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Barrierefreiheit Stadtbummel mit Hindernissen

Wie barrierefrei ist Wolmirstedt? Zwei Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung haben das für die Volksstimme getestet.

Von Martin Walter 01.12.2018, 00:01

Wolmirstedt l Die ersten Meter vom Haus 14 des Bodelschwingh-Hauses in Richtung Innenstadt gestalten sich für Sigrid Schönwald mit dem Rollator sowie Ralf Jahrmarkt im Rollstuhl, der von dem stellvertretenden Hausleiter Jens Freimark geschoben wird, noch relativ reibungslos. Davon abgesehen, dass ein paar Meter Umweg in Kauf genommen werden müssen, um über abgesenkte Bordsteine auf den Gehweg zu gelangen.

„Die Angerstraße wurde erst im vergangenen Jahr neu ausgebaut. Vorher gab es hier nur einen unbefestigten Gehweg. Jetzt kommt man hier mit Rollstuhl und Rollator gut voran“, sagt Jens Freimark. Er bedauert jedoch, dass es in Höhe der Kreuzung Angerstraße/Neue Straße keinen Zebrastreifen gibt. Das würde die Straßenüberquerung für die Heimbewohner sicherer machen, zumal einige von ihnen auch ohne Betreuer in die Innenstadt gehen.

In der gesamten Anger- und anschließenden Gartenstraße ist die Höchstgeschwindigkeit 30 km/h. Laut Bundesministerium für Verkehr sind Fußgängerüberwege in 30er-Zonen „in der Regel entbehrlich“, könnten aber mit entsprechender Begründung eingerichtet werden.

Dann stoßen Sigrid Schönwald, Ralf Jahrmarkt und Jens Freimark auf das erste größere Hindernis – den Bahnübergang. Selbst mit dem Auto rumpelt es hier beim Überfahren gewaltig. Als Jens Freimark Ralf Jahrmarkt darüber schiebt, bleibt eines der Vorderräder in der Gleisrinne stecken und lässt sich nur mit großer Mühe wieder herausbugsieren.

Anschließend führt der Weg zum Bahnhof, wo eines der größten Probleme für Menschen im Rollstuhl, mit Rollator oder auch Kinderwagen ersichtlich wird, denn die Unterführung ist nicht barrierefrei. Die Konsequenz: Wenn die Bewohner des Bodelschwingh-Hauses Magdeburg besuchen und mit dem Zug zurückkommen, müssen sie jedes Mal bis nach Zielitz fahren und dort wieder umdrehen, um den Wolmirstedter Bahnhof verlassen zu können. „Das ist ein erheblicher Zeitaufwand“, sagt Jens Freimark kopfschüttelnd. Ab 2020 soll der Bahnhof barrierefrei sein. Dann soll eine neue Unterführung mitsamt Fahrstühlen gebaut werden.

Die Wege in der Innenstadt selbst sind größtenteils barrierefrei. Einige Geschäfte in der August-Bebel-Straße sind jedoch nur über Treppen zu erreichen und somit für Rollstuhlfahrer und Menschen mit Rollatoren nicht zu betreten. Auch der Weg zu einigen Ärzten in Wolmirstedt bleibt gehbehinderten Menschen verwehrt. Es gebe Ärzte, die bieten Hilfe an und kommen auch mal nach unten, aber die Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten sind dabei natürlich stark eingeschränkt.„Deshalb müssen wir für unsere Bewohner Ärzte suchen, die barrierefrei zu erreichen sind“, sagt Jens Freimark. „Zum Friseur und zum Fotografen zu kommen, ist auch nicht einfach“, wirft Ralf Jahrmarkt ein.

Auch der Besuch der Schlossdomäne gestaltet sich als schwierig und holprig. „Die Pflastersteine sind schick, aber für unsere Bewohner alles andere als vorteilhaft“, sagt Jens Freimarkt und fügt hinzu: „Auf dem oberen Burghof haben wir schon mehrmals die Jahresfeier des Bodelschwingh-Hauses veranstaltet. Dazu wurden Matten ausgelegt, damit die Rollstuhlfahrer keine Probleme haben.“

Eine weitere Schwierigkeit für Rollstuhlfahrer und Menschen mit Rollatoren sind beengte Gehwege, beispielsweise in der Burgstraße. Der weitere Weg zurück zum Haus 14 entlang der Ohre ist, bis auf eine kurze Schotterpiste hinauf zur Ohrestraße, geteert und ermöglicht ein reibungsloses Vorankommen.

Am Ende der Begehung fällt Jens Freimarks Resümee zwiespältig aus. Die Stadt habe in den letzten Jahren viel für die Barrierefreiheit unternommen, es gebe aber auch noch einiges zu tun. Die letzten Tiefbaumaßnahmen in Form von normgerechten Bordabsenkungen sind in der Garten-, Anger- und Triftstraße sowie der Hauptstraße in Farsleben unternommen worden, heißt es seitens der Stadt. Zukünftig sei dies in der Heinrich-Heine-Straße, der Deutschen Einheit sowie Am Amtstor geplant.

Und auch die Wolmirstedter Wohnungsbaugesellschaft (WWG), in deren Wohnungen einige Menschen mit Behinderung leben, baut einige Wohnungen barrierefrei um. „Die WWG hat angefangen, die Blöcke zu sanieren. So hat der Zehngeschosser am Zentralen Platz jetzt einen Fahrstuhl und die Wohnungen darin werden barrierefrei saniert. Das ist sicher ein langer Prozess, aber er hat begonnen“, blickt Jens Freimark hoffnungsvoll in die Zukunft.