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Natur Ärger um gefiederte Freunde

Viele Menschen füttern im Winter Vögel - wie zum Beispiel Silvia Runschke. Die Wernigeröderin hat deshalb Streit mit ihren Nachbarn.

Von Katrin Schröder 20.11.2016, 07:30

Wernigerode l Vor der Balkontür von Silvia Runschke herrscht reger Betrieb. Spatzen, Kohlmeisen, Blaumeisen flattern vor ihrer Wohnung am Walther-Grosse-Ring im Wernigeröder Stadtfeld. „Hin und wieder ist ein kleiner Grünfink dabei und manchmal ein Buchfink“, sagt die 63-Jährige. Sie gibt den Tieren Futter – und hat deshalb Ärger mit ihrer Nachbarin.

Auf zwei Tischen auf ihrem Balkon hat Silvia Runschke Behälter mit Vogelfutter abgestellt. In Gläser, die an einem Wandgestell befestigt sind, füllt sie die Körner. „Seit 34 Jahren wohne ich hier“, sagt sie. Und seitdem füttert sie im Winter die Vögel. Silvia Runschke wohnt im Parterre, am Gebäudeeck, die Wohnung über ihr stand jahrelang leer. „Es hatte sich kein Mieter beschwert“, sagt die Vogelfreundin. Vor einem Jahr zog jedoch eine neue Nachbarin ein, die es nicht hinnehmen wollte, dass der Balkon unter ihr ständig gefiederten Besuch anzieht.

Die Mieterin im ersten Stock wandte sich an den Vermieter, der Gebäude- und Wohnungsbaugesellschaft (GWW) Wernigerode. Gegen das Füttern sei nichts einzuwenden. „Das verbieten wir grundsätzlich nicht“, sagt Eileen Schmidt, bei der GWW zuständig für Mietangelegenheiten.

Ein Verbot dürfen Vermieter nicht aussprechen. Einschlägig ist dazu ein Urteil des Landgerichts Berlin von 2010. Ein Mieter hatte geklagt, weil sein Balkon von Vogelkot übersät sei. Der Vermieter sollte deshalb den Nachbarn in der Wohnung über ihm auffordern, weder Futter noch Wasser aufzustellen. Die Richter entschieden jedoch, dass die Belastung „ortsüblich“ sei, wie es in einem Bericht des Berliner Mietervereins zum Thema heißt. „Lediglich ganz unverhältnismäßige Verschmutzungen durch Vogelkot wären geeignet, eine Minderung der Miete zu rechtfertigen.“

Bei Terrassen und Balkonen, die bewusst zur Umwelt hin geöffnet seien, wären Kotablagerungen unvermeidlich. Zudem sei das Füttern von Vögeln im Winter weit verbreitet und „sozialadäquat“, heißt es im Urteil. Die Ausnahme bilden Tauben, die größer sind und deren Kot häufig von Krankheitserregern verunreinigt ist.

Daran halte sich die GWW, so Eileen Schmidt. „Es dürfen alle Singvögel gefüttert werden. Viele Mieter stellen Vogelhäuschen auf.“ Meist sei das unproblematisch, weiß die Mitarbeiterin aus Erfahrung. „Wenn es aber massive Beschwerden aufgrund von Verschmutzungen gibt, versuchen wir, eine Lösung zu finden.“ Dies gestaltet sich in diesem Fall offenbar schwierig. Die Nachbarin von Silvia Runschke will sich auf Volksstimme-Nachfrage nicht zum Thema äußern.

Im Winter ist das Füttern zulässig – im Sommer jedoch nicht. „Dann finden die Tiere ohnehin genug Nahrung in der Natur“, so Eileen Schmidt von der GWW. Das Problem sei, dass Silvia Runschke den Federtieren in der warmen Jahreszeit Körner hinstelle, was ihr per Brief untersagt wurde.

Die Vogelfreundin bestreitet dies jedoch. „Über den Sommer habe ich noch nie gefüttert.“ Ohnehin gebe es in dieser Zeit kein Futter zu kaufen. Die Vögel kämen allerdings auch im Sommer: „Sie sind daran gewöhnt“, glaubt Silvia Runschke. Ein Amselpärchen hatte sich in den Blumenkästen auf ihrem Balkon eingenistet und dort seine Jungen aufgezogen.

Die Vogelfreundin ist überzeugt: „Selbst wenn ich das Füttern einstelle, wird sich so schnell daran nichts ändern.“ Sie möchte weiterhin den Tieren von Oktober bis März über die kalte Jahreszeit helfen. Dies diene dem Arten- und Naturschutz: „Wenn man zum Beispiel darüber nachdenkt, dass der Hausspatz fast ausgestorben ist!“ Dafür gebe sie viel Geld aus und freue sich, wenn sie Vögel auf dem Balkon beobachten kann. „Ich bin krank und nicht mehr mobil“, sagt Silvia Runschke. „Das ist die einzige Freude, die mir bleibt.“