Freizeit In Hasselfelde tanzt man wie im Wilden Westen
David Beekmans und Anja van der Avoorts, mit Spitznamen Eagle und Fenix, zeigen beim Herbstball der Westernstadt Pullman City Tänze aus dem 19. Jahrhundert.

Hasselfelde - Die Frauen tragen lange, weit schwingende Röcke, die Männer Westen zum Hemd und Halstücher. Sie reichen sich die Hände, drehen und wiegen sich im Takt, den Trommel und Fiddle vorgeben. „Das war unsere letzte Probe“, sagt David Beekmans, der das Video auf seinem Handy zeigt. Heute Abend wird es ernst beim Herbstball in der Westernstadt Pullman City in Hasselfelde.
Beekmans kennen dort alle nur als Eagle, seine Frau Anja van der Avoorts nennen alle Fenix. Das Paar stammt aus Belgien, ist seit Jahren in der Westernszene aktiv und hat sich in Hasselfelde ein neues Leben aufgebaut. „Ich lebe hier meinen Traum, jeden Tag“, sagt Fenix. Gemeinsam leben sie während der Saison im Klondike Camp der Westernstadt, in dem sogenannte Hobbyisten das Leben der amerikanischen Siedler nachempfinden. Im vergangenen Herbst haben sie ihren Lebensmittelpunkt komplett in den Harz verlegt. In Pullman City geben sie regelmäßig Tanzkurse im Oldstyle Dance, auf Deutsch: im Tanzen nach altem Stil.
Die Schrittfolgen und Figuren, die paarweise und in der Gruppe aufs Parkett gebracht werden, seien eine Mischung aus klassischem Paar- und Volkstanz, wie sie sich im 19. Jahrhundert entwickelt hat, erläutert die 48-Jährige. „Viele Volkstänze sind in dieser Zeit mit den Auswanderern nach Amerika gekommen“, ergänzt ihr gleichaltriger Mann.
Musik aus der alten Heimat
Dort entstand in der Kombination unterschiedlicher Stile etwas Neues. Auch die Musik, die die Feste in der Familie oder in der Nachbarschaft begleiteten, stammt aus der alten Heimat. „Jeder hat gespielt, was er konnte“, sagt Fenix – oftmals erst nur auf der Fiddle, der Violine, später kamen weitere Instrumente wie Schlagzeug, Gitarre und Bass hinzu.
Für die Musik sorgt heute Abend die Barndance Gang aus Lehrte. 60 Paare werden ab 18.30 Uhr in der Big Moose Dance Hall erwartet. Damit sind die Teilnehmerplätze ausgebucht, Besucher können aber von der Empore aus zuschauen, wie sich die Tänzer über das Parkett bewegen. „Dann kommen wir mit unseren Schicki-Micki-Klamotten“, sagt Eagle.
Denn beim Oldstyle-Dance gilt eine abgestufte Kleiderordnung – angefangen beim Barndance, was übersetzt so viel wie Scheunenball bedeutet. „Der Barndance wurde von Bauern und dem Landvolk gefeiert“, erklärt Eagle. Zweimal im Jahr, wenn die Scheune nach dem Winter und im Spätsommer leer war, wurde der Platz für ein zünftiges Fest genutzt. „Da kann jeder mitmachen“, so der 48-Jährige.
Reifrock und Smoking sind Pflicht
Für einen Viktorianischen Ball müssen die Tänzer mehr Aufwand treiben. Bei den Damen ist ein Ballkleid mit Reifrock Pflicht, die Herren tragen Smoking – so wie heute Abend beim Herbstball. Noch eine Stufe darüber steht der Offiziersball: „Da muss alles im Detail stimmen“, sagt Eagle – von den gestreiften Hosen und weißen Handschuhen der Herren bis zu den noch prunkvolleren Kleidern der Damen.
Offiziersbälle werden in der Hasselfelder Westernstadt allerdings schon seit einigen Jahren nicht mehr gefeiert, und für Anfänger könnten die Kleidervorschriften auch finanziell eine Hürde darstellen, weiß Eagle. „Ein Ballkleid für die Damen kostet ab 500 Euro aufwärts, für die Herren muss man mit 300 bis 400 Euro rechnen.“ Will man sich hingegen wie die einstigen amerikanischen Siedler im Alltag kleiden, kann man schon ab 150 Euro stilecht aussehen.
Daher setzt das Paar künftig verstärkt auf Barndance und will das Angebot ausweiten. „Wir möchten ein breiteres Publikum ansprechen, und das ist ein guter Einstieg. Jeder soll die Möglichkeit haben, das zu lernen“, sagt Eagle. Bisher gibt es einmal im Monat einen Kurs in der Westernstadt. Zwölf bis 14 Paare nehmen regelmäßig teil, sie zählen zur festen Tanzgruppe. Derzeit suchen die beiden Lehrer nach weiteren Räumen, in denen sie nach Wildwest-Sitte tanzen können.
Im Walzertakt und in der Gruppe
Dazu gehören Standardschrittfolgen wie bei Walzer oder Two-Step, die man mit verschiedenen Figuren, die in der Gruppe ausgeführt werden, kombiniert. Ob man Fehler mache, sei nicht entscheidend. Wichtiger sei der Spaß, betonen die beiden. Lehrer sind sie erst im vergangenen Jahr geworden, als ihre Vorgängerin sich zurückzog und sie kurzfristig den Herbstball übernahmen. Dass dort nun jeder, der möchte, auf die Tanzfläche darf, komme gut: Für den nächsten Ball, der am 6. Oktober 2023 stattfinden soll, gibt es bereits Vorbestellungen.
Etwas lernen kann man trotzdem beim Ball, und zwar bei den sogenannten Vortritten. Dann führen Fenix und Eagle mit wechselnder Unterstützung verschiedene Tänze vor. Vielleicht schaffen sie es diesmal sogar, gemeinsam eine Runde auf dem Parkett zu drehen. „Als Tanzlehrer kommt man meist nicht dazu, selbst zu tanzen“, sagt Eagle.
Wer den Oldstyle-Dance ausprobieren möchte, hat dazu am Sonntag, 9. Oktober, die Gelegenheit. Um 11 Uhr beginnt ein Tanzkurs in der Big Moose Dancehall. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.