1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wernigerode
  6. >
  7. Ständige Holztransporte sorgen im Oberharz für Frust

EIL

Waldsterben Ständige Holztransporte sorgen im Oberharz für Frust

Oberharzer Ratsmitglieder klagen über Schmutz und Straßenschäden / Forstbetrieb sieht „Keine Alternative“

Von Katrin Schröder 17.04.2021, 09:14

Oberharzstadt

Sie gehören in allen Ortsteilen der Stadt Oberharz am Brocken zum Straßenbild: Die Lkw, die in Massen Holz aus den Wäldern transportieren. Die tonnenschweren Laster fahren durch die Orte, stehen am Rand der Landstraßen und sorgen für Schmutz, Lärm und Schäden auf Straßen wie Waldwegen. Das sorgt für reichlich Frust: Wie viel sich angestaut hat, zeigte sich in jüngsten Sitzungen der Ortschaftsräte, der Ausschüsse und im Stadtrat.

Löcher in den Straßen, abgefahrene Bordsteine, zerfahrene Waldwege: „Massivste Schäden“ gebe es in Tanne oberhalb des Schierker Wegs, berichtete Susann Thielecke (CDU) im Stadtrat. In und um Benneckenstein sehe es ebenfalls schlimm aus, zum Beispiel am Wanderparkplatz „Alte Eiche“, auf der Waldschneise und der Lange. „Man weiß gar nicht, welchen Waldweg man nutzen kann“, so Ortsbürgermeister Kay Rogge (parteilos). In Trautenstein und Sorge sorgen die Transporte ebenfalls für Schäden (siehe unten).

Das sei noch nicht alles, sagte Bauamtsleiter Enrico Schmidt im Ortschaftsrat Elbingerode. „Probleme gibt es in allen Teilen des Stadtgebiets.“ Betroffen seien besonders die Zufahrten in die Wälder, ergänzt Ordnungsamtsleiter Roland Krebs. Nicht nur die Schäden selbst regen die Mandatsträger auf, sondern auch das Verhalten der Fahrer, die die Lkw steuern. „Sie nehmen überhaupt keine Rücksicht“, so Elbingerodes Ortsbürgermeister Rudolf Beutner (CDU). Als „völlig schmerzfrei“ erlebt sie Amtskollege Kay Rogge (parteilos) in Benneckenstein. „Die Lkw fahren so, wie das Navi sie lenkt“, so die Königshütter Ortsbürgermeisterin Katy Lamm (parteilos). Sie sehe Laster in Kolonne am Straßenrand und verschmutzte Straßen. „Es ist wirklich katastrophal.“

Wegweiser verschwunden

Große Probleme gebe es mit den Wanderwegen, berichtete Thomas Schult, Leiter des Tourismusbetriebs der Stadt Oberharz am Brocken. Nicht nur, dass viele Wege zerfahren seien: Mit den Bäumen seien vielerorts Schilder und Wegweiser verschwunden, so Schult. „Wir haben im Moment ein richtiges Problem, darüber zu informieren, wo Wanderer entlanggehen können. Das ist immer nur eine Momentaufnahme.“

Die Frage sei, was geschehen solle, sagte Trautenstein amtierende Ortsbürgermeisterin Heidrun Meyer (FWG BI Abwasser Trautenstein). „Sollte das irgendwann einmal ein Ende haben, dann haben wir all diese desolaten Brücken, Straßen, Wege.“ Dabei dürfe es nicht bleiben, betonte Frank Schneemilch, stellvertretender Ortsbürgermeister in Sorge (FWG Oberharz): „Das Land kann die Kommunen damit nicht allein lassen.“

Schnelle Lösungen seien aber nicht in Sicht, sagt Oberharz-Bürgermeister Ronald Fiebelkorn (CDU), der im Krisenstab „Wald“ des Harzkreises mitarbeitet. Derzeit könne man nur die Schäden dokumentieren – und froh sein, dass die von Borkenkäfern geschädigten Bäume aus dem Wald geschafft werden.

Enorme Dimensionen

Das ist das oberste Ziel von Eberhard Reckleben. „Ich hätte mir niemals vorgestellt, dass wir einmal so viel Schadholz bekommen“, sagt der Leiter des Landesforstbetriebs Oberharz in Trautenstein. Die Dimensionen seien enorm: Allein 2020 seien rund eine Million Festmeter Holz aus dem Wald geschafft worden. Das entspräche mehr als 30000 Lkw-Ladungen.

Seit rund zweieinhalb Jahren werde intensiv in den Wäldern gearbeitet – ein Ende sei nicht abzusehen. „Wir sind im Moment dabei, das tote Käferholz aus dem Winter zu beseitigen“, erläutert Reckleben. Die Stämme müssten dringend weg, weil in ihnen Käfer nisten. Je mehr man abtransportiere, umso stärker könne die Zahl der Schädlinge begrenzt werden.

Wie sich der Befall in diesem Jahr entwickeln werde, könne man aber nicht vorhersagen. Auch aus einem anderen Grund müsse man Bäume fällen und abfahren – um Wanderer nicht durch Baum- und Astbruch in Gefahr zu bringen. „Ansonsten müssten wir den Wald sperren.“

Digitale Karte für Fahrer

Die schiere Masse der Transporte sorge für die Probleme, die in der Oberharz-Stadt und andernorts zu spüren seien. „Wir haben jeden Tag rund 150 Lkw im Wald. Das kann kein Mensch kontrollieren“, so Reckleben. Der Forstbetrieb tue sein Bestes, um den Abtransport des Holzes in geordnete Bahnen zu lenken. „Jeder Holzverkauf ist verbunden mit einer digitalen Karte und einer genauen Route, die der Transport nehmen soll“, so der Betriebsleiter. Ob sich die Fahrer daran halten, könne man aber nicht umfassend kontrollieren.

Schwierigkeiten mit ausländischen Fahrern und der sprachlichen Verständigung mit ihnen kennt er ebenfalls. Unterwegs seien diese im Auftrag der Kunden, die das Holz vom Landesforst oder den Besitzern der Privatwälder kaufen, sagt Reckleben. Viele Speditionen beschäftigten Fahrer aus Osteuropa, auf regionaler Ebene gebe es kaum Personal.

Den Kommunen habe er zugesichert, dass der Landesforst sich an den durch Holztransporte verursachten Kosten beteiligen werde. „Wir sehen die Probleme und versuchen, sie zu dämpfen.“ Drei Firmen habe man mit der Straßenreinigung beauftragt, das sei mit dem Straßenverkehrsamt vereinbart. Grundsätzlich sei das Straßennetz aber auch für den Lastverkehr und Holztransporte da. Ebenso seien Kommunen und andere Behörden verpflichtet, ihre Straßen in Ordnung zu halten – auch wenn das der Oberharzstadt angesichts der Finanzlage schwerfalle.

Abgestellte Lastzüge blockieren Straßen

Die Stadt könne die Transporte weder untersagen noch in den fließenden Straßenverkehr eingreifen, sagt Amtsleiter Krebs. Dafür sei die Polizei zuständig, die aufgrund von Beschwerden schon mehrfach eingreifen musste, wie ein Sprecher des Harzer Reviers in Halberstadt auf Anfrage mitteilt. Gründe dafür waren Lärm, Verunreinigen und Behinderungen durch abgestellte Lastzüge zum Beispiel auf der Strecke zwischen Tanne und Königshütte.

In drei Revieren – Elbingerode, Rübeland und Tanne – könnte der Einschlag im Sommer abgeschlossen sein, eventuell auch in Wernigerode. „Dann wird da keine Fichte mehr stehen“, so Reckleben. Im übrigen Forstgebiet werde man noch ein bis zwei Jahre abholzen müssen, schätzt Reckleben. „Das ist brutal, aber es gibt keine Alternative.“