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Coronavirus Wernigerodes Helden in Weiß

Im Fieberzentrum in Wernigerode werden Verdachtsfälle auf das Coronavirus getestet. Im Testzentrum schieben Mediziner freiwilig Dienst.

Von Ivonne Sielaff 22.03.2020, 00:01

Wernigerode l Die Mittagspause ist vorbei. Friedrich Letzel nimmt seinen Platz am Empfang ein. Ein Tisch, ein Stuhl, und eine Sprühflasche mit Desinfektionsmittel. Zwei Räume weiter ziehen Dr. Reinhard Schlotter und seine Mitarbeiter ihre Schutzanzüge über. Handschuhe, Mundschutz, Brille und Kapuze - dann ist ihre Arbeitskleidung komplett.

Vor dem Eingang des alten Kohlgarten-Wohnheims in Wernigerode stehen die ersten Patienten. Wo früher Lehrlinge und bis vor kurzem noch Flüchtlinge wohnten, befindet sich jetzt ein Testzentrum für Corona-Verdachtsfälle. Am Montag, 16. März, öffnete die Fieberambulanz ihre Pforten, wurde in den Tagen zuvor unter der Regie der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA) mehr oder weniger aus dem Boden gestampft.

Reinhard Schlotter aus Wernigerode ist einer von vier Ärzten, die sich für den freiwilligen Dienst in dem Testzentrum gemeldet haben. Unterstützt wird das Ärzteteam von einigen Pflegern, Schwestern und Studenten. „Wir teilen uns rein, so dass immer jemand da ist“, sagt Schlotter. Nur wenige Mediziner hätten sich auf den Aufruf der KVSA gemeldet. Für ihn sei es aber eine Selbstverständlichkeit zu helfen, sagt der 63-Jährige, der in Blankenburg zusammen mit seiner Tochter eine Praxis für Chirurgie betreibt.

Am Eröffnungstag hätten sich etwa 40 Patienten untersuchen lassen. „Es kommen mal mehr, mal weniger“, sagt Reinhard Schlotter. Bis Donnerstag seien es etwa 150 Fälle gewesen. Noch seien diese Zahlen nicht mit denen in Großstädten wie in Halle zu vergleichen, wo Hilfesuchende oft stundenlang warten müssen, bis sie untersucht werden.

Die Patienten werden vom Hausarzt oder vom Gesundheitsamt an das Wernigeröder Testzentrum verwiesen. Aber es kommen auch viele Leute von sich aus. Nicht jeder Test sei notwendig, schätzt der Mediziner ein. „Eigentlich sollen sich nur die Leute mit den typischen Corona-Symptomen wie Fieber und Husten testen lassen. Aber wir schicken keinen weg.“ Die Leute hätten Ängste, so Schlotter. Das Thema Corona sei überall in den Medien präsent, was eine gewisse Panik schüre. „Und viele Menschen wollen einfach auf Nummer sicher gehen.“

Dabei gebe es derzeit keine Sicherheit. „Selbst mit einem negativen Testergebnis kann keiner sagen, ob er sich nicht in zwei Wochen wirklich ansteckt.“

Die Prozedur im Fieberzentrum ist immer die Gleiche. Am Empfang werden den Patienten die Hände desinfiziert. Ein Mitarbeiter fragt ihre Symptome ab, um zu klären, ob der Test tatsächlich notwendig ist. Im Untersuchungsraum werden die Daten des Patienten aufgenommen. Mit einem Wattestäbchen wird ein Abstrich aus dem Rachenraum entnommen. Per Kurier werden die Stäbchen ins Labor nach Salzgitter transportiert und dort analysiert. Drei bis vier Tage dauert es, bis das Ergebnis vorliegt. „Aber das Resultat erfahren wir hier nicht“, sagt Reinhard Schlotter. Wer positiv auf den Virus getestet werde, wird benachrichtigt und unter Quarantäne gestellt. „Das ist dann Sache der Gesundheitsämter.“

Die zusätzliche Arbeit sei für ihn kein Stress, sagt Schlotter. „Ich habe meine Praxistätigkeit in Blankenburg ohnehin etwas eingeschränkt, damit das Wartezimmer nicht so voll und die mögliche Ansteckungsgefahr geringer ist.“

Wie lange es dauert, bis die Corona-Krise ausgestanden ist, wisse derzeit niemand zu sagen. „Eines ist aber klar, wir reden hier nicht von Tagen, sondern von Wochen und Monaten“, ist sich der Mediziner sicher.

Bis dahin sollte ein jeder sich an die festgelegten Regelungen halten. „Wenig Kontakt, Abstand halten, sich nicht ins Gesicht fassen und Menschenansammlungen meiden, um die Infektionskette zu unterbrechen“, empfiehlt der Fachmann. „Und eben einfach Vernunft walten lassen.“

Vielleicht lernen die Menschen etwas aus der gegenwärtigen Krise, so die Hoffnung von Reinhard Schlotter. „Wir sollten mehr Demut vor der Natur haben“, sagt der 63-Jährige. „Unsere aktuelle Verwundbarkeit zeigt uns gerade sehr deutlich, dass wir eben auch nur ein Teil der Natur sind. Die Natur braucht uns nicht zum Überleben. Aber wir brauchen sie.“