Kurioseste Kirchturm-Chronometer, mit der Ernst Lies je zu tun hatte Die Uhr mit den 72 Minuten
Die Geschichte ist schon Jahrzehnte alt. Aber noch heute gilt sie als die kurioseste, die einem Uhrmacher überhaupt passieren kann. Es ist schon so lange her, dass sich Ernst Lies aus Ilsenburg nicht mal mehr an den genauen Ort erinnert. Aber über die Fotos mit der 72-Minuten-Uhr amüsiert er sich bis heute.
Ilsenburg. Ernst Lies, Ilsenburger Uhrmacher in zweiter Generation, ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Kaum ein Kirchturm, den er nicht längst bestiegen hätte. Mal ging es um die Uhren, ein anderes Mal um die zu restaurierende Krönung.
Auch momentan arbeitet er wieder an einer Bekrönung. In diesem Fall von der Kirche in Hornhausen bei Oschersleben. Ein Auftrag, mit dem er seit über sechs Wochen befasst ist. Die Kugel von 1885 wurde von ihm gesäubert, kupferrein (also blank) gemacht, abgeschliffen, fünfmal gestrichen und zum Schluss mit 1000-er Blattgold vergoldet. Zum Vergleich: Um nur einen Millimeter Gold zu bekommen, müssten bis zu 7 500 Goldplättchen aufeinander gestapelt werden.
Die mit Abstand größte von ihm bearbeitete Kugel war jene von der Pasewalker Stadtkirche. Mit einer Höhe von 1,70 Metern und einem Umfang von 3,80 Metern stellte sie alles Bisherige in den Schatten. Für Lies ist das immer wieder eine besondere Herausforderung. Es gibt nicht mehr so viele, die sich darauf verstehen. Und im übrigen ist es ja auch nicht die originäre Aufgabe eines Uhrmachers, eher die eines Malers mit Spezialkenntnissen. Insofern ist er in dieser Konstellation in den neuen Bundesländern der einzige.
Lies erledigt solche Arbeiten bereits seit 1962. Dass er sogar bis zu 35 Jahre Garantie auf darauf geben kann, zeugt außer von fachlicher Qualität auch von ausgeprägtem Selbstbewusstsein.
Viele Kirchtürme der Region bestiegen
Immerhin müsste er das ja nicht tun. Und Kollegen wie gute Bekannte sind auch nicht selten verwundert darüber. Gern erzählt der Ilsenburger die Geschichte von der kuriosesten Uhr, die ihm jemals untergekommen ist. Jahrzehntelang muss in dem ihm heute nicht mehr bekannten Dorf (Lies: "Irgendwo nördlich des heutigen Nordharzes.") eine Kirchturmuhr mit 72 Minuten pro Stunde gehangen haben. Erst als das handgemalte Ziffernblatt und auch das Uhrwerk selbst repariert werden mussten, fiel Lies der vielleicht kurioseste Chronometer seiner gesamten Berufslaufbahn auf. Da hatte sich jemand mal gründlich vertan, so Ernst Lies. Oder war es gar Vorsatz und vielleicht ein Aufmerksamkeitstest? Denkbar wäre auch die Wette eines Witzbolds.
Im Nachhinein alles Spekulation. Die Geschichte ist ohne genauere Ortsangabe heute kaum mehr nachvollziehbar, geschweige denn zu recherchieren. Vielleicht kennt sie aber jemand genauer und kann sich sogar noch erinnern?, hofft Uhrmacher Lies.