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Innenstadtbebauung Dicke Luft wegen Lückenschluss

Die Johannisgemeinde will in der Wernigeröder Innenstadt ein Mehrfamilienhaus bauen. Doch in der Nachbarschaft regt sich Ärger.

Von Ivonne Sielaff 26.04.2017, 01:01

Wernigerode l In der Grünen Straße in Wernigerodes Neustadt wird bald gebaut. In einer Baulücke nahe der Johanniskirche soll ein Mehrfamilienhaus entstehen – barrierearm mit bezahlbaren, kleinen Wohneinheiten. Das Grundstück gehört der Kirchengemeinde St. Johannis.

„Wir haben überlegt, wie wir das Grundstück sinnvoll nutzen können“, sagt Pfarrerin Heide Liebold auf Volksstimme-Nachfrage. Die Fläche ist unbebaut, wurde teilweise für eine Gartennutzung an Anwohner verpachtet. „Es ist ein Fakt, dass in Wernigerode Wohnungsknappheit herrscht“, sagt die Pfarrerin. „In der Innenstadt gibt es Bedarf an kleineren Wohnungen – gerade bei älteren Leuten. Wir wollen eine Baulücke schließen und Wohnraum schaffen“, so Heide Liebold. Für eine Kirchengemeinde sei dies ein „zwar ungewöhnliches, aber gutes“ Projekt.

Doch in der Nachbarschaft regt sich Ärger. Einige Anwohner haben sich an die Volksstimme gewandt. „Wir fühlen uns übergangen“, klagt Stefan Ernst, dessen Grundstück an das Kirchenareal grenzt. „Bisher wurden wir nicht einbezogen, nicht informiert.“ Er habe nur deshalb von dem Projekt erfahren, weil die Kirchengemeinde den Pachtvertrag für seinen Garten gekündigt hatte. „Per Einschreiben“, so Ernst.

Auch seine Nachbarin sei „aus allen Wolken gefallen“. „Ich bin echt wütend über diese mangelnde Kommunikation“, sagt die Rentnerin. Sie sorgt sich nicht nur um die Bausubstanz ihres historischen Fachwerkhauses, die durch die Arbeiten mit schwerem Gerät leiden könnte. „Ich muss auch damit rechnen, dass die Giebelseite meines Hauses zugemauert wird. Ohne Tageslicht sind die Zimmer unbewohnbar.“ Sie fühle sich „gewaltig betroffen“, so die Wernigeröderin. „Doch bisher ist niemand von der Kirche zu mir gekommen, um mit mir zu sprechen.“

In der Kirchengemeinde sieht man dafür noch keinen Anlass. „Wir können doch nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen“, sagt Heide Liebold. „Wir haben den Bauantrag gestellt, bisher liegt noch keine Genehmigung vor.“ Zuerst müsse ausgelotet werden, „was genehmigungsfähig ist“. Es gebe vieles zu beachten im Rahmen der gesetzlichen Gegebenheiten. „Grundriss, Neigung des Daches, Optik, Höhe des Gebäudes“, zählt die Pfarrerin auf. Es könnte sein, dass der Bauentwurf angepasst werden müsse. Die Gartengrundstücke hätten rechtzeitig gekündigt werden müssen. „Ich kann mir vorstellen, dass das für die Pächter nicht so schön ist. Aber wir brauchen die Fläche“, so Liebold. „Sie ist Voraussetzung für das Projekt.“ Wenn die Baugenehmigung erteilt ist und klar sei, wie das Haus aussehen werde, folge das Gespräch mit den Anwohnern. „Wir wünschen uns, dass die Bauarbeiten in Einvernehmen mit den Nachbarn geschehen.“

Dafür sei es zu spät, sagt Stefan Ernst. „Wir hätten erwartet, dass man von Anfang an auf uns zukommt, dass unsere Sorgen und Ängste ernst genommen werden. Das ist nicht geschehen.“ Seine Nachbarin setzt nicht mehr auf das persönliche Gespräch. Sie hat einen Anwalt eingeschaltet.