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Museumstour Bürger gestatten Blick in die Höfe

Die Nachtwanderung des Museums führte zu geschichtsträchtigen Gemäuern der Schlosskapelle und entlang des Fischerufers.

Von Gudrun Billowie 08.08.2016, 01:01

Wolmirstedt l Das Interesse der Bürger an den abendlichen Wanderungen des Museums ist ungebrochen. Auch bei der Wanderung am Freitagabend musste vielen Interessenten abgesagt werden. Chris und Katja Böthig hatten Glück und zwei Plätze ergattert. Die kleine Familie ist gerade nach Wolmirstedt gezogen und Chris Böthig gesteht: „Wir sind sehr neugierig auf diese Stadt“ Gern schlossen sie sich der knapp dreistündigen Tour an. Töchterchen Nora (acht Wochen) war im Tragetuch mit dabei.

Hiltraud Walter lebt schon seit Jahrzehnten in Wolmirstedt. „Aber ich entdecke immer wieder etwas Neues“, nennt sie den Grund, warum sie sich mit den Museumsmitarbeitern auf den Weg gemacht hat. Diesmal staunte sie über den Giebel und die Malereien der Schlosskapelle, die sich nur bei genauerem Hinsehen erschließen. Für den richtigen Blick sensibilisiert Kirchenführer Jörg Bonewitz. Der kam zur Museumswanderung in der Gestalt des Amtmannes Stefan Wlöme daher, der eine sehr unrühmliche Rolle in der Wolmirstedter Geschichte gespielt hatte. Wlöme ließ im 17. Jahrhundert unzählige Frauen als Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrennen.

Museumsleiterin Annette Pilz verkörperte als Katharina von Küstrin eine freundlichere Figur der Stadtgeschichte. Die Adlige war Gattin des Wolmirstedter Administrators Kurfürst-Joachim-Friedrich und betrieb ihrerzeit sogar einen Milchhof für Arme.

„Mir gefällt die lockere, fast familiäre Art dieser Führung, die gefühlsbetonte Kommunikation“, sagt Tobias Kühnel. Die Museumsführung war ein Geschenk seiner Familie zum 32. Geburtstag. Das freute den ehemaligen Wolmirstedter und Kunsthistoriker besonders. Er weiß um Museen, arbeitet in Zeulenroda die Geschichte der Möbelindustrie auf. Deshalb interessierte ihn vor allem der Blick in private Hinterhöfe. Gisela Krohn hatte ihren Hof in der Burgstraße 1 geöffnet, Jeanett Kugler zeigte ihr Domizil im Jungfernstieg.

In der Burgstraße 1 lebte bis vor 15 Jahren der Holzpantoffelmacher Adolf Weß. Gisela Krohn hat das Haus später gekauft und liebevoll hergerichtet. Immer wieder öffnet sie ihre im Untergeschoss befindliche Textilwerkstatt und den Hof für Besucher.

Jeanett Kugler ließ erst zum zweiten Mal Museumswanderer einen Blick in ihren Hof werfen. Das Gemäuer gehört zum Familienbesitz ihrer Vorfahren, der Lederfabrikanten Möbis. Neben diesen gab es in Wolmirstedt einst vier weitere Lederfabriken. Der Gerberbrunnen auf der Schlossdomäne erinnert an diese Blütezeit.

Die Gäste der Museumswanderung interessierten sich jedoch vor allem für die Gestaltung des Hofes, sichtlich geprägt von Jeanett Kugler. Die Kunstlehrerin hat mit viel Liebe zum Detail aus Blumen, Möbeln, Treppen, Mauern und gesammelten Gegenständen ein zauberhaftes Freiluftrefugium samt Dachterrasse erschaffen. Selbst eine Töpferwerkstatt findet auf dem Areal ihren Platz.

Tobias Kühnel genießt mit seiner Freundin Uta Koschmieder ein Glas des angebotenen Weins. „Besonders durch diese Hinterhofschmankerl bekommt die Stadt ein Gesicht. Hier hat sich die Natur die Mauern schon ein Stück zurückerobert und als Mensch schwebt man dazwischen.“