schützen.“