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Nachhaltigkeitspreis Rätselraten um Wernigerodes Nominierung

Die Bewerbung Wernigerodes um den Deutschen Nachhaltigkeitspreis sorgt für Diskussionen. Inzwischen stellt sich die Frage der Ökobilanz.

Von Dennis Lotzmann 28.11.2018, 00:01

Wernigerode l Wie nachhaltig ist die seit 2013 bestehende Städtepartnerschaft zwischen Wernigerode und dem gut 9000 Kilometer entfernten Hoi An in Vietnam? Und ist die Partnerschaft so nachhaltig, dass sie am 7. Dezember guten Gewissens von der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis mit einer Auszeichnung gewürdigt werden sollte? Fragen, die aktuell in Wernigerode diskutiert werden, nachdem Detlef Rothert genau diesen Aspekt in Frage gestellt hatte: Die Partnerschaft sei gut und schön, aber eben nicht nachhaltig, so der Ökoaktivist. Und damit, das belegt der Tenor von Reaktionen, habe Rothert den Kern getroffen.

Im Rathaus der Stadt hat diese Kritik – zumindest nach außen hin – für Irritationen gesorgt. Das Partnerschaftsprojekt sei 2013 mit großer Mehrheit des Stadtrates eingegangen worden, erinnert Stadtsprecher Tobias Kascha. Und: Klimaschutz sei neben vielen anderen nur ein Aspekt einer nachhaltigen Entwicklung.

Das unterstreicht auch Stefan Schulze-Hausmann, Vorstandschef der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis. Es gebe mit Blick auf Nachhaltigkeit sehr verschiedene Ansätze, die seien längst nicht nur grün. „Wir definieren drei Nachhaltigkeitssäulen – ökologische, ökonomische und soziale Aspekte – und betrachten die Balance dazwischen“, so Schulze-Hausmann.

Dann, kontert Rothert, definiere die Stiftung den Begriff „nachhaltig“ komplett anders als er seit Jahren etabliert sei. „Nachhaltig ist im Zusammenhang mit Klima- und Umweltschutz gebräuchlich“, so Rothert. Allerdings definiert auch der Duden das Wort nur mit Blick auf längerfristige Auswirkungen.

Basiert die Debatte also nur auf Missverständnissen bei Begrifflichkeiten? Nein, stellt Stiftungschef Schulze-Hausmann klar, der im Übrigen „eine Lanze für die Partnerschaft zwischen Wernigerode und Hoi An bricht. Wenn an einer Stelle der Partnerschaft die Öko-Bilanz negativ ist, muss dies zwingend an anderer Stelle positiv ausgeglichen werden.“

Und hier stellen sich mit Blick auf die Fakten durchaus Fragen: Nach Kaschas Worten flogen in diesem Jahr – übrigens komplett über Fördermittel finanziert – insgesamt 14 Personen wechselseitig hin und her. Das macht, legt man den Kohlendioxid-Rechner von Naturefund zugrunde, bei einer Distanz zwischen Frankfurt/Main und dem internationalen Da-Nang-Airport in Vietnam, insgesamt 96 Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid.

Diesem Negativ-Saldo könnte nun der Ertrag der im Frühjahr 2018 in Hoi An installierten Solaranlage gegengerechnet werden. Laut Stadt können mit der 55-Kilowattpeak-Anlage jährlich 100.000 Kilowattstunden Strom ökologisch erzeugt werden. Das lässt rechnerisch 70 Tonnen Kohlendioxid-Einsparung erwarten – wenn diese Energie zuvor mit Kohleverstromung erzeugt worden ist.

Wie die Gesamtbilanz unterm Strich genau ausfällt, bleibt offen, da keine Messergebnisse hinsichtlich der Stromerzeugung vorliegen. Und – Stadtsprecher Kascha erinnert auch noch an 30 Bäume, die in Hoi An gepflanzt worden seien und die übrigen Projekte rund um Müllvermeidung und ökologisches Bewusstsein.

Wie auch immer. Detlef Rothert bleibt bei seiner Sicht der Dinge. Im Prinzip, gibt der Vorstandschef der Nachhaltigkeits-Stiftung zu bedenken, habe der Aktivist ja recht und lege den Finger in eine Wunde. Ihm streng gefolgt, würden Städtepartnerschaften aber in Polen enden, so Schulze-Hausmann.

Wie die Nachhaltigkeits-Stiftung abschließend entscheidet, bleibt abzuwarten. Am 7. Dezember werden in Düsseldorf die Preisträger präsentiert – Wernigerode und Hoi An sind unter den letzten vier der nominierten Anwärter.