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Kommunalpolitik Zoff um Klimaschutzprojekt

Die Klimapartnerschaft mit Hoi An führte fast zum Eklat im Hauptausschuss. Die Stadträte in Wernigerode fühlen sich nicht gut informiert.

Von Katrin Schröder 23.09.2016, 01:01

Wernigerode l Nachhaltigkeit, Fair Trade, Klimaschutz: Wernigerodes Verwaltung stößt derzeit bei dem Versuch, die Stadt in diesen Bereichen zu positionieren, auf massiven Widerspruch aus dem Stadtrat. Am Mittwoch mussten sich Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) und seine Mitarbeiter in der Sitzung des Hauptausschusses mit heftiger Kritik zum Klimaschutzprojekt mit der Partnerstadt Hoi An auseinandersetzen. Zwar sahen die Ausschussmitglieder nach mehr als einstündiger Debatte von einer Abstimmung über das Projekt ab, ließen aber im Protokoll ausdrücklich festhalten, dass sie das Vorgehen der Verwaltung „missbilligen“.

Die Stadtverwaltung will eine „kommunale Klimapartnerschaft“ mit dem vietnamesischen Hoi An eingehen. Im Rahmen eines Projektes, das das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fördert, werden 90 Prozent der Kosten bezahlt. Zum Auftakt auf den Philippinen war im Sommer eine Delegation aus Wernigerode gereist. Das nächste Treffen ist vom 18. bis 22. Oktober in Hoi An geplant, so Katrin Anders, Leiterin des Oberbürgermeisterbüros.

Dass die dazu nötigen Langstreckenflüge das Klima zusätzlich belasten, bemängelte Thomas Schatz (Linke). Zwar sei das Projekt eine Möglichkeit, die Partnerschaft mit Hoi An voranzutreiben. „Doch vieles von dem, was wir in Sachen Klimaschutz vorne anschieben, reißen wir mit dem Hintern wieder ein“, sagte er. „Der beste Schutz ist klimabewusstes Verhalten in Wernigerode.“

In dieselbe Richtung ging Sabine Wetzel (Bündnis 90/Grüne). „Scheinheilig“ sei das Vorhaben, betonte sie. Denn in Wernigerode bemühe sich die Verwaltung zu wenig um den Klimaschutz oder untergrabe ihn zum Beispiel mit dem Schierker Winterberg-Projekt. „Wir hängen uns ein Mäntelchen des Klimaschutzes um, das wir in der eigenen Kommune nicht ausfüllen“, sagte sie mit Blick auf Schierkes. „Warum gehen wir nicht eine Klimapartnerschaft mit städtischen Schulen ein? Wir sollten vor der eigenen Haustür kehren.“

Dass im Rathaus Zeit und Energie für derartige Projekte aufgewendet wird, ärgert André Weber (CDU). „Der Küstenschutz und der Klimawandel sind nicht Aufgabe der Stadtverwaltung Wernigerode“, sagte er. Ihn trieb die Frage um, die seine Fraktionskollegin Jutta Meyer in der Ausschusssitzung gestellt hat: „Wann sind wir darüber informiert worden, dass dieses Projekt stattfindet?“

Der Stadtrat hätte früher eingebunden werden sollen, so Weber – und das nicht zum ersten Mal. „Es ist ein strukturelles Problem, wie mit den Stadträten kommuniziert wird. Man wird vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Dieselbe Diagnose stellte Martina Tschäpe (parteilos). „Ihr arbeitet vor, und der Stadtrat hat mitunter das Gefühl, nicht richtig mitgenommen zu werden. Um Geld geht es jedenfalls nicht“, sagte sie mit Blick auf die Kosten von rund 7500 Euro über drei Jahre. Ihr Fazit: „Es ist ein atmosphärisches Problem.“

Für die Verwaltung sprang Tobias Kascha (SPD) in die Bresche, Die „verquere“ Diskussion sei nicht hilfreich, der Stadtrat müsse nicht über jedes Projekt abstimmen. „Das ist eine Misstrauensäußerung gegenüber der Stadtverwaltung, die ich nicht teile.“

Das Rathaus habe die Sache unterschätzt, räumte Stadtchef Gaffert ein. Er und seine Mitarbeiter hätten das Projekt als Teil des laufenden Verwaltungsgeschäfts gesehen. Die Kritik, dass dafür Geld fließe, während zugleich Gebühren- und Steuererhöhungen im Gespräch seien, halte er für „nicht seriös“. Mit der Klimapartnerschaft blicke man über den lokalen Tellerand hinaus: „Das steht uns gut zu Gesicht.“ Klar sei jedoch: „Wir können ein solches Projekte nicht angehen, wenn es nicht von der Politik getragen wird.“

Für das Verhältnis zu Hoi An hätte ein Rückzug fatale Folgen, warnte Sozialdezernent Andreas Heinrich: „Die Partnerschaft wird nachhaltig beschädigt.“ Dies brachte Sabine Wetzel und André Weber auf, von „Erpressung“ sprachen beide. Sabine Wetzel: „Die Partnerschaft funktioniert auch ohne dieses Projekt.“ Seite 19