Familienleben in Sachsen-Anhal So geht’s weiter mit dem Ärztehaus in Benneckenstein
Seit 30 Jahren finden Benneckensteiner im Ärztehaus medizinischen Rat und Hilfe bei dem Arztehepaar Undine und Matthias Krause sowie der Apothekerin Christine Wysk.

Benneckenstein - Schließt die Arztpraxis in Benneckenstein, macht die Apotheke dicht? Mit Gerüchten wie diesem haben die Mediziner Undine und Matthias Krause wie auch Apothekerin Christine Wysk immer wieder zu kämpfen. Im Volksstimme-Gespräch beziehen die Eigentümer des Ärztehauses in dem Oberharz-Ortsteil Stellung.
Ein Rückzug sei derzeit kein Thema, stellt Matthias Krause klar. Der Allgemeinarzt praktiziert seit 1987 in Benneckenstein, vor 30 Jahren ist er gemeinsam mit seiner Frau, der Zahnärztin Undine Krause, in die gemeinsame Praxis in der Bahnhofstraße eingezogen. Das Haus hat das Ehepaar zusammen mit der Apothekerin Christine Wysk neu errichtet, die im Erdgeschoss die Adler-Apotheke betreibt. Auch sie habe nicht vor, in nächster Zeit aufzugeben, betont sie im Volksstimme-Gespräch.

Allerdings haben die Mutmaßungen einen realen Hintergrund: Matthias Krause ist 67 Jahre alt, mithin bereits im Rentenalter. „Ich habe vor, noch ein paar Jahre zu arbeiten, möchte aber mit 70 aufhören“, sagt er. Deshalb hat er sich bereits auf die Suche nach einem Nachfolger begeben. „Ich habe mich bei einer entsprechenden Börse der Kassenärztlichen Vereinigung angemeldet“, berichtet Krause.
Interesse bisher verhalten
Die Resonanz auf sein Angebot war bisher jedoch verhalten: „In einem Jahr haben sich gerade einmal zwei Interessenten gemeldet.“ Der eine konnte die Praxis übernehmen, in der er bisher angestellt war, der andere sagte ab, weil er eine hohe Arbeitsbelastung fürchtete. Das Bild vom gestressten Mediziner, der 60 bis 70 Stunden pro Woche schufte, sei aber überholt, sagen Undine und Matthias Krause übereinstimmend.
Die Zahnmedizinerin ist 63 Jahre alt, weshalb die Rentenfrage sich noch nicht stellt. Wie ihr Mann praktiziert sie seit 1987 in ihrem Heimatort. Im Lauf der Zeit hätten beide sich so eingerichtet, dass es bei 40 bis 50 Stunden Arbeitszeit pro Woche bleibt und dass sie es nach stressigeren Wochen mal ruhiger angehen lassen können. Wirtschaftlich stehe die Praxis auf gesunden Füßen, betont Matthias Krause – obwohl die Umsätze niedergelassener Ärzte über die Jahre gesunken seien. „Durch die vielen Gesundheitsreformen wurde es sehr viel schwieriger.“
Für Christine Wysk steht die Frage nach der Nachfolge ebenfalls im Raum. Mit 68 Jahren könnte sie ebenfalls gleich in den Ruhestand gehen, doch der 70. Geburtstag wäre auch für sie der ideale Zeitpunkt, um ihre Apotheke an einen Nachfolger zu übergeben. „Ich habe mich schon in dieser Richtung bemüht“, sagt sie – bisher jedoch ohne Erfolg.
Sinnvolle Einheit
Idealerweise sollten aber sowohl die beiden Praxen als auch die Apotheke erhalten bleiben, sagt Matthias Krause – denn erst die Einrichtungen zusammen bilden ein sinnvolles Ganzes. Für die Versorgung in Benneckenstein und die Nachbarorte wäre es ein schwerer Einschnitt, sollte das Ärztehaus wegbrechen – zumal ohnehin mehr Mediziner in der Region benötigt würden. „Wir machen uns wirklich Sorgen“, sagt der Hausarzt. Apothekerin Christine Wysk will optimistisch bleiben: „Wir geben die Hoffnung nicht auf.“
Mit viel Optimismus ist das Trio vor 30 Jahren in das Abenteuer Ärztehaus gestartet. „Es war eine Zeit, in der alle im Umbruch und Aufbruch waren. Alle waren motiviert, und man hat alles getan, um voranzukommen“, erinnert sich die Apothekerin. Wo heute Menschen medizinischen Rat suchen, stand früher das Benneckensteiner Kino. „Es war ein Schandfleck mitten im Ort“, erinnert sich Undine Krause.
Das Lichtspielhaus wurde zur Wendezeit nicht mehr genutzt und verfiel, berichtet ihr Mann Matthias. Er war damals Leiter des Stadtambulatoriums, das an die alten Besitzer zurückgegeben wurde. Diese verlangten für einen Rückkauf des Gebäudes „utopische Preise“, so Krause. „Wir waren daher auf der Suche nach Räumen, und unser damaliger Bürgermeister schlug vor: Nehmt das Kino!“
Neue Räume gesucht
Zur gleichen Zeit brauchte auch Christine Wysk einen neuen Standort für ihre Apotheke, die bisher zur Miete ganz in der Nähe untergebracht war. „Die neue Apothekenbetriebsordnung hat vieles vorgegeben, was in den alten Räumen nicht umsetzbar gewesen wäre“, erinnert sich die Pharmazeutin, die seit 1981 in Benneckenstein arbeitet.
Für die drei lag es nahe, sich für den Bau eines neuen Ärztehauses zusammenzutun. Nach dem Grundstückskauf und der Abwicklung der Formalitäten ging es mithilfe eines Architektenbüros aus Braunlage schnell voran: Im Herbst 1992 wurde das Altgebäude abgerissen. Der Grundsteinlegung im Juni 1993 folgten bereits im Dezember des gleichen Jahres der Einzug der Arztpraxen in der ersten Etage und im Januar 1994 die Eröffnung der Adler-Apotheke im Erdgeschoss. Im Obergeschoss gibt es zusätzlich zwei Wohnungen.
Mehr als zwei Millionen D-Mark hat das Trio seinerzeit investiert, trotz fehlenden Eigenkapitals war das damals möglich. Das Geld war gut angelegt, sagen die Bauherren. Bis auf die üblichen Renovierungen und den turnusgemäßen Austausch von Mobiliar und Ausstattung habe sich das Ärztehaus über 30 Jahre hinweg gut gehalten. „Von Anfang an war es gut geplant“, sagt Christine Wysk, Einziges Manko aus heutiger Sicht: Auf einen Fahrstuhl habe man damals aus Kostengründen verzichtet.
Schon als Kinder behandelt
Dieser müsste im Sinne der Barrierefreiheit nachgerüstet werden, ansonsten sei die Praxis mit zehn Mitarbeitern gut aufgestellt. Lange müssten Patienten nicht auf Termine warten, oft kenne man sich schon lange. „Wir haben viele Leute im mittleren Alter, die wir als Kinder schon behandelt haben“, sagt Undine Krause.
Unter den Patienten seiner Hausarztpraxis seien viele Familien und Senioren, sagt ihr Mann. Wegen der weiten Wege zum nächsten Arzt habe er in 30 Jahren in der Urlaubszeit nie geschlossen. „Ich habe immer eine Praxisvertretung.“
Im Ärztehaus gab es zudem nie Unstimmigkeit oder Streit, sagen die drei Hausherren. Dafür könne man dankbar sein, so Christine Wysk. „30 Jahre lang haben wir uns gut vertragen. Das ist nicht selbstverständlich.“