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Engagement Bei Problemen ein rettender Anker

In Wernigerode engagieren sich neun Frauen und ein Mann für die Telefonseelsorge. Keine leichte Aufgabe, wie Andreas Krov-Raak berichtet.

Von Ivonne Sielaff 29.09.2016, 01:01

Wernigerode l Kummer, Selbstmordgedanken oder einfach nur Einsamkeit. In persönlichen Krisen fällt es Menschen oftmals schwer, sich zu öffnen und Hilfe zu suchen. „In solchen Fällen sind wir da, rund um die Uhr, anonym, verschwiegen und kostenlos“, sagt Andreas Krov-Raak von der Telefonseelsorge Dessau. In der Sitzung des Sozialausschusses hat er seine Arbeit und die seiner Helfer vorgestellt.

„Unser Netzwerk existiert seit 60 Jahren in Deutschland“, so Krov-Raak. Mehr als 7000 ehrenamtliche Mitarbeiter sitzen an den Telefonen. In Sachsen-Anhalt ist die Telefonseelsorge in Halle, Magdeburg und Dessau vor Ort – in Dessau mit Außenstellen in Wittenberg und Wernigerode. „Im vergangenen Jahr haben wir in Dessau, Wittenberg und Wernigerode 21 000 Anrufe entgegengenommen.“ Eine der drei Dienststellen sei immer besetzt.

Dafür sorgen die 75 Ehrenamtlichen, die zwischen Mitte 30 und 84 Jahren alt sind. In Wernigerode sind es neun Frauen und ein Mann. „Ein Gespräch dauert im Schnitt 23 Minuten. Aber das variiert unglaublich“, so Krov-Raak. Die Helfer hätten 140 Stunden Ausbildung hinter sich, haben gelernt, mit anderen ins Gespräch zu kommen und offen für alle Themen zu sein.

„Sie sind mit Herzblut bei der Sache“, sagt der Mitarbeiter der Telefonseelsorge. „Sie wenden sich als ganzer Mensch dem Anrufer zu.“ Das sei nicht immer leicht. „Aber es ist eine sehr lohnenswerte Tätigkeit. Sie ist anstrengend, fördert jedoch die persönliche Entwicklung.“ Die Helfer kommen aus allen beruflichen Branchen – aus dem sozialen Bereich, einige arbeiten mit Maschinen, andere mit Zahlen oder stehen kurz vor dem Ruhestand. „Viele haben Lust darauf, eine andere Seite an sich zu entdecken“, so Krov-Raak.

Ein großes Thema bei den Anrufen sei die Einsamkeit. „Bei uns melden sich viele Ältere, die niemanden mehr haben, mit dem sie sprechen können, um der Einsamkeit für eine halbe Stunde zu entfliehen. Einige davon begleiten wir schon seit Jahren.“ Oft thematisiert werden zudem Selbstmordgedanken. Allein in Dessau, Wittenberg und Wernigerode waren es im vergangenen Jahr 680 Anrufe zu diesem Thema - also gut zwei pro Tag. „Auf unseren Mitarbeitern lastet dabei eine große Verantwortung, aber auch die Chance, etwas zu erreichen.“

Mit einem Anruf lassen sich die Probleme nicht lösen. Das könne der Betroffene nur selbst. „Das ist uns klar“, so Andreas Krov-Raak. „Aber wir können zuhören, können ihm Raum geben, können mit ihm gemeinsam einen ersten Schritt heraus aus der Krise finden.“ Die ehrenamtlichen Helfer erhalten keine Aufwandsentschädigung. „Bei uns ist Ehrenamt wirklich Ehrenamt.“ Lediglich die Fahrtkosten und die Ausgaben für die Schulungen werden erstattet.

Bezahlt werden müsse allerdings das Büro in Wernigerode. Die Stadt hat die Telefonseelsorge daher 2014 mit 1000 Euro und 2015 mit 1400 Euro gefördert. Für 2016 wurden 1620 Euro beantragt. Die Mitglieder des Sozialausschusses votierten einstimmig dafür. „Aber wir brauchen nicht nur Geld, sondern auch mehr ehrenamtliche Helfer“, so Andreas Krov-Raak. Interessierte seien jederzeit willkommen.

Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr unter (08 00) 1 11 01 11/ beziehungsweise 222 zu erreichen, darüber hinaus im Internet unter www.telefonseelsorge.de