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Im Wolmirstedter Stadtarchiv lagern über 8000 Akten - ein Blick hinter die Kulissen zum Tag der Archive Im Rathaus sind 300 Jahre Stadtgeschichte auf Papier verewigt

Von Christin Käther 03.03.2012, 05:26

Wolmirstedt l An die jahrhundertealten Akten wagt sich Karin Bomm nur selten. Die Dokumente mit altdeutscher Handschrift sind schon stark vergilbt und sehr empfindlich. Sie fangen an zu bröseln, wenn man sie in die Hand nimmt, erklärt die Archivarin. Aber es kommen nur wenige Besucher, die in den uralten Aufzeichnungen stöbern.

Seit 1991 verwaltet Karin Bomm das Stadtarchiv in Wolmirstedt. Nach der Wende kamen die historischen Bestände der Stadt vom Magdeburger Kreisarchiv und dem Wernigeröder Landeshauptarchiv zurück in die Ohrestadt. Man bewahrte sie zunächst im Keller des ehemaligen Kinderheims in der Schwimmbadstraße auf, bevor sie vier Jahre später in die Fabrikstraße umzogen. "Katastrophale Zustände", erinnert sich Karin Bomm an die Zeit in dem dunklen Haus.

Erste Aufzeichnungen gehen auf das Jahr 1441 zurück

Das änderte sich mit dem nächsten Umzug. 2008 fand das Stadtarchiv seinen festen Platz im Obergeschoss des Rathauses. Zwischen den weißen Metallregalen ist Wolmirstedts Vergangenheit sicher verstaut. Die ersten Aufzeichnungen sind aus dem Jahr 1721 und füllen 2781 Akten. Nach Ab 1945 sind es sogar über 5581 Stück. Die Zahl ist schwer zu schätzen, da der Großteil heutiger Dokumente nach spätestens zehn Jahren vernichtet wird. Nur historisch wertvolle Aufzeichnungen werden für die Nachwelt archiviert. Dokumente von Bau- und Standesamt sind ab 1874 geführt. Allein die Standesamtbücher ergeben 50 laufende Meter, weiß Karin Bomm. Alte Zeitungen gibt es hier auch. Die älteste Ausgabe ist von 1925. Nur eine Akte fällt komplett aus dem Rahmen. Sie beinhaltet einen Streitfall zwischen Gemeinde und Kirche von 1441.

Karin Bomm verwaltet 300 Jahre Stadtgeschichte seit 21 Jahren. Sie ordnet die Bestände, besorgt Kopien für Bürger und Behörden und versorgt Historiker mit Informationen. "Archivarbeit ist eine schmutzige Arbeit", erzählt die 62-Jährige. Wenn sie die uralten Akten durchgeblättert hat, ist danach meistens Händewaschen angesagt. Den Spaß am Beruf kann ihr niemand verderben. Wenn die Archivnutzer auf Informationen stoßen, die sie schon lange gesucht haben, ist das für sie ein besonderer Moment. "Viele Leute betreiben Ahnenforschung", erklärt die Archivarin. Sie rufen mitunter aus allen Teilen der Welt an, um Informationen über Angehörige zu finden, die mal in Wolmirstedt gelebt haben.

Immer wieder offenbaren sich während der Recherche neue Informationen für die Stadtchronik. Dann taucht schon mal ein bisher übersehener Bürgermeister von 1399 auf, erzählt Karin Bomm. Oder der erste Ehrenbürger der Stadt, der königliche Oberlandesgerichtsassessor von 1833. So füllen sich nach und nach die Lücken in Wolmirstedts Geschichte. Man kann viel herausfinden, wenn man die Zeit dazu hat. Wussten Sie zum Beispiel, dass im Jahr 1399 51 Familien in Wolmirstedt lebten? Oder dass nach dem Dreißigjährigen Krieg 1646 nur noch 24 Häuser in der Ohrestadt standen? Volks- und Bestandszählungen waren früher genauso üblich wie Straßenumbenennungen. So hieß die Parkstraße früher mal Golzstraße, benannt nach Bürgermeister Karl Golz, der 32 Jahre in seinem Amt waltete.

Viele Geschichten kann man im Archiv finden, wenn man einen Anhaltspunkt hat. Und ein bisschen Glück gehört dazu, weiß Karin Bomm. Denn die alten Handschriften können selbst geschulte Augen manchmal nur schwer entziffern.