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Harz Debatte um eine halbe Stunde

Einige Eltern der Francke-Schule in Wernigerode wollen den Schulbeginn um eine halbe Stunde verschieben. Dazu läuft derzeit eine Umfrage.

Von Katrin Schröder 22.02.2021, 00:01

Wernigerode l Wenn es zur ersten Stunde läutet, zeigt die Uhr 7.15 Uhr: Das ist – bei regulärem Schulbetrieb – Alltag in der August-Hermann-Francke-Grundschule in Wernigerode. Wenn es nach einigen Eltern geht, sollte der Unterricht jedoch künftig erst eine halbe Stunde später, um 7.45 Uhr beginnen. „Es gibt keinen triftigen Grund, warum die Schule so früh anfangen muss“, sagt Sebastian Tilch. Er möchte den Unterrichtsbeginn zeitlich nach hinten verlegen – und hat mithilfe des Elternrats eine Umfrage angestoßen, um die Haltung der anderen Mütter und Väter zu ermitteln.

Aktiv geworden ist Sebastian Tilch aufgrund persönlicher Erfahrungen. Der Wernigeröder hat zwei Kinder, die die Grundschule im Stadtteil Hasserode besuchen. Mit dem frühen Schulbeginn tut sich die Familie schwer. „Es gibt morgens immer wieder anstrengende Situationen, die offensichtlich mit dem frühen Aufstehen zu tun hat“, sagt der 48-Jährige. Das sei aber kein persönliches Problem: Vielmehr gehe es vielen so, davon ist Tilch überzeugt.

Dabei stützt er sich auf Studien aus der Schlafforschung und der Chronobiologie. Diese besagen, dass man es sich nicht aussuche, ob man früh oder spät aufstehe und zu Bett gehe. Dies sei vielmehr genetisch bedingt. „Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen: Für die Mehrheit der Schüler ist das allmorgendliche Aufstehen zu früh, um voll leistungsfähig und motiviert zu sein“, fasst Sebastian Tilch zusammen.

Nur wenige Menschen würden aus freien Stücken sehr früh aufstehen, Spätaufsteher seien ebenfalls in der Minderheit. Die meisten Menschen lägen zwischen den Extremen – und wer auf Dauer gegen seine innere Uhr leben müsse, riskiere gesundheitliche Nachteile (siehe Infokasten). Kinder seien demzufolge zwar meist früher wach als Erwachsene, trotzdem aber mehrheitlich um 6 Uhr noch nicht ausgeschlafen – auch wenn man sie früh zu Bett bringe. Oft könnten sie dann nicht einschlafen, das bestätigt Tilch aus eigener Erfahrung.

Einen Schulbeginn vor 8 Uhr halten Experten demnach für problematisch. In Wernigerode ist dies jedoch die Norm: Mit dem Schulbeginn um 7.15 Uhr ist die Francke-Schule am frühesten dran. Um 7.25 Uhr beginnt der Unterricht an der Diesterweg-Grundschule. Die Grundschule Stadtfeld startet um 7.45 Uhr. Nur an der Freien Grundschule fängt die erste Stunde erst um 8 Uhr an.

Seine Argumente hat Sebastian Tilch in einem Informationsblatt gebündelt, mit dem er anderen Eltern der Francke-Schule sein Anliegen erklären möchte. Im vergangenen Herbst hatte er sich damit zuerst an die Schulleitung und auf deren Anregung an den Elternrat gewandt. Das Gremium startete nun die Umfrage, die seit zirka zehn Tagen im Gange ist. Das Begleitschreiben des Initiators beizufügen, habe eine Mehrheit aber abgelehnt.

Dies bestätigt die Elternratsvorsitzende Isabelle Munderich. Sie bedauere dies: „Ich habe den Eindruck, dass die meisten Eltern gar nicht richtig informiert werden.“ Grundsätzlich sei sie für den späteren Schulbeginn. „Es geht nicht um den persönlichen Tagesplan einzelner Familien, sondern um die Kinder, die mehr Schlaf bekommen“, sagt die 31-Jährige, deren Tochter die zweite Klasse besucht.Auch eine Reihe junger Lehrer, die selbst Kinder haben, würden lieber später unterrichten.

Unter den Eltern gebe es einige, die sich sehr für einen späteren Schulbeginn einsetzten – auch mit Blick auf die Verkehrssicherheit im Winter, wenn es morgens länger dunkel ist. Andere wiederum, zumal im Elternrat, lehnten eine Veränderung ab – unter anderem, weil sie fürchteten, ihre Kinder nicht mehr früh zur Schule bringen zu können.

Dies sei jedoch möglich, betonen Isabelle Munderich und Sebastian Tilch: Der Frühhort stünde weiterhin ab 6 Uhr zur Verfügung. Zusätzliche Kosten fielen dafür nicht an, die Betreuungszeit im Hort verlängere sich nicht, da sich der Unterricht nach hinten verschiebe. Ebensowenig müsse man Probleme mit dem Schulbus befürchten. Vielmehr sei der Nahverkehrsanbieter verpflichtet, eine zeitnahe Verbindung anzubieten. Sozialdezernent Rüdiger Dorff bestätigt dies auf Nachfrage. Insbesondere für die Kinder aus Schierke würde mit dem Harzkreis und den Harzer Verkehrsbetrieben (HVB) eine Lösung gefunden. Zur Frage, wann der Unterricht beginnen solle, verhalte sich die Stadtverwaltung als Schulträgerin aber neutral, betont Dorff.

Schulleiterin Christiane Kresse-Wenzel will sich mit Blick auf die laufende Umfrage nicht äußern. Sie verwies auf die Gesamtkonferenz, die zu entscheiden habe und im Juni erneut tage. Daran nehmen Schulleitung und Lehrerkollegium sowie die Elternvertreter und Vertreter der Stadt teil. Jeder könne das Thema auf die Tagesordnung setzen.

Darauf hofft Sebastian Tilch, der zugleich befürchtet, dass die informelle Form der Befragung per E-Mail oder Handynachricht den Anschein erwecken könne, dass das Anliegen nicht ernstzunehmend sei. Die Frage des Schulbeginns sei zwar in der Vergangenheit schon diskutiert worden, aber bei einer ständig wechselnden Elternschaft immer wieder aktuell. Er hofft auf eine Veränderung: „Wenn man es möchte, dann geht es auch.“