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Coronavirus Kein leichter Weg aus dem Frauenhaus

Im Zuge der Corona-Krise wird befürchtet, dass die häusliche Gewalt zunimmt. Im Frauenhaus des Landkreises Börde gibt es andere Probleme.

Von Gudrun Billowie 03.04.2020, 01:01

Wolmirstedt l Die Corona-Krise zwingt viele Menschen in die eigenen vier Wände. Diese Nähe kann zu schaffen machen. Müssen unter einem Dach gleichzeitig Kinderbetreuung und Homeoffice gewuppt werden, können Nerven blank liegen. Auch Existenzangst aufgrund verstärkter Kurzarbeit und drohender wirtschaftlicher Abschwung kann Menschen im Innersten schütteln und verzweifeln lassen. Auch aus solchen Gründen kann die Stimmung eskalieren, bis hin zur Gewalt in der Familie.

Aufgrund solch möglicher Szenarien sind die Frauenhäuser in Alarmbereitschaft und stellen sich zusätzlich den erforderlichen Konsequenzen der Corona-Pandemie. Im Frauenhaus des Landkreises Börde ist inzwischen eine Etage für die Quarantäne reserviert. Sollten Frauen und Kinder kommen, die erst einmal aufgrund der Corona-Pandemie von anderen abgeschottet werden müssen, stehen ihnen drei Zimmer zur Verfügung, dazu ein Spielzimmer, Duschen, Toiletten sowie ein separater Aufgang.

Noch wurde dieser Bereich nicht benötigt, auch einen besonderen Ansturm gibt es nicht. Auch Polizeisprecher Matthias Lütkemüller erklärt, dass derzeit im Bördekreis kein Anstieg häuslicher Gewalt erkennbar sei.

Dennoch: Derzeit werden fünf Frauen und sieben Kinder im Frauenhaus geschützt. Sie werden zurzeit sogar besonders intensiv betreut, weil eine zusätzliche Sozialarbeiterin an Bord ist.

Schulsozialarbeiterin Kathrin Achtelik ist sonst in der Leibniz-Schule tätig und bei der Caritas angestellt, unter deren Dach agiert auch das Frauenhaus. Da gerade keine Schüler in der Leibniz-Schule sind, widmet sie sich den Kindern im Frauenhaus. Sie hilft dabei, die Schulaufgaben zu erledigen und lernt mit ihnen.

Um die Kindergartenkinder kümmert sich Sozialpädagogin Astrid Nickoll. „All unsere Kinder erleben gerade eine tolle Förderung“, freut sich Frauenhaus-Teamleiterin Wladilena Engelbrecht.

So bleibt ihr und den Mitarbeiterinnen mehr Luft, um den Frauen beizustehen. Die stehen während der Corona-Krise vor ganz anderen Herausforderungen als sonst. Plötzlich ist es nämlich schwer, den Weg in ein eigenes Leben zu gehen. Das liegt am gedrosselten Leben, an den erforderlichen Corona-Schutzmaßnahmen.

Eine Frau wollte mit ihrer Tochter zum 1. April eine eigene Wohnung beziehen, ein neues Leben beginnen, unabhängig werden, die Gewalt hinter sich lassen. Der Mietvertrag war unterschrieben, doch dann wurde es schwierig. Zum einen gab es kein Taxi, dass die beiden transportieren wollte, zumal eine der Frauen im Rollstuhl sitzt. Also haben die Frauenhausmitarbeiterinnen einen Umzugsservice aufgetrieben und zusätzlich mit ihrem Dienstauto ausgeholfen. Anschließend wurde die Ausstattung der Wohnung zum Problem.

Frauen, die nach einem Aufenthalt im Frauenhaus in ein neues Leben starten wollen, aus der alten Wohnung nichts mitnehmen können und als bedürftig eingestuft sind, werden vom Jobcenter bei der Erstausstattung unterstützt. Diese Unterstützung hilft dabei, Möbel, Besteck oder Handtücher anzuschaffen. Doch derzeit haben alle Möbelhäuser zu. „Manches bekommt man im Supermarkt“, sagt Wladilena Engelbrecht, „aber längst nicht alles.“

Die Mutter und ihre Tochter haben sich nicht beirren lassen und entschlossen ihr Leben jenseits häuslicher Gewalt begonnen. Die nächste Frau will am 1. Mai das Frauenhaus verlassen. „Mal sehen, ob wir das hinkriegen“, sagt Wladilena Engelbrecht, weiß aber, dass sie und ihr Team immer einen Weg finden, den Frauen den Anfang eines neuen Lebens zu erleichtern.

Das Osterfest wird trotz Corona im Frauenhaus gefeiert. Die Mütter haben bereits Osterkörbchen gebastelt, davon sollen die Kinder noch nichts erfahren. Wladilena Engelbrecht und die anderen freuen sich auf das Fest: „Die Kinder werden auf dem Gelände Ostereier suchen.“