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Günter Geier gab in Wolmirstedt seine erste und zugleich letzte Sprechstunde - 74 Patienten Ein Puppendoktor aus großer Leidenschaft

Von Karl-Heinz Klappoth 22.10.2012, 03:22

Die Knopfaugen beim Kuschelbären zwinkern nicht mehr, der Kopf der Lieblingspuppe wackelt bedrohlich, der Arm ist ausgekugelt. Alles kein Problem für "Dr. med. pupp." Günter Geier. Er konnte jedem der 74 Patienten, die in den vergangenen Tagen im SB Center in Wolmirstedt in seiner Praxis vorsprachen, helfen.

Wolmirstedt l Wenn die Wimpern nicht mehr klimpern, dann hilft Speiseöl. Wenn der Kopf wackelt, müssen neue Gummibänder her. Günter Geier arbeitet seit mehr als 52 Jahren als Puppendoktor. Bis Sonnabend praktizierte er für drei Tage in Wolmirstedt. Im SB-Center hatte der 72-Jährige seine Praxis eingerichtet. Und der Andrang war riesig. "Denn Hoffnung gibt es für nahezu alle meine Patienten. Bei mir gibt es keinen Puppenfriedhof. Ich versuche, alles wieder hinzukriegen", versprach der Bayer und hielt Wort. Die ganz schweren Fälle nahm er mit in seine Spezialklinik nach Hause, die leichteren Fälle wurden umgehend ambulant behandelt. Mehr als 74 Puppen warteten bis Sonnabend , 16 Uhr, mit ihren Besitzern darauf, vom "Doktor" behandelt und geheilt zu werden. Sofort erkannte Günter Geier das Fabrikat und das Alter - und konnte helfen. So auch im Fall von Mareen Steigemann, die mit Tochter Frieda, 3 Jahre, beim Puppendoktor vorsprach. Die Patientin lebt bereits in vierter Generation bei den Steigemanns, ging durch unzählige Kinderhände. Das sah man der Puppe auch an. Ein Arm fehlte, die Haare waren kurz geschoren. Doch Dr. pupp. Geier konnte sie heilen und zu neuem Ansehen verhelfen. Wie auch in den 73 übrigen Fälle, die Günter Geier in der Ohrestadt behandelte. Aus Halle über Angern war Sara Trojahn, 21, angereist. Die Geologiestudentin machte sich ernste Sorgen um ihren Plüschbären und das Stoff-Nilpferd. Beide begleiten die Studentin seit fast 20 Jahren. "Und ich will mich einfach nicht von ihnen trennen." Musste sie auch nicht, denn nach dem Eingriff des Puppendoktors waren beide fast wieder wie neu. Wie aber Günter Geier verriet, sind es nicht nur junge Leute, sondern zu 95 Prozent Ältere, die zu ihm kommen: "Viele hängen an ihren Puppen, weil unzählige Kindheitserinnerungen damit verbunden sind." So im Fall von Bärbel Bauer, 56, die ihrer "Lieblingspuppe" eine neue Haarpracht zukommen ließ. Die Wolmirstedterin war dankbar, dass ihr geholfen werden konnte.

Für den bundesweit einzigen Puppendoktor war es in Wolmirstedt sein erster und zugleich letzter Sprechtag. Der 72-jährige gelernte Schneider geht im kommenden Jahr endgültig in den Ruhestand, ist also gewissermaßen auf Abschiedstour. Womit er sich noch nicht wirklich abfinden will, denn es gibt weit und breit keinen Nachfolger. Für den Bayern unverständlich, "denn die Puppen, die dringend Hilfe benötigen, werden nicht weniger".