1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wernigerode
  6. >
  7. Wernigerode droht Millionenloch

Haushalt Wernigerode droht Millionenloch

Die Zeiten der reichen Stadt Wernigerode sind vorbei. Bald sind alle Reserven aufgebraucht - im Rathaus herrscht Ratlosigkeit.

Von Ivonne Sielaff 01.11.2018, 10:56

Wernigerode l Wie geht es finanziell mit Wernigerode weiter? Diese Frage bereitet Wernigerodes Stadträten derzeit heftige Bauchschmerzen. Noch pünktlich in diesem Jahr sollen sie über den Haushalt 2019 abstimmen. Doch die Aussichten sind alles andere als rosig. Für die Zukunft blühen der Stadt Defizite zwischen drei und vier Millionen Euro pro Jahr. Allein für 2019 wird ein Minus von 3,16 Millionen Euro erwartet. Einnahmen von knapp 74 Millionen Euro stehen Ausgaben von 77 Millionen Euro gegenüber. Trotz florierender Wirtschaft und Steuereinnahmen in Höhe von 35 Millionen Euro reicht das Geld vorn und hinten nicht.

Damit die Stadtfinanzen nicht völlig aus dem Ruder laufen, soll nun an den Personalkosten geknapst werden. Die schlagen für 2019 mit 30 Millionen Euro zu buche. „Andere Spielräume haben wir nicht“, so Stadtchef Peter Gaffert (parteilos). Am Donnerstag will er den Lokalpolitikern seinen Sparvorschlag präsentieren. „Aber erwarten Sie keine Wunder.“ Die Personalreduzierung sei ein langwieriger Prozess.

2019 komme die Stadt finanziell noch über die Runden. Immer wieder verweist Gaffert auf die viel beschworenen Rücklagen. „Wir haben Glück, dass wir in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet haben.“ Dabei ist der erwartete 6,8 Millionen-Euro-Überschuss noch nicht einmal in Stein gemeißelt. „Das ist eine Prognose“, räumt Stadtkämmerer Frank Hulzer auf Nachfrage der Grünen ein. „Und Sie wissen, wie das mit Prognosen ist.“ Detaillierte Jahresrechnungen liegen noch nicht vor. Deshalb seien „gewisse Unsicherheiten“ vorhanden, so Hulzer. Nennenswerte größere Abweichungen erwarte er aber nicht. Doch schon 2020 kann das Millionenloch nicht mehr vollständig gestopft werden.

Für OB Peter Gaffert ist das kein Grund, schwarz zu sehen. „Die nächsten Jahre werden schwierig. Wir müssen aber nicht so tun, als ob die Welt zusammenbricht.“ Kämmerer Frank Hulzer formuliert es drastischer. „Der Griff in die Rücklage ist der letzte, den wir haben.“ Von einem geordneten Haushalt könne man nicht mehr sprechen. „Die reiche Stadt Wernigerode, die hier mal 10.000 oder 15.000 Euro und dort 500.000 Euro geben kann, gibt es nicht mehr.“ Kredite könne sich die Stadt ab 2020 abschminken, die würden mit einem defizitären Haushalt nur in Ausnahmen genehmigt. Es sei jetzt an der Zeit für Veränderungen.

Laut Gaffert müssten „mittelfristig Dinge eingespart werden, die viel Geld kosten“. Beispiele nennt er nicht. Dabei sind die Posten bekannt. Bürgerpark, Wildpark, Schwimmbäder, Museum, Bibliothek, Schierker Feuerstein-Arena gehören dazu – alles Freizeitstätten, die nur existieren, weil sie jährlich bezuschusst werden. „Wir könnten als Stadt natürlich sagen, wir machen radikale Einschnitte, aber dafür braucht es eine Mehrheit“, so Gaffert in Richtung Stadträte.

André Weber (CDU) sieht aber nicht die Kommunalpolitiker, sondern die Verwaltung in der Pflicht „den Rotstift zu schwingen“. Denn die Sparvorschläge von Seiten der Stadträte seien in der Vergangenheit immer abgebügelt worden.

Auch Thomas Schatz (Linke) fordert „finanzpolitische Verantwortung“ – nicht nur vom OB und seiner Verwaltung, sondern von den Stadträten selbst. „Und zwar das ganze Jahr über und nicht nur zur Haushaltsberatung“, so Schatz mit Blick auf den 480 000-Euro-Zuschuss für die Kulturkirche. Dieser wurde erst kürzlich mehrheitlich durchgewunken, obwohl die Finanzprobleme bereits bekannt waren. Steuererhöhungen und Personaleinsparungen würden nicht reichen. Das „Dienstleistungsspektrum“ der Stadt sollte unter die Lupe genommen werden.

Sabine Wetzel (Bündnis 90 /Die Grünen) schlägt einen Bürgerhaushalt vor, bei dem die Wernigeröder mit entscheiden, welche Prioritäten in der Stadt gesetzt werden. „Das ist kein Hexenwerk. Das machen andere Städte auch.“

Hendrik Thurm (Haus und Grund) und Reinhard Wurzel (CDU) haben gar Zweifel, ob der Haushalt überhaupt beschlussfähig ist. Er habe kein gutes Gefühl dabei, alle Rücklagen aufzubrauchen, so Thurm. Und Wurzel: „Wenn der Stadtrat den Haushalt mit zweistelligem Millionen-Defizit für die nächsten Jahre beschließt, müsste der OB eigentlich Widerspruch einlegen.“

Kevin Müller (SPD) indes mahnt zur Ruhe und rät, Gafferts Personalvorschlag abzuwarten, „Das ist ein guter Weg.“ 2019 sei noch genügend Zeit, sich mit Sparvorschlägen auseinanderzusetzen.

Ob der Haushalt tatsächlich pünktlich 2018 beschlossen wird, steht nach den aktuellen Diskussionen in den Sternen – ebenso mit welchen Auswirkungen die Wernigeröder zu rechnen haben. Die nächste Beratung zu den Stadtfinanzen findet heute um 17.30 Uhr in der Ratswaage im Rathaus statt.