Tauziehen um beliebtes Ausflugziel im Harz Vor Entscheidung zum Kauf der Brockenkuppe: Pro und Contra aus dem Harzkreis
Soll der Landkreis Harz den Brockengipfel samt Gebäuden kaufen, um in die touristischen Angebote zu investieren? Während die Geschäftsführerin der Harzer Schmalspurbahnen nur positive Effekte sieht, bleiben andere bei ihrer Kritik --> mit Kommentar.

Schierke/Wernigerode. - Wenige Stunden vor der Abstimmung über den Kauf der Brockenkuppe am Mittwoch (11. Dezember) im Kreistag hat Katrin Müller als Chefin der Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB) die Pläne von Landrat Thomas Balcerowski (CDU) begrüßt: „Wir befürworten jedes Engagement, das das Ziel hat, die Angebote auf dem Brocken zu verbessern.“ Aus HSB-Sicht gehe es darum, den Brocken als attraktives Ziel für Fahrgäste zu erhalten - „wenn dort oben optimiert wird, sind wir sehr gern dabei“, betont die 37-Jährige.
Zugleich bestätigt sie, dass die HSB auf der Brockenbahn mit rückläufigen Fahrgastzahlen zu kämpfen habe. Gründe gebe es viele. Heute werde der Betrieb beispielsweise witterungsbedingt und mit Blick auf den Schutz der Fahrgäste bei Extremwetterlagen vorsorglich deutlich zeitiger eingestellt als in früheren Jahren. Das schlage sich natürlich in den Beförderungszahlen nieder. Zudem habe der Brocken über die vergangenen Jahre ein Stück an Glanz und Anziehungskraft verloren. Schönere Sitzmöglichkeiten, mehr Angebote für Familien und zudem witterungsgeschützte Wartebereiche für Brockenbahn-Fahrgäste seien denkbare Ansatzpunkte. All das müsse natürlich mit dem Nationalpark Harz vereinbar sein.
Multifunktionssaal wäre HSB zufolge tolle Heimstätte für Faust-Rockoper
Balcerowski will, wie mehrfach berichtet, die Gebäude auf der Gipfelkuppe - abgesehen vom landeseigenen Brockenhaus - kaufen. Mithilfe einer mindestens 60-prozentigen Förderung soll zwischen Hotel und Technikgebäude für rund drei Millionen Euro eine moderne und barrierefreie Eingangshalle entstehen. Im Technikgebäude, das um 90 Grad versetzt an das Hotel mit Goethe- und Touristensaal angrenzt, ist ein Multifunktionssaal für bis zu 500 Personen vorgesehen. Der Kreisausschuss, das letzte Gremium vor der finalen Abstimmung am 11. Dezember in Kreistag, hat den Plänen bereits einstimmig zugestimmt.
Auf letzteren richtet auch HSB-Chefin Müller ihren Blick. In jenem Saal könnte die Rockoper „Faust auf dem Brocken“ perspektivisch eine feste Heimstätte finden. Bislang müsse für die Aufführungen stets der Goethesaal, der eigentlich für die Brockenhotel-Gäste reserviert ist, aufwendig hergerichtet und umgebaut werden.
Kollidieren Veranstaltungen mit Verordnung zum Nationalpark Harz?
Wobei André Boks, SPD-Fraktionschef im Wernigeröder Stadtrat, in der jüngsten Ratssitzung mit einem Einwurf überraschte: Es gebe eine Landesverordnung, mit der die gastromischen Öffnungszeiten auf dem Brocken ebenso geregelt seien wie Ausnahmen. Demnach dürften die je nach Jahreszeit bis 18 (Winter) oder 19.30 Uhr (Sommer) begrenzten Öffnungszeiten pro Jahr an maximal 18 Tagen verlängert werden. Spricht das wiederum gegen die Faust-Aufführungen?
Nein, stellt HSB-Chefin Müller ausdrücklich klar. „Aus unserer Sicht greift die Verordnung nicht.“ Bei Faust gehe es nicht um öffentliche Gastronomie, sondern um eine geschlossene Veranstaltung. „Die Besucher fahren mit unseren Zügen rauf, werden zur Veranstaltung geleitet und nehmen gegen Mitternacht denselben Weg zurück. Das läuft alles in geordneten Bahnen.“ In der Vergangenheit habe es zuweilen bis zu 30 Faust-Aufführungen jährlich gegeben - ohne dass sich jemand irgendwie daran gestoßen habe.
Nationalpark Harz über Pläne nicht informiert? Landrat: Er wurde bei Bauvoranfrage angehört
Auch Landrat Balcerowski weist Boks Einwurf zurück: „Er erzählt uns nichts Neues - wir kennen und berücksichtigen die Regeln natürlich und brauchen seine Belehrungen nicht.“ Die benannten Regelungen zu den Öffnungszeiten bezögen sich auf die öffentliche Gastronomie dort oben und tangierten geschlossene Veranstaltungen oder Tagungen nicht.
Gegenüber der Nationalparkverwaltung habe es bislang keine konkreten Infos oder gar eine Einbeziehung zum Vorhaben gegeben, so Sprecher Martin Baumgartner auf Anfrage gegenüber der Redaktion. „Vorteile aus Sicht des Nationalparks sind auf Basis der Informationen, die wir bisher auch nur über die Medien erhalten haben, nicht zu erkennen.“
Landrat: Nationalpark wurde zu Plänen informiert und angehört und äußerte sich nicht
Den Vorwurf, den Nationalpark nicht informiert zu haben, weist Balcerowski entschieden zurück: Er habe Roland Pietsch, Chef des Großschutzgebietes, über die Überlegungen und Ziele natürlich ins Bild gesetzt. Zudem sei der Nationalpark im Zuge der Bauvoranfrage für die neue Empfangshalle am Hotel angehört worden. Nach vorliegenden Informationen der Redaktion wurden sowohl die Nationalparkverwaltung als auch die HSB im Februar 2023 über das Vorhaben und die Ausbaupläne auf dem Brocken informiert. Im Rahmen der Anhörung äußerte sich die HSB im März 2023 grundsätzlich zustimmend. Vom Nationalpark habe es keine Reaktion gegeben, so der Landrat.
Gibt der Kreistag am Mittwoch, 11. Dezember, grünes Licht für den Kauf der Brockenkuppe und deren touristische Aufwertung, wolle er alle Partner an einen Tisch holen, kündigte Balcerowski an - den Brockenwirt und die HSB ebenso wie Vertreter von Brockenhaus sowie Nationalpark und Touristiker.
Von der Brockenbahn hängen vor allem Arbeitsplätze in Wernigerode ab
Zugleich erinnert der CDU-Politiker an das Grundproblem: Die HSB - das bestätigt auch deren Chefin Katrin Müller - generiere das Gros ihrer Einnahmen mit der Brockenbahn und finanziere so das restliche Streckennetz. „Geht die Brockenbahn in die Knie, ist die HSB insgesamt in Gefahr und das tangiert vor allem Arbeitsplätze in Wernigerode“, so der Landrat.
Kommentar: Stadt sollte sich ins Projekt einklinken
Dennis Lotzmann zur aufgeladenen Debatte.
In der mittlerweile emotional aufgeladenen Debatte um den Kauf des Brockengipfels sollte wieder Sachlichkeit dominieren. Unstrittig ist, dass der höchste Gipfel in Norddeutschland an Strahlkraft verloren hat. Belegt ist auch, dass die Fahrgastzahlen der Brockenbahn rückläufig sind. Wer die Materie kennt, weiß, dass die Harzer Schmalspurbahnen (HSB) akut in Gefahr geraten, wenn mit der Brockenbahn zu wenig Gewinn eingefahren wird, weil damit intern andere Streckenabschnitte suventioniert werden. Und unwidersprochen ist, dass der Wernigeröder Oberbürgermeisterabgewinkt hat, als die Frage im Raum stand, ob Wernigerode sich jener Herausforderung der Optimierung annehmen wolle. Umso befremdlicher nunmehr das permanente Sperrfeuer aus Wernigerode, das wirkt, als suche man das Haar in der Suppe und wolle das Projekt Brockenoptimierung totreden.
Dabei müsste man gerade in Wernigerode froh darüber sein. Zumal man nicht mal ins eigene Portemonnaie greifen muss. Zugleich aber übermäßig partizipiert, wenn die HSB wirtschaftlich gut aufgestellt ist, weil deren Sitz und das Gros der Arbeitsplätze in Wernigerode sind.
Deshalb: Ja zum Kauf der Brockenkuppe, weil sich der Harzkreis und damit die öffentliche Hand auf Dauer die vollen Zugriffsrechte auf dem Gipfel sichert. An den vorliegenden Ideen zur touristischen Optimierung sollten alle Partner in Ruhe, aber konsequent, schmieden. Die Stadt Wernigerode hat die Wahl, das alles passiv von der Seitenline aus zu beobachten oder sich aktiv ins Projekt vor ihrer Haustür einzuklinken. Letzteres stünde ihr gut zu Gesicht.