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Geschichte Wie der Ablasshändler ausgestrickst wurde

Wieder einmal hat Historiker Wilfired Lübeck aus Groß Ammensleben eine spannende Geschichte heraus gesucht.

Von Sebastian Pötzsch 19.02.2021, 00:01

Groß  Ammensleben/Flechtingen l Während seiner rastlosen Recherchen zu historischen Themen ist der Groß Ammensleben Historiker Wilfried Lübeck auf eine Begebenheit aus dem 16. Jahrhundert gestoßen. So soll Ablasshändler Tetzel einst die Region bereist haben und dabei von einem Ritter übertöpelt worden sein. „Eigentlich hieß er Johannes Dietzel und wurde um 1455 in Leipzig geboren“, beginnt Wilfried Lübeck zu erzählen. Hier habe er auch Theologie studiert und sei im Jahr 1484 in den Orden der Dominikaner eingetreten. Im Jahr 1502 ist er zum Ablassprediger berufen worden. „Unter Papst Leo X. begann der Missbrauch des Ablasshandels, um unter anderem auch den Bau der Peterskirche in Rom finanzieren zu können“, erinnert der Historiker.

„Damit begann auch sein unchristliches Leben in vielen Varianten“, berichtet Lübeck weiter. So sei Tetzel in Innsbruck wegen Ehebruchs zum Tode verurteilt und nur durch Fürsprache von Kurfürst Friedrich von Sachsen und Erzbischof Albrecht von Mainz begnadigt worden. Schon 1509 kreierte er in Görlitz den bekannten Satz: „So bald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt.“

Laut dem Groß Ammensleber Historiker soll Tetzel auch durch die Börde und die Colbitz-Letzlinger Heide gekommen sein. Das zumindest geht aus dem Buch „Mein Volk – Ein deutsches Lese- und Lebensbuch“ von 1923 hervor. Darin wird in einer Sage über den nicht gerade erfolgreichen Aufenthalt Tetzels in der Region berichtet.

Demnach war der Ablasshändler auf seiner Reise auch nach Flechtingen gekommen. „Gewaltig klangen seine Heil verkündenden Worte, so dass viele hinzutraten und einen Ablasszettel lösten. Das Geschäft ging gut, und manches Geldstück war schon in die Truhe gewandert“, heißt es über den Ablasshandel in dem Buch. Dann trat der Edelmann des Dorfes, Baward von Schenk, in den Kreis der Umstehenden und verlangte ebenfalls einen Ablassbrief, allerdings für eine schwere Sünde, die er aber bis dahin noch nicht begangen habe. Zwar habe Tetzel den Ritter schon etwas misstrauisch angeschaut. Als dieser jedoch einen wohlgefüllten Lederbeutel auf den Tisch warf, habe Tetzel nicht lange gezögert, dem Edelmann den sündentilgenden Zettel zu geben.

„Frohen Mutes und reich mit Geld beladen zog Tetzel am Abend weiter. Als er mitten im Walde war, knackte es plötzlich in den Zweigen, aber ehe sich Tetzel besann, sah er sich von bewaffneten Rittern umringt“, ist weiter zu lesen. Sie hätten von ihm den Kasten mit dem Ablassgeld gefordert. Nachdem sich der Mönch von seinem Schrecken erholt hatte, habe er ihnen begreiflich zu machen versucht, welch schwere Sünde die Ritter gegen die Kirche begingen. Als das nicht half, habe Tetzel mit dem Fluch der Kirche gedroht.

„Da trat Baward vor und zeigte ihm den Ablassbrief. Wohl oder übel musste Tetzel nun seinen Kasten mit allem Gelde dem Ritter überlassen und zog fluchend von dannen.“ Von dem auf diese Weise erbeuteten Geld habe der Edelmann die Kirche in Flechtingen bauen lassen, da das Dorf noch keine besaß. Bis heute beherbergt der Sakralbau einen Tetzelkasten, der der Sage eine authentische Note verleiht.

Noch heute wird beispielsweise zum jährlichen Missionsfest unter den mehr als 500 Jahre alten Eichen bei der Waldschäferei bei Emden die Tetzelsage aufgeführt. Dazu reisen die Zuhörer und Akteure von Emden nach Flechtingen und in das Jahr 1510 zurück.

„Martin Luther kritisierte Tetzel im Jahr 1517 in seinen 95 Thesen in Wittenberg“, erläutert Wilfried Lübeck weiter. Im Jahr 1518 sei Tetzel an der Universität Frankfurt/Oder zum Doktor der Theologie ernannt worden. Ein Jahr später starb er in Leipzig an der Pest. Lübeck: „Ob der Scharlatan auf seiner Reise nach Flechtingen im Kloster Ammensleben, Hillersleben oder Althaldensleben beherbergt wurde, ist hingegen nicht bekannt.“