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Coronavirus Harzer Sternekoch kocht für Corona-Helden

Sternekoch Robin Pietsch aus Wernigerode beteiligt sich in der Corona-Krise an der Kampagne "Kochen für Helden".

Von Sandra Reulecke 30.03.2020, 03:00

Wernigerode l Sauberkeit ist in einer Küche oberstes Gebot, erst recht in der Gastronomie. Doch in Schutzanzügen und mit Mundschutz am Herd stehen? Das macht normalerweise niemand. Zumindest nicht vor Corona. Ab Montag tun Robin Pietsch und sein Team genau das. Der Wernigeröder Sternekoch holt die Aktion „Kochen für Helden“ nach Wernigerode.

Ins Leben gerufen wurde die Aktion vom Berliner Sternekoch Max Strohe. In seinem Restaurant Tulus Lotrek kocht er gemeinsam mit seinem Team Hunderte Gerichte für Corona-Krisenhelfer. „Wir Köche sind gut untereinander vernetzt. Ich fand die Idee sofort gut“, berichtet Robin Pietsch. „Wer den ganzen Tag im Krankenhaus oder Verkauf tätig ist, sollte gerade jetzt auch die Möglichkeit haben, etwas Vernünftiges zu essen.“ Da aber viele Kantinen und Restaurants mittlerweile geschlossen haben, sei das nicht so einfach.

Pietsch bietet deshalb an, Ärzte, Pfleger, Supermarktangestellte, Feuerwehrleute, Mitarbeiter von Obdachlosenzentren, ambulanten Pflegediensten und Erziehern, kostenlos mit Essen zu beliefern oder Speisen für diese Zielgruppe zur Abholung vorzubereiten. Die Resonanz auf diese Nachricht sei überwältigend gewesen. Nicht nur aus Wernigerode und der Umgebung haben sich Interessenten gemeldet. „Sogar aus dem Uni-Klinikum Magdeburg kam eine Anfrage“, berichtet der gebürtige Blankenburger. Zunächst wolle er sich aber auf Wernigerode beschränken. „Wir müssen erst einmal schauen, wie wir das logistisch hinbekommen und dann werden wir das Gebiet vielleicht erweitern“, erläutert der 31-Jährige.

Trotz seiner Erfahrung betritt der Wahl-Wernigeröder mit „Kochen für Helden“ Neuland. Nicht nur, was die Anzahl der zubereiteten Speisen angeht. Auch das Kochen selbst findet unter ungewohnten Bedingungen statt: „mit Maximalabstand zueinander und unter Beachtung nachgerade neurotischer Desinfektionsvorschriften“, wie er sagt.

Und eben unter Vollschutz. „Die Anzüge und Masken hat uns der Wernigeröder Dachdecker Mark Franke zur Vergfügung gestellt. Eigentlich werden die beim Innenausbau angezogen, kann in der Küche aber auch nichts schaden“, sagt Pietsch augenzwinkernd.

Dabei ist ihm aktuell eigentlich nicht zum Scherzen zumute. Erst Anfang des Monats hat er je einen Stern für seine beiden Wernigeröder Restaurants vom Restaurantführer Guide Michelin erhalten. Beide musste er nun aufgrund der Corona-Bestimmungen schließen, wann er wieder öffnen und wieder Dreharbeiten für Kochsehsendungen – ein weiteres Standbein von ihm – stattfinden, steht in den Sternen. „Nach zwei Tagen ohne etwas zu tun, ist mir schon die Decke auf den Kopf gefallen.“

Hat er Existenzängste? „Das kommt darauf an, wie lange die Situation dauert und welche staatlichen Hilfen es gibt“, sagt Pietsch. Rund 50.000 Euro monatliche Fixkosten habe er – für Personal, Miete und andere Nebenkosten – und vorerst keine Einnahmen, um diese zu decken. „Drei, vier Monate kann ich das vielleicht kompensieren. Danach bin ich beruflich wie privat pleite“, gesteht der Unternehmer. Nicht nur um sich selbst sorgt er sich, sondern auch um seine Mitarbeiter. Für sie hat er Kurzarbeitergeld angemeldet. „60 Prozent vom Lohn ist natürlich nicht viel“, sagt er.

Umso mehr freut er sich, dass sein Team dennoch motiviert ist und ihn ehrenamtlich bei „Kochen für Helden“ unterstützt. Dazu zählt Niclas Wollmann. Der 25-Jährige ist seit Herbst Koch bei Pietsch, dafür aus Berlin in den Harz gezogen. Die Corona-bedingte Zwangspause falle ihm schwer, gesteht er. „Darum bin ich froh, jetzt wieder was zu tun zu haben“, sagt Wollmann und macht sich daran, Lebensmittel einzuräumen.

Für „Kochen für Helden“ verwendet Pietsch nicht nur die Waren, die in seinem vollen Kühlhaus stehen. Auch andere Gastronomen aus Wernigerode haben Lebensmittel, die sie aufgrund der Zwangsschließung nicht nutzen können, zur Verfügung gestellt. Zudem habe er eine großzügige Warenspende von Mios Wernigerode (Edeka Foodservice) erhalten, die Red Devils Wernigerode haben mehrere Hundert Würstchen zur Verfügung gestellt. „Dafür sind wir dankbar. Denn wir können nur solange kochen, solange wir Lebensmittel dafür zur Verfügung haben.“

Bei der Logistik der Aktion erhält Pietsch Hilfe von den Veranstaltungsprofis vom Studio D4. „Außer Absagen sortieren haben wir gerade nicht viel zu tun“, sagt der Chef Christian Legler. „Das macht mich wahnsinnig – von 100 auf 0 ausgebremst zu werden ist hart.“ Der Wernigeröder rechnet nicht damit, dass sich das bald ändern könnte. „Das Thema Großveranstaltungen hat sich für dieses Jahr erledigt, mindestens. Und auch nach Corona wird sich für unsere Branche einiges ändern.“ Er sei froh, dank „Kochen für Helden“ eine sinnvolle Aufgabe zu haben. „Wir haben Fahrzeuge, können bei der Planung und mit Personal helfen“, erläutert Legler. Auch für seine Mitarbeiter habe er Kurzarbeit anmelden müssen, doch einige von ihnen arbeiten freiwillig bei der Aktion mit.

Hilfe hat auch die Geschäftsführung der Wernigeröder Schlossbahn angeboten. „Sie haben sich als Lieferanten angemeldet“, berichtet Pietsch. Aktuell sei er zudem mit dem Studentenwerk Magdeburg im Gespräch. „Wir wollen sie bitten, in der Mensa in Wernigerode kochen zu dürfen, da unserer Restaurantküchen für solche Ausmaße nicht ausgelegt sind“, erläutert er.

Zudem hat er eine Online-Spendenaktion, eine Crowdfunding-Kampagne, ins Leben gerufen. Denn nicht alles sei über Spenden finanzierbar, wie der Sprit für die Lieferfahrzeuge. Und auch die Behältnisse, in denen die Speisen geliefert werden, verursachen Kosten. „Wir brauchen spezielle Assietten, die in der Mikrowelle verwendet werden können.“ Alle Gerichte werden kalt geliefert, sodass sie jeder – ob Früh- , Spät- oder Nachtdienst – aufwärmen kann, sobald er Zeit zum Essen hat. „Wir investieren ausnahmslos alles in das Essen selbst, dessen Auslieferung und so weiter. Wir als Team arbeiten alle freiwillig und ohne Entgelt“, betont Pietsch. „Sollten unsere Kosten gedeckt sein und eventuell ein Überschuss an Spendengeld auflaufen, verteilen wir das Geld an mitwirkende Restaurants von #kochenfürhelden.“

Kontakt zu Robin Pietsch unter kochenfuerhelden@robin-pietsch.de, zur Crowd-Funding-Kampagne geht es hier