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Nachwuchs Storchkinder: pitschnass und keck

In Wolmirstedts Storchennestern wachsen junge Adebare heran. Der Nachwuchs ist stark und gesund und fast alle Tiere haben Ringe bekommen.

Von Gudrun Billowie 09.07.2019, 01:01

Wolmirstedt l Privatleben für Wolmirstedts Storchenfamilien? Fehlanzeige. Peter Gottschalk schaut in die Kinderstuben der Adebare und knipst den Babys Ringe ans Bein. Jedenfalls dort, wo die Hebebühne an die Nester heranreicht und die Storchenkinder noch nicht allzu groß sind. Mit Hilfe dieser Ringe und viel Glück können Vogelkundler Flugrouten und den Lebensweg der schwarz-weißen Vögel beobachten. Am Beringungsprogramm beteiligen sich alle europäischen Länder, in denen Störche leben.

Peter Gottschalk ist der Weißstorchbeauftragte des Jerichower Landes und mit den Nabu-Experten Falk Höhne und Henry Winkelmann unterwegs. Die erste Station ihrer Reise ist das Nest auf dem Schornstein der Adler-Apotheke. Der junge Storch steht bereits tapfer im Nest, schlägt ab und an mit den Flügeln, trainiert für die Reise gen Süden. Peter Gottschalk legt fest: „Wir werden ihn nicht beringen. Das wäre viel zu gefährlich.“ Die Storcheneltern haben das Weite gesucht und der Weißstorchbeauftragte fürchtet, dass sich auch das Junge angesichts einer nahenden Hebebühne kühn in die Luft schwingen könnte. Doch fürs richtige Fliegen fehlt ihm die Kraft, die Flucht aus dem Nest könnte böse am Boden enden.

Die Altstörche seien bereits Ende Februar in Wolmirstedt angekommen, erzählen Anwohner. „Westzieher“, schließt Storchenexperte Falk Höhne daraus. Das bedeutet, sie fliegen über die Meerenge von Gibraltar und Spanien nach Afrika. „Oft bleiben sie sogar in Spanien“, weiß Falk Höhne, „ist es warm genug und ausreichend Futter vorhanden, sparen sie sich den weiteren Flug.“

Eigentlich waren über der Adler-Apotheke zwei Junge geschlüpft, wo das zweite geblieben ist, kann niemand erklären. Falk Höhne mutmaßt und erzählt von Füchsen, die sich sogar in der Stadt über abgestürzte Jungvögel hermachen. Traurige Kopfbilder ploppen auf und werden verscheucht. Die Reise der „Storchenväter“ führt weiter nach Glindenberg.

Familie Meinhardt hat auf ihrem Grundstück ein Nest geschaffen, am 30. April hat sich ein Pärchen darin eingerichtet. Die Adebare kamen zwei Monate später, als die Adler-Apotheken-Störche. „Ostzieher“, konstatiert Falk Höhne und erklärt, die Ostzieher nehmen den langen Weg über die Türkei, mitunter bis nach Südafrika. Der Ostweg ist weit, die Storchenbabys sind erst Ende Mai geschlüpft und noch winzig.

Als sich die Hebebühne dem Nest nähert, erheben sich die Eltern, kreisen über dem Nest, so als wollten sie die Eindringlinge verjagen. Einen Angriff wagen sie jedoch nicht. Eine Drohne hingegen soll von den Rotschnäbeln attackiert worden sein, erzählen Meinhardts, sie sollte das Nest vor kurzem von oben fotografieren.

Die Storchenbabys drücken sich flach auf den Nestboden, stellen sich tot. „Eine Abwehrreaktion“, sagt Peter Gottschalk, „so werden sie für Fressfeinde uninteressant.“ Der Storchenexperte fasst beherzt zu, spürt, dass die Vogelkinder ausreichend kräftig sind. Das kurze Gefieder ist noch fast weiß, die schwarze Zeichnung entwickelt sich später. Peter Gottschalk zieht unterm Gefieder ein Bein hervor, verpasst einen Ring, den Vogel-Personalausweis, verfährt ebenso beim Geschwisterstorch. Kaum entfernt sich die Hebebühne vom Nest, kehrt ein Altstorch zu den Jungen zurück.

„Während der heißen Tage standen die Altstörche mit ausgebreiteten Flügeln im Nest“, erzählen Meinhardts, „vermutlich haben sie den Jungen Schatten gespendet.“

Die dritte Station ist das Nest am Glindenberger Kreisel, in dem ebenfalls eine Storchenfamilie lebt. „Es gab schon lange keine zwei Storchenfamilien in Glindenberg“, freut sich Falk Höhne über die wachsende Population. Zwei Junge räkeln sich, sind sichtlich älter, als die Jungen im Nachbarnest der Familie Meinhardt, die schwarz-weiße Federzeichnung ist bereits deutlich erkennbar. Und: Das Gefieder ist pitschnass.

„Die Eltern würgen aus ihrem Kropf mit der Nahrung auch Wasser, das tut den Jungen gerade bei hohen Temperaturen gut“, weiß Peter Gottschalk. Die Storchenkinder lassen sich das Beringungs-Prozedere gefallen, eines reckt mutig den Kopf in die Höhe, schnappt mit dem Schnabel keck zu. Ein Altstorch beäugt den „Herrn der Ringe“ vom Nachbardach aus, kehrt zurück zu den Jungen, sobald die Hebebühne herabgeschwebt ist.

Der Altstorch trägt bereits einen Ring. Stammt er aus Glindenberg? Peter Gottschalk erkennt die Nummer, findet sie jedoch in seinen Aufzeichnungen nicht. Er wird sie an die Vogelwarte Hiddensee senden und in einigen Wochen mehr über das Leben dieses Storches erfahren.

In diesem Nest war sogar ein drittes Junges geschlüpft, doch das wurde am Himmelfahrtstag herunter geworfen. Das hat Anwohner Lothar Schmidt beobachtet. „Es war deutlich kleiner, als seine Geschwister.“ Er hat das Vogeljunge würdig bestattet.

In Farsleben sollen Storcheneltern ein Junges großziehen, auf dem Schornstein der ehemaligen Fleischerei Esche an der Ohre gibt es vermutlich auch Junge. Doch dieser Schornstein ist viel zu hoch für die Hebebühne. Diese Störche bleiben sich selbst überlassen.

Peter Gottschalk, Falk Höhne und Henry Winkelmann nehmen Kurs auf Rogätz. „Wenn wir nicht wieder so eine Dürre wie im vergangenen Jahr erleben“, sagt Falk Höhne, „haben die Storchenkinder gute Chancen, den langen Flug zu überstehen und im nächsten Jahr wiederzukommen.“