1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wolmirstedt
  6. >
  7. Holzpantoffeln aus Barleben

Geschichte Holzpantoffeln aus Barleben

Die letzten Spuren der Pantoffelfabrik aus Barleben sind nun Geschichte.

Von Sebastian Pötzsch 03.02.2021, 00:01

Barlebe. Ein Bauzaun in der Abendstraße 4 hinter der alten Grundschule in Barleben zeugt noch davon: Vor wenigen Wochen war ein leerstehendes Wohnhaus abgerissen worden. Mittelfristig will die Gemeinde hier eine Kinderkrippe errichten. Damit sind nunmehr die letzten Spuren der ehemaligen Pantoffelfabrik beseitigt. An dieses Stück Industriegeschichte wollen nun die Mitglieder des Barleber Heimatvereins erinnern. So verweist Vorsitzende Annemarie Keindorff auf die Recherchen des einstigen Ortschronisten Martin Schnelle. In seinen zwei Bänden der „Barleber Geschichten“ hatte er seine gesammelten Forschungsergebnisse in den Jahren 1996 sowie 1999 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

In einem Kapitel behandelte der mittlerweile verstorbene Chronist die Geschichte der „Pantoffelfabrik Schneidewind“ in der Abendstraße 4. Diese Manufaktur habe einst „massenweise ihre Produkte verkauft“. Heute ist davon so gut wie nichts mehr zu sehen. Weder der Trockenschuppen noch die Maschinenhalle mit Bandsäge, Schweifsäge und den „Maschinen zur Formgebung der Hölzer“ gibt es noch. Auch das Wohnhaus existiert mit dem Abriss vor wenigen Wochen nicht mehr. Laut Martin Schnelle, selbst in den Jahren 1941 bis 1943 hier angestellt, soll es auch einen Hundezwinger für Wachhund „Blitz“ gegeben haben.

Nur rund 25 Jahre hat die Holzpantoffelfabrik der Schneidewinds existiert. Ganz bescheiden habe die Geschichte der Manufaktur um 1930 begonnen, als „ein intelligenter und pfiffiger Bahnwärter“ auf die Idee gekommen sei, eine große Marktlücke zu schließen. So habe ein Handwerksbetrieb in Wolmirstedt die große Nachfrage nach Holzpantoffeln nicht stillen können. Daraufhin organisierte Heinrich Schneidewind einen Familienbetrieb auf „Grundlage manueller Tätigkeit“. Um 1933 wurde eine Werkstatt mit maschineller Produktion in der Meitzendorfer Straße aus der Taufe gehoben.

Um 1936 habe dann ein gewisser Hermann Schneidewind die Fabrik auf das gerade erworbene Grundstück in der Abendstraße 4 verlagert. „Hier bestanden sehr günstige Bedingungen für den Aufbau massiver Produktionsstätten und auch bessere Möglichkeiten für die Lagerung von Langhölzern und die Trocknung der Holzkeile“, ist dem Band von Martin Schnelle zu entnehmen. Holzpantoffeln der Marke „Schneidewind“ seinen fortan zu einem gefragten Produkt für alle Bevölkerungsschichten geworden, und zwar „weit über die Grenzen unseres Dorfes und des Kreises hinaus“. „Es war schon interessant, wie aus den großen Baumstämmen – Birken, Linden und Erlen – Holzpantoffeln entstanden“, erinnerte sich Schnelle. Vom Kürzen der Baumstämme über das Schneiden der Keile, das Schweifen der getrockneten Hölzer bis zu maschinellen Fertigung im Fräsvorgang seien die Hölzer dann in der Nagelstube durch manuelle Arbeit zu fertigen Holzpantoffel hergestellt worden.

Im Jahr 1948, Martin Schnelle war aus dem Krieg zurückgekehrt, sei ihm von Emma Schneidewind nahegelegt worden, einen anderen Beruf zu erlernen, denn „im Betrieb gäbe es keine Perspektive“, ist dem Buch zu entnehmen. Tatsächlich wurde im Jahr 1952 die Produktion von Holzpantoffeln eingestellt.

Nachdem über die Jahrzehnte immer mehr Gebäude verfielen und letztendlich abgerissen wurden, fiel erst vor wenigen Wochen eines der letzten Häuser einem Bagger zum Opfer. So hatte die Gemeinde in der Abendstraße 4 jüngst das leerstehende Wohnhaus abreißen lassen. Es war nicht mehr standsicher. Mittelfristig ist geplant, an dieser Stelle ein neues Gebäude für die Kinderkrippe zu errichten.

So hatte der Barleber Gemeinderat vor rund fünf Jahren beschlossen, im Rahmen der Haushaltskonsolidierung und der baulichen Zustände in den Kindereinrichtungen künftig Kinderkrippe, Kindergarten und Hort hier unterzubringen. Für die Kinderkrippe ist ein Ersatzneubau geplant, der auf dem Gelände der ehemaligen Pantoffelfabrik entstehen soll. Dieser Neubau soll mit dem bestehenden Gebäude der ehemaligen Grundschule, das künftig Hort und Kindergarten beherbergen wird, verbunden werden, so dass Kinder und Erzieher ohne nennenswerte Hindernisse von einer Einrichtung in die nächste gelangen können. Erst Ende des vergangenen Jahres haben die Räte einen Plan für die Gestaltung der künftigen Außenanlagen beschlossen.