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Ausbildung stockt Lockdown lähmt Feuerwehren

Die Aus- und Fortbildungen der Einsatzkräfte ruhen wegen Corona. Beim Zerbster Ortswehrleiter mehren sich die Bauchschmerzen.

Von Thomas Kirchner 07.01.2021, 00:01

Zerbst l Nichts geht mehr bei den aktiven Frauen und Männern der Freiwilligen Feuerwehren – schon zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit. „Und je länger der Stillstand in Form des Lockdows für die Wehren dauert, desto größer werden meine Bauchschmerzen, dass die Auswirkungen nicht nur für die aktiven Frauen und Männer am Ende gravierend sein könnten“, sagt Steffen Schneider mit Sorgenfalten auf der Stirn.

Der Zerbster Ortswehrleiter verweist auf die rund 50 Ausbildungsdienste, die seine Truppe normalerweise im Jahr aboviert. „Wir treffen uns nicht umsonst wöchentlich, um zielgerichtet Einsatzszenarien oder bestimmte Handgriffe zu trainieren“, erklärt Schneider und gibt zu bedenken: „Arbeite ich beispielsweise über Wochen nicht mit einem Computerprogramm, muss ich auch erst einmal überlegen, wie ich meine Statistik erstelle.“ Genau dieses Überlegen und Nachdenken koste im Ernstfall Zeit, womöglich zu viel Zeit.

„Ebenso verhält es sich mit den Einsatzfahrzeugen. Wenn ich heute meine Wohnung aufräume, kann ich mich gegebenenfalls in acht oder zehn Wochen nicht mehr genau erinnern, in welchen Schrank ich die eine oder andere Sache verstaut habe und muss überlegen – im schlimmsten Fall sogar suchen“, macht Schneider deutlich.

Die wöchentliche Ausbildung diene dazu, dass genau dies nicht passiert, dass jeder Handgriff in Fleisch und Blut übergeht. „Ich befürchte, je länger der Stillstand dauert, desto schwieriger wird es für die Kameraden, die gespeicherten Details auch im entscheidenden Moment abrufen zu können“, so der Ortswehrleiter.

Erste Anzeichen gebe es bereits. „Bei Alarmierungen erscheinen bereits weniger Kameraden zum Einsatz als normalerweise und das macht mir Sorgen. Ich kann nur für meine Truppe sprechen, aber wenn wir nicht bald wieder mit der Ausbildung beginnen können, zumindest in kleinen Gruppen, wird sich die Situation möglicherweise verschärfen“, mahnt Schneider.

Man könne jedem hinterher telefonieren. Das sei aber nicht dasselbe, als wenn man die Frauen und Männer einmal in der Woche im Gerätehaus hat und persönlich reden und Probleme besprechen kann. „Diese persönlichen Kontakte, Diskussionen sind äußerst wichtig. Sie fehlen einfach“, betont der Ortswehrleiter.

Sicher gebe es Kommunikation über die sozialen Netzwerke. „Aber gibt noch keine App, die ein Feuer löschen kann oder die persönlichen sozialen Kontakte Auge in Auge ersetzt. Sicher kann ich Informationen in unserer Whatsapp-Gruppe verbreiten. Ich sehe aber nicht, wie diese Informationen bei den Frauen oder Männern ankommen – in Form von Mimik, Gestik oder Gesprächen“, sagt der Ortswehrleiter.

Schneider: „Insgesamt 34 von mehr als 50 möglichen wöchentlichen Ausbildungsdiensten haben 2020 stattgefunden. Das sind etwas mehr als 60 Prozent. Die Zahlen machen deutlich, dass wir wieder starten müssen – egal in welcher Form. Es geht nicht ohne Ausbildung.“

Es sei ein Konzept nötig, um zum einen die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus auszuschließen oder zumindest weitestgehend zu minimieren und zum anderen die Regelmäßigkeit an Ausbildungsdiensten wieder herzustellen. „Wir haben ein solches Konzept erarbeitet, wie und in welcher Form Ausbildung wieder möglich gemacht werden könnte und dieses Konzept an die Stadtwehrleitung und die Stadtverwaltung geschickt“, erläutert Schneider.

Zu diesem Konzept gehöre unter anderem, dass Einsätze nur noch mit Mund-Nasen-Schutz gefahren werden. „Das praktizieren wir bereits seit Wochen. Ohne Maske geht nichts“, betont Schneider. Außerdem hätten die Kameraden, die beruflich im Rettungsdienst tätig sind, wertvolle Tipps gegeben. „Wir müssen einfach Wege skizzieren, um wieder in die Realität zu finden, auch wenn es unter Abstands- und Hygieneregeln ist“, sagt Steffen Schneider.

Im Rathaus und der Stadtwehrleitung kennt man das Problem. „Wir wissen natürlich, dass je länger der Stillstand andauert, auch die Situation ohne Ausbildungsdienste in den Wehren immer schwieriger wird“, betont Thomas Sanftenberg, Sachgebietsleiter Brandschutz im Zerbster Rathaus. Es sei soeben eine neue Dienstanweisung unterschrieben worden, die am 8. Januar in Kraft tritt und Ausbildung wieder zulässt, wenn auch unter Einschränkungen. „In diese neue Dienstanweisung ist natürlich auch das Konzept der Zerbster Kameraden eingeflossen“, erklärt Sanftenberg.

Die Dienstanweisung schreibt unter anderem vor, dass die Kameraden zur Ausbildung in Gruppen mit maximal neun Personen einzuteilen sind. „Die Ausbildung der Gruppen muss räumlich getrennt – wenn möglich im Freien – stattfinden“, heißt es in dem Papier. Außerdem soll bei Ortswehren mit mehreren Standorten die Einteilung der Gruppen nicht standortübergreifend erfolgen, heißt es in der Dienstanweisung weiter.

Theoretische Ausbildung darf nur in Räumen durchgeführt werden, in denen einen Mindestabstand von 1,5 Meter eingehalten werden kann.

Pflicht laut der neuen Dienstanweisung sind außerdem: das regelmäßige Lüften der Räume, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und die Dokumentation der Kameraden, die in den einzelnen Gruppen an Ausbildungsdiensten teilnehmen.