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Villa 147 Wie in Barleben der „Rübenpalast“ entstand

Die Gemeinde hat Pläne für die Villa 147, dem einstigen „Rübenpalast“. Das ist geplant und das ist die Geschichte des ortsbildprägenden Prachtbaus.

Von Sebastian Pötzsch Aktualisiert: 20.02.2024, 17:50
Der einstige „Rübenpalast“ der Großbauernfamilie Koch in Barleben  wurde zur „Villa 147".
Der einstige „Rübenpalast“ der Großbauernfamilie Koch in Barleben wurde zur „Villa 147". Foto: Sebastian Pötzsch

Barleben - Historie und Moderne – in kaum einem anderen Gebäudeensemble in der Region ist beides so eng miteinander verzahnt wie im Komplex der Mittellandhalle in Barleben. Insbesondere die Villa 147, benannt nach ihrer Hausnummer im Breiteweg, war jüngst Thema in der Gemeinde.

Zuletzt war hier das heimische IT-Unternehmen Teleport zu Hause. Bis Herbst soll der altehrwürdige Prachtbau moderne Praxen aufnehmen und damit in eine neue Ära als medizinisches Zentrum starten.

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Der stete Wandel hat die alte Villa schon immer geprägt. Davon weiß Annemarie Keindorff zu berichten. Die Vorsitzende des örtlichen Heimatvereines hat Dokumente und alte Fotos zusammengetragen. Dazu zählen auch jene Informationen, die ihre Mitstreiterin Heike Hildebrandt einst für eine Dorfführung unter dem Motto „Vierseitenhöfe in Barleben“ zusammentrug.

Prachtbau von Großbauern

Demnach begann die Geschichte der Villa 147 eigentlich schon im Jahr 1757. Damals hatte eine Familie Namens Koch das Grundstück im Breiteweg – direkt an der Ecke der Dahlenwarsleber Straße – erworben. Über die vorherige Nutzung ist nichts überliefert.

1775 wurde mit der Neubebauung eines Vierseitenhofes mit Ställen, Darren, Scheunen und Speichern begonnen. Zu Reichtum kam die Großbauernfamilie ab Mitte des 19. Jahrhunderts, kurz nachdem in der Magdeburger Börde die industrielle Verarbeitung von Rüben zu Zucker erfunden worden war. „Das Familienoberhaupt der Kochs und seine Nachfolger waren nicht umsonst als ’Rübenbarone’ bekannt“, berichtet die Vereinschefin.

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Die Kochs lebten in einem Wohnhaus gleich nebenan, erbaut um das Jahr 1818. Das Gebäude steht nicht mehr, heute befindet sich an dieser Stelle der „Parkplatz Nord“ der Mittellandhalle. Im Zuge des Aufschwungs durch den Anbau der Zuckerrübe modernisierte die Familie um das Jahr 1857 ihr Anwesen und ließ einen großen modernen Vierseitenhof vom Breiteweg entlang der Dahlenwarsleber Straße errichten.

Dieses Foto aus dem Jahr 1906 zeigt das Koch'sche Anwesen im Breitweg in Barleben. Im Gebäude mit der Hausnummer 148 (im Vorgergrund rechts) wohnten die „Rübenbarone“. Gleich dahinter schließt sich der Vierseitenhof mit der Villa an, heute der Komplex „Mittellandhalle“.
Dieses Foto aus dem Jahr 1906 zeigt das Koch'sche Anwesen im Breitweg in Barleben. Im Gebäude mit der Hausnummer 148 (im Vorgergrund rechts) wohnten die „Rübenbarone“. Gleich dahinter schließt sich der Vierseitenhof mit der Villa an, heute der Komplex „Mittellandhalle“.
Foto: Archiv Heimatverein Barleben

Während dieser Zeit entstand auch die Villa an der Vorderseite des Hofes, im Volksmund „Rübenpalast“ genannt. „Man lebte recht mondän und wollte das auch zeigen“, erklärt Annemarie Keindorff weiter. Somit zählten die Kochs gemeinsam mit Familie Brandt, in deren Villa heute die Gemeindeverwaltung residiert, zu den reichsten weit und breit. Also ließen die Kochs ihre Villa als Prachtbau errichten.

Repräsentative Elemente

Gut zu erkennen sind die vielen dateilverliebten Elemente an der schmückenden Fassade. Auch im Inneren glänzt die Villa mit besonders repräsentativen Elementen. Der Saal, der im Moment das Digitalisierungszentrum der Gemeinde beherbergt und laut aktuellen Planungen künftig den Ratssaal aufnehmen soll, ist besonders herrschaftlich mit Stuck und Deckenmalereien ausgestaltet.

Somit ist die Villa ein steingewordenes Zeugnis aus der Zeit des großbäuerlichen Aufstieges in der Börde. Die Ironie dabei: Die Rübenbarone sollen ihren Palast nie bezogen haben. Vielmehr diente die Villa zur Repräsentation. Hier wurden Kunden und Geschäftspartner empfangen.

Der Komplex Mittellandhalle mit der Villa (Bildmitte) und den angebauten Sporthallen (rechts) im Frühjahr 2022. Das einstige Anwesen war  viel größer und zog sich  über den westlichen Ortsrand hinaus. Als „Koch’scher Plan“ wurde es nach 1945 per Los an Umsiedler als Bauland vergeben.
Der Komplex Mittellandhalle mit der Villa (Bildmitte) und den angebauten Sporthallen (rechts) im Frühjahr 2022. Das einstige Anwesen war viel größer und zog sich über den westlichen Ortsrand hinaus. Als „Koch’scher Plan“ wurde es nach 1945 per Los an Umsiedler als Bauland vergeben.
Foto: Winkler/Gemeinde Barleben

Laut Annemarie Keindorff endete das feudale Leben der Kochs mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Bodenreform. Die Familie wurde enteignet. Im Jahr 1952 errichtete die Gemeinde in der linksseitigen Stallanlage direkt neben der Villa eine staatliche Apotheke.

Der Prachtbau selbst diente der Konsumgenossenschaft als herrschaftlicher Verwaltungssitz. Weitere Stallgebäude und Hof wurden von der Großhandelsgesellschaft „Waren des täglichen Bedarfs“ als Zwischenlager und Fahrzeughof genutzt.

Nach der Wende wurde es ruhig

„Nach der Wende wurde es ruhig“, erinnert sich die Vereinsvorsitzende. Das heute denkmalgeschützte Gebäudeensemble zwischen dem Breiteweg und der Dahlenwarsleber Straße wurde von 2003 bis 2004 zum „Komplex Mittellandhalle“ und somit zum Sport- und Kulturzentrum umgebaut. 2012 kam die Sporthalle 2 hinzu. Seither umfasst das gesamte Areal rund 5.000 Quadratmeter.

Der ehemalige Vierseitenhof ist zu einem der modernsten Mehrzweckquartiere weit und breit avanciert. Vor allem Heiz-, Klima- und Audiotechnik sind auf dem allerneusten Stand. Alles ist so modern, dass Objektleiter Reinhard Lüder regelmäßig Gruppen aus aller Welt durch den Gebäudekomplex führt.