Nach Umwelthavarie im Harz Säure hatte für die Ilse tödliche Folgen
Einen Tag nach der Schwefelsäure-Havarie in der Ilse gibt es erste Erkenntnisse zu ökologischen Schäden. Aber es bleiben Fragen offen.

Ilsenburg/Veckenstedt - Nach dem Auslaufen von bislang bekannten 30 bis 50 Litern Schwefelsäure in die Ilse beginnt die rechtliche und ökologisch Aufarbeitung. Die toxische Substanz war am Mittwochmorgen über das Regenwasserabflusssystem der Ilsenburger Grobblech GmbH in die Ilse gelangt.
Ursächlich dafür waren zwei aufeinander folgende unglückliche Umstände. Zum einen war am Mittwoch gegen 3.30 Uhr aus einem für den Produktionsprozess benötigten Tank die giftige Schwefelsäure in eine dafür vorgesehene Sicherheitswanne gelaufen. Beim Versuch, die Säure aus der Wanne in Spezialbehältnisse abzupumpen, um sie fachgerecht zu entsorgen, passierte das nächste Missgeschick. Nach Volksstimme-Informationen ist beim Abpumpen der Säure ein Schlauch gerissen. Nach Angaben der Harzer Kreisverwaltung seien 30 bis 50 Liter Schwefelsäure unkontrolliert in die Ilse gelangt. Der Riss des Schlauches soll gegen 8.30 Uhr erfolgt sein.
Schnelle Anrufe
Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten. Gegen 9.30 Uhr gingen im Ordnungsamt der Stadt Ilsenburg erste Hinweise zu toten Fischen in der Ilse ein. Passanten an einer Fußgängerbrücke auf Höhe der Einfahrt Pulvermühle hatten dies beobachtet und schnell reagiert. Ebenso schnell reagierte das Ilsenburger Ordnungsamt. Die Meldung der Bürger wurde umgehend geprüft. Um 9.46 Uhr – und somit mehr als eine Stunde nach dem Havariefall – wurde laut Pressestelle des Landkreises durch das Ilsenburger Ordnungsamt die Einsatzleitstelle der Feuerwehr vom Verdacht der Havarie in Kenntnis gesetzt.
Die Ilsenburger Ordnungsamtsmitarbeiter informierten auch ihre Kollegen der Nordharzer Verwaltung, diese wiederum setzten die Osterwiecker in Kenntnis.
In der Zwischenzeit, genaue Angaben dazu gab es von der Kreisverwaltung nicht, soll dann laut Pressesprecher Michael Randhahn-Schülke der Umweltbeauftragte der Grobblech GmbH auch die Untere Wasserbehörde des Landkreises informiert haben. Von dort wurden sofort Mitarbeiter zu Wasserentnahmen in die betroffenen Gebiete entsandt.
Flächendeckende Information gewünscht
Fast zeitgleich wurde auch bekannt, dass die Werksfeuerwehr der Grobblech GmbH die Lage im Griff habe, keine weitere Säure ausläuft und es keine zusätzlichen Spezialkräfte wie der für Chemieunfälle spezialisierten ABC-Zug des kreislichen Katastrophenschutzes benötigt werden.
Mehr oder minder ratlos aber blieben die Bürgermeister Denis Loeffke (CDU/Ilsenburg) und Gerald Fröhlich (parteilos/Gemeinde Nordharz) sowie die Ordnungsämter in Ilsenburg und Veckenstedt zurück. Bei solchen Ereignissen liegt die Handlungshoheit beim Landkreis. Der handelte zwar, doch die Bürgermeister hätten sich gern eine flächendeckende und vor allem schnelle Information für die Bürger ihrer Orte gewünscht.
Hinweis über soziale Medien
Nachdem sich in dieser Richtung vonseiten des Landkreises nichts tat, haben die Kommunen in Eigenverantwortung gegen 13 Uhr über die sozialen Medien Warnmeldungen verbreitet. „Denis Loeffke und ich hatten uns über diese Maßnahme geeinigt und den Wortlaut abgestimmt. Mehr konnten wir ohnehin im ersten Moment nicht tun, denn uns lagen ja noch keinerlei Ergebnisse über den Grad der Schädigung der Ilse vor“, sagte Gerald Fröhlich am Donnerstag. Konkrete Zahlen werden laut Landkreis-Pressestelle erst in ein paar Tagen erwartet.
Mitarbeiter des Gewässerkundlichen Landesdienstes und des Kreis-Umweltamtes haben an mehreren Stellen Wasserproben entnommen, ebenso tote Fische für weitere Untersuchungen. Zudem sei das Havarie-Gelände untersucht worden, so Kreissprecher Michael Randhahn-Schülke.
Empfehlung, die Ilse bis Sonntag zu meiden
Mitarbeiter der Grobblech GmbH haben die toten Fische eingesammelt, die fachgerechte Entsorgung übernimmt das Unternehmen Secanim.
Auf einer Strecke von vier Kilometern hatte die Schwefelsäure für die Ilse tödliche Folgen – nicht nur für Fische wie Forelle, Rotfeder oder Bachneunauge, sondern auch für alle wirbellosen Tiere, die auf der Gewässersohle leben, resümiert Denny Sander, in der Halberstädter Kreisverwaltung für das Sachgebiet Wasser verantwortlich.
Eine Gefahr besteht aktuell nicht mehr. „Glück im Unglück war die hohe Wassermenge in der Ilse zum Zeitpunkt der Havarie von 169 Liter pro Sekunde“, wird Sander in der Mitteilung des Landkreises zitiert. Das habe dazu geführt, dass sich die in den Fluss gelangte Schwefelsäure stromabwärts weiter verdünnt und damit neutralisiert hat.

Verbesserungsvorschläge
Gerald Fröhlich hat bei dem Ereignis aber noch andere verbesserungswürdige Dinge ausgemacht. Eines davon ist der jetzt über einen Schieber an der neuen Furt-Brücke geregelte Wasserzulauf des Mühlengrabens in Veckenstedt. Dieser hätte mit wenigen Handgriffen geschlossen werden können, doch noch, so Fröhlich, sei der Landesbetrieb für Hochwasserschutz dafür zuständig. Die Brücke wurde zwar symbolisch eingeweiht, die Zuständigkeiten habe die Gemeinde aber noch nicht übernommen. Zum Glück sei die Säure auf Höhe von Veckenstedt schon so verdünnt gewesen, dann aktuell keine Schäden bekannt sind.
Auch wenn am Donnerstag keine Auffälligkeiten mehr festgestellt wurden – bis zum Sonntag, so die Empfehlung des Kreises, sollte die Ilse ab Höhe Gewerbegebiet Ellerbach sicherheitshalber gemieden werden.
Unterdessen läuft die Ursachenermittlung auf Hochtouren. Die Polizei ermittelt.