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Tradition Warten auf einen Wanderköhler

Hartmut Thienen aus Benneckenstein vermittelt die Schönheit der alten Harzer Köhlerei.

Von Burkhard Falkner 23.10.2016, 15:00

Benneckenstein l Wer Hartmut Thienen treffen will, muss manchmal auf einen Termin warten. Denn der 73-Jährige ist viel auf Reisen und macht dem Sprichwort „Rentner haben niemals Zeit“ alle Ehre. Dabei sind seine Ausflüge keine Urlaubsreisen, sondern Präsentationstouren, und anschauliche dazu. Thienen ist einer der letzten Wanderköhler.

Überall, wo sich Menschen für die Verwandlung von gutem Holz in sehr gute Holzkohle interessieren, kann er Antworten geben und zeigen, wie ein Meiler geschichtet, angezündet, drei Tage bewacht und umsorgt wird, bevor dann Holzkohle entstanden ist.

„Sicher kann“, sagt der frühere Maschinenbaumeister, „Holzkohle heute viel schneller und bequemer hergestellt werden, aber mir geht es um die Erhaltung und Verbreitung der historischen Köhlerei sowie deren Bedeutung für die Montanwirtschaft, ja, für die Entwicklung der Menschheit.“ Ohne Holzkohle, argumentiert Thienen, hätte es einst keine Metallschmelze gegeben, später keine Industrialisierung, keine Zivilisation, keinen Wohlstand. Auf diese Entwicklungsfolge legen Köhler Wert und sind stolz darauf.

Außerdem haben Hartmut Thienen, Ehefrau Brigitte und ihre Freunde aus dem Harzer Köhlerverein auch noch ihre helle Freude am Hantieren mit Holz, Erde, Feuer in der Natur Aber warum zieht es den Wanderköhler dann überhaupt in die Ferne?

„Im Oberharz gibt es heute kaum Buchen oder Eichen für gutes Köhlerholz“, begründet Thienen seine Passion. Er gehe eben dahin, wo es das nötige Holz gibt. So ist der Oberharzer seit einigen Jahren öfter deutschlandweit unterwegs.“

Damit erfüllt Hartmut Thienen zugleich eine Forderung des Köhlervereins zum Erhalt und zur Verbreitung der alten Produktionsweise. Thienen baute schon Meiler in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt. Seine Auftraggeber sind Vereine und Hotels. Besonders gern köhlert er für Kinder. Ganze Grundschulen mit 200 Mädchen und Jungen lauschten schon gebannt und neugierig den Geschichten von „Schwarzen Männern“ und ihrem „Schwarzen Gold“ im Harz. Sogar Märchen kann der Wanderköhler erzählen, singen und Signale geben auch.

„Ich demonstriere zum Beispiel die Hillebille, und zum Abschluss wird nicht selten das Lied vom Köhlerliesel gesungen“, so Thienen. (Hillebille nennen Köhler ein spezielles Brett und einen Klöppel, die zur Verständigung mit Klopfsignalen dienten). Nicht selten staunen Kinder wie auch Erwachsene darüber, wie viel Arbeit in einem Stück Holzkohle nach historischer Produktionsweise steckt. Drei Tage lang muss der Meiler zum Beispiel Tag und Nacht bewacht und betreut werden, fast wie ein Kind.

Brennt der Meiler zu stark, verbrennt das Holz. Brennt er zu wenig, bleibt wertloses angekohltes Holz übrig. Beim Aufpassen hilft Brigitte Thienen deshalb gern aus. So kann der Wanderköhler Kraft schöpfen für den nächsten Vortrag.

Manchmal aber wird auch dem gestandenen Schwarzen Mann der Trubel zu viel. Dann wird es Zeit, in den Südharz zu gehen. Zu Altköhler Otto Ibe aus Neustadt/Osterode und Friedhelm Liebenroth aus Buchholz. Von ihnen hat Hartmut Thienen einst sehr viel gelernt. Mit ihnen verbringt er gern „stille Abende“ im Wald, wie die Köhler es nennen: Sitzend am rauchenden Meiler, schweigend, mit innerer Freude an der Natur.

„Das kann man gar nicht beschreiben“, verrät Hartmut Thienen: „Man hört abends den letzten Piepser eines nachtmüden Vogels und morgens die ersten Vögel, einfach schön.“

Für 2017 hat der Wanderköhler schon einige Termine. Er wird zu Festen und Jubiläen in Nebra, Liebenberg und Neindorf erwartet.