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Naturschutz Letzter Ring für junge Eulen

Vor einem alten Trafoturm in Angern bekommt eine junge Eule den letzten Ring des Jahres an den Fuß.

Von Hendrik Reppin 01.11.2020, 00:00

Angern l „2019 war ein gutes Eulenjahr, 2020 ist ein sehr gutes Eulenjahr“, freut sich Herbert Bilang über die Entwicklung der Schleiereulen in den letzten Monaten. „Soweit ich mich erinnern kann, gab es in dieser Region kein Jahr mit so vielen Schleiereulen.“ In über 20 Gemeinden und Ortsteilen seien Brutpaare oder besetzte Reviere nachgewiesen worden. In Angern, Colbitz, Cröchern, Lindhorst, Wenddorf und Zielitz hätten sich die Ornitologen über Nachwuchs gefreut. In Burgstall und Rogätz hätte es auch besetzte Nester gegeben, wieviele Eulen hier geschlüpft sind, sei jedoch nicht bekannt. Gesichert wüssten die Experten von 27 jungen Schleiereulen auf dem Gebiet der Verbandsgemeinde Elbe-Heide.

Ein alter Trafoturm in Angern war die letzte Station für die diesjährige Beringungsaktion. Björn Schäfer, der die speziellen Eulenringe vom ornitologischen Zentrum auf Hiddensee bekommt, hatte mit wenigen Handgriffen der jungen Eule in ihrem Flaum den „Personalausweis“ verpasst.

Der alte Backsteinturm steht auf dem Firmengelände von Klaus Horstmann. Ihn abzureißen kam für ihn jedoch nie in Frage. Immerhin unterstützen die nachtaktiven Vögel seinen landwirtschaftlichen Betrieb. An Futter bräuchte eine Eule drei Mäuse pro Tag, rechnet Bilang vor. Das seien über 1000 Mäuse pro Jahr und etwa 18 Kilo, die eine Eule im Jahr vertilgt. Seine Beute holt er sich aus der unmittelbaren Umgebung seines Nestes, also von den Äckern von Klaus Horstmann. Daher hat der Landwirt immer ein wachsames Auge auf seinen Trafoturm und will ihn auch in Zukunft zu einem sicheren Zuhause für die Schleiereulenfamilie machen. Die letzten milden Winter hatten dafür gesorgt, dass es sehr viele Mäuse gibt, die auf den Feldern enorme Schäden angerichtet haben. Doch das war auch ein Glück für die Eulen. Sie hatten ein großes Futterangebot. Unfähig, sich einen Vorrat anzufressen, müssen die Vögel täglich auf der Suche sein, um den Tagesbedarf zu decken. „In den Sommermonaten ist das Schwerstarbeit“, erklärt Herbert Bilang. Durch die kürzeren Nächte habe der Raubvogel nicht viel Zeit.

„Wie auch bei vielen anderen Tierarten, liegt die Sterblichkeitsrate bei den Schleiereulen recht hoch“, sagt Beringer Björn Schäfer. Etwa die Hälfte der Jungtiere würden das erste Jahr nicht überleben. Und auch wenn es schon Schleiereulen gegeben habe, die sogar 22 Jahre alt geworden sind, werde nur ein kleiner Prozentsatz der Nachtvögel älter als vier Jahre.

Ihren Namen hat die Schleiereule durch die Zeichnung ihres Gesichts erhalten. Mit ihrem herzförmigen Gesichtsschleier unterscheide sich die Eule von anderen Artgenossen, so die Experten des Naturschutzbundes Deutschland e.V.. Auch würden dieser Art die Ohrenfedern fehlen, die für andere Eulenarten so typisch sind. Doch ein besonderes Merkmal habe auch die Schleiereule: Sie besitzt doppelt so viele Halswirbel, wie der Mensch.

In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war die Schleiereule stark gefährdet. Dank von groß angelegten Schutz- und Hilfsmaßnahmen habe sich aber die Zahl der Vögel wieder erholt. Dennoch machen beispielsweise die Bekämpfung von Nagetieren in der Landwirtschaft dem lautlosen Jäger der Nacht das Leben schwer. Überall dort, wo alte Trafotürme abgerissen, Kirchenfenster verschlossen und Scheunen dicht gemacht werden, verliere die Schleiereule ein Zuhause. „Gerade deshalb ist das Engagement von Familie Horstmann so wichtig“, sagt Herbert Bilang.