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Freibad Notstand am Beckenrand in Wernigerode

Sommer, Sonne, Badespaß - das wäre in Wernigerodes Waldhofbad ohne Schwimmmeister unmöglich. Bäderbetrieb und DLRG plagen Nachwuchssorgen.

Von Holger Manigk 25.05.2018, 01:01

Wernigerode l Dieser Job bedeutet mehr, als nur sonnengebräunt mit Sonnenbrille und Goldkettchen lässig am Beckenrand zu sitzen. „Bademeister war gestern, der Fachangestellte für Bäderbetriebe ist ein äußerst vielfältiger Beruf“, sagt Ralf Schult. Trotzdem steht der Chef von Wernigerodes Badeanlagen 2018 ganz ohne Azubis da.

Die beiden Bewerber für die zwei Ausbildungsplätze in Wernigerode – einer davon bei der Stadverwaltung, einer bei der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) – hätten kurzfristig abgesagt. „In ganz Sachsen-Anhalt gibt es nur sieben Ausbildungsbetriebe für den Beruf“, berichtet Schult, der auch die DLRG-Ortsgruppe leitet.

Die Personalsorgen bei den Schwimmmeistern gebe es im gesamten Land. Den theoretischen Teil ihrer Ausbildung absolvieren die sachsen-anhaltischen Lehrlinge gemeinsam mit denen aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern in der Berufsschule in Wittenberg und der Schweißtechnischen Kurstätte Anhalt in Zschornewitz bei Gräfenhainichen.

Von den 22 angehenden Fachangestellten für Bäderbetriebe, die jedes Jahr starten, schafften drei bis vier die dreijährige Ausbildung nicht. „Dazu wechseln nach dieser Zeit einige Absolventen in einen komplett anderen Beruf“, sagt der Wernigeröder Bäderchef, der auch im Berufsbildungs- und Prüfungsausschuss sitzt.

„So bleiben meist zehn Ausgebildete für drei Bundesländer übrig.“ Die Hälfte von ihnen entscheide sich für einen Arbeitsplatz in Sachsen-Anhalts Schwimmbädern.

Einer, der die komplette Ausbildung durchgezogen hat und seither dem Wernigeröder Bäderbetrieb treu blieb, ist Andreas Gruß. „Als Schüler habe ich ein Praktikum in einer Werkstatt und eines in einem Seniorenheim absolviert, weil ich mich für Technik und den Umgang mit Menschen interessiere,“ sagt der Wernigeröder.

Als er 2004 vom Ausbildungsplatz für den Bäderbetrieb-Fachangestellten erfuhr habe er sich sofort beworben. „Denn dieser Beruf vereint beides – technisches Verständnis und den täglichen Kontakt mit den Badegästen.“

So gehören naturwissenschaftliche Fächer wie Chemie, Mikrobiologie und Physik zur Ausbildung. „Man lernt die Anforderungen an Trink- und Badewasser, wie Pump- und Rohrsysteme funktionieren sowie Kunststoffe und Metall schweißen“, erläutert Ralf Schult. Für Schwimmkurse und Angebote wie Aquafitness sollten Bewerber zudem Sozialkompetenz mitbringen.

„Man muss kein Meisterschwimmer sein, um bei uns anzufangen“, sagt der Bäderchef. Für den Anfang reichten 100 Meter Brustschwimmen. „Den Rest, wie Rettungsschwimmen, Stil und Technik für Kraul und Schmetterling lernt man während der Ausbildung.“ Das Wichtigste seien Interesse und Hingabe.

Dafür bieten Stadtverwaltung und DLRG in Wernigerode gute Bedingungen für die Azubis, betont Schult: „Mit dem Brockenbad und dem Waldhofbad, wo wir ein komplettes Ausbildungsbüro haben, bieten wir zwei tolle Standorte.“

Das sieht auch Nancy Siewert so. „Ich kann das ganze Jahr lang kurze Klamotten tragen – im Winter in der Schwimmhalle, im Sommer im Freibad.“ Die 21-Jährige steckt derzeit mitten im zweiten Ausbildungsjahr zur Bäderbetriebe-Fachangestellten. „Manchmal ist es anstrengend, bei schönstem Sonnenschein am Wochenende arbeiten zu müssen, wenn meine Freunde frei haben.“ Doch dafür könne sie sich in ihrem Job als echte Alleskönnerin beweisen.