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Gerichtsurteil Bewährungsstrafe für Harzer nach Faustschlag

Ein Angriff auf Flüchtinge brachte Hasselfede 2018 bundesweit in die Schlagzeilen. Nun hat das Amtsgericht Wernigerode ein Urteil gefällt.

Von Holger Manigk 15.11.2019, 00:01

Hasselfelde/Wernigerode l Wie genau am 15. September 2018 ein Wortgefecht zwischen zwei Auswärtsfans des SV Grün-Weiß Rieder und jugendlichen Flüchtlingen am Sportplatz in Hasselfelde eskaliert ist, lässt sich nicht mehr exakt rekon­struieren. Fest steht aber: Wegen gefährlicher Körperverletzung ist einer der Angeklagten, der 41-jährige Kai-Uwe S. aus Gernrode, am Donnerstag zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, ausgesetzt auf zwei Jahre zur Bewährung, verurteilt worden. Zudem muss er bis Jahresende 300 Euro Schmerzensgeld an den jungen Afghanen zahlen, dem er mit der Faust ins Gesicht schlug.

Der Verdacht eines massiv ausländerfeindlichen Hintergrunds der Tat habe sich in der Verhandlung nicht erhärtet, sagte Richter Klaus Tesch in seiner Urteilsbegründung am Amtsgericht Wernigerode. Zudem habe der Angeklagte keine Vorstrafen und gehöre „offenbar nicht einer rechten Szene“ an.

Lediglich „Frust über das verlorene Fußballspiel“ seiner Mannschaft Rieder habe zu der Attacke geführt, sagte S., der Reue zeigte: „Ich hätte mich in Zaum halten müssen. Ich entschuldige mich dafür, dass mir die Hand ausgerutscht ist.“

Die Prozessbeteiligten – Staatsanwalt, Verteidigung und Richter – einigten sich zudem darauf, das Verfahren gegen den Mitangeklagten Torsten S. vorläufig einzustellen. Der 37-Jährige muss dem Opfer der Attacke bis Ende Dezember ebenfalls ein Schmerzengeld von 300 Euro zahlen. Zahlt er pünktlich, wird die Akte endgültig zugeklappt.

In der gut zweistündigen Verhandlung wurde mithilfe von drei Zeugen versucht, die damaligen Abläufe nachzuvollziehen. An jenem Sonnabend vor gut einem Jahr war die Harzoberliga-Partie zwischen Hasselfelde und Rieder gerade abgepfiffen, als die jungen Afghanen den Sportplatz verlassen wollten. Die Flüchtlinge trainierten bei den Oberharzern mit, waren bei der Partie aber nur Zuschauer.

Nach übereinstimmenden Zeugenaussagen folgten die beiden Rieder-Fans der Gruppe Richtung Parkplatz, pöbelten wegen der Marken-Turnschuhe der jungen Afghanen. „Die haben wir bezahlt“, sollen die beiden in Quedlinburg geborenen Brüder gerufen haben. Die Betreuerin der Asylbewerber versuchte laut eigener Aussage, diese möglichst schnell in einen bereitstehenden Kleinbus zu bringen, um sie wieder zu ihrer Unterkunft nach Königshütte zu fahren – und so eine Eskalation zu verhindern.

Ein 17-Jähriger hatte bereits im Transporter Platz genommen, als ihn Kai-Uwe S. durch die geöffnete Schiebetür des Wagens auf die linke Wange schlug. „Ich hatte Schmerzen, bin aber nicht zum Arzt gegangen“, berichtete der inzwischen 18-Jährige.

Einer seiner Kumpel – mittlerweile ebenfalls 18 – eilte ihm zu Hilfe. Als der Afghane, der eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer absolviert, den Gernröder festhielt, würgte dieser den jungen Mann. Er leide nicht unter Spätfolgen, auf den Polizeifotos vom Tattag seien Druckstellen am Hals zu sehen, so Richter Tesch.

Das Eingreifen des zweiten Flüchtlings animierte wiede­rum Torsten S., sich in die Rangelei einzuschalten: Er packte den jungen Mann und hielt ihn fest – unklar blieb, ob der 37-Jährige damit schlichten oder seinem Bruder den Angriff erleichtern wollte. Schließlich sei die damals 27-jährige Betreuerin der Flüchtlinge beim Versuch, die Streithähne zu trennen, gegen den Transporter geschubst worden. „Ich blieb aber unverletzt“, sagte die Erzieherin. Kurz darauf seien die beiden Rieder-Fans geflüchtet, konnten aber von der Polizei ermittelt werden.

Sowohl Staatsanwalt als auch Verteidiger und Angeklagter kündigten an, den Richterspruch zu akzeptieren und auf Rechtsmittel zu verzichten. Damit ist das Urteil rechtskräftig.