Landwirtschaft im Wandel Bauern in Zerbst schlagen neue Wege ein, um eine Zukunft zu haben
Die Landwirtschaft ist massiv gefordert. Kosten- und Absatzprobleme, Klimawandel. Wie Bauern in Zerbst neue Wege einschlagen.

Trüben. - Die Landwirtschaft hat sich gewandelt in den vergangenen Jahrzehnten. Sie muss sich veränderten Bedingungen stellen. Artensterben und Klimawandel müssen berücksichtigt werden, eine zukunftsfähige Tierhaltung ist notwendig, der Pflanzenbau muss mit Umwelt und Naturschutz in Einklang gebracht werden, Innovationsbereitschaft und Risikomanagement sind gefragt, um auch einen Landwirtschaftsbetrieb wirtschaftlich zu führen. In der Agrargenossenschaft Bornum stellt man sich dem Wandel der Zeit. In den Jahren seit Gründung des Betriebes im November 1990 wurden viele Stationen und strukturelle Umwandlungen durchlaufen.
Rund 4000 Hektar Fläche einschließlich Mutterkuhhaltung werden in den Gemarkungen Straguth, Pulspforde, Bornum, Garitz, Luso und Streetz bewirtschaftet. 80 Hektar Wald sind zur AG Bornum zugehörig. Hauptfruchtarten sind mit zirka 1000 Hektar Roggen, dann Mais, Wintergerste, Weizen, Raps und Sonnenblumen. 45 Festangestellte arbeiten im Betrieb, außerdem gibt es vier Azubis. Ihre Vorgänger hatte die Agrargenossenschaft in der LPG Pflanzenproduktion „Friedrich Engels“ Bornum und der LPG Tierproduktion „Friedenswacht“ Bornum sowie dem Zweigbetrieb des KfL (Kreisbetrieb für Landtechnik) in Trüben. Aus drei Betrieben mit 800 Leuten wurde einer. Bis 2007 bestanden vier große territoriale, selbstständig arbeitende Einheiten - Kleinleitzkau, Bornum, Straguth und Luso. Ab dann standen Pflanzen- und Tierproduktion unter einer Leitung.
Milchproduktion reduzieren
In der Tierhaltung halten die Veränderungen an. Die Milchproduktion in Straguth wurde 2011 eingestellt. Die Sauenanlage in Kleinleitzkau wurde 2021 verkauft. Jetzt sollen die Milchkühe - mit Nachzucht waren das zuletzt rund 1000 Tiere - weiter reduziert werden. Die noch vorhandenen beiden alten Anlagen müssten erneuert werden. Eine Investition, die nicht zu rechtfertigen ist, so der Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Bornum, Mario Gaube. Gewinne seien da nicht zu machen, außerdem seien keine Melker mehr zu finden.

Die Umstellung auf Mutterkuhhaltung - die weit weniger Personal erfordert als das Milchvieh - ist ein laufender Prozess. Im vergangenen Monat wurde die Zahl der Tiere auf 80 erhöht. Zum einen wird das Grünland verwertet, zum anderen werden die Kälber zur Weitermast verkauft. Wenn da Förderprogramme für Grünland greifen, dann könnte eventuell ein kleiner Gewinn erzielt werden.
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Mit regenerativen Energien Gewinne zu erzielen, sei da jedoch wahrscheinlicher, meint Mario Gaube. Für eine Orientierung in diese Richtung hat sich die Agrargenossenschaft 2020 entschieden - nach drei Jahren in denen auf den Flächen zwischen Trüben und Straguth so gut wie nichts geerntet wurde.
Die Agrargenossenschaft wandte sich seinerzeit mit ihrem Antrag an den Stadtrat. Inzwischen sitzt die Stadt Zerbst selber mit im Boot der „PV Zerbst-Regio“, einer Kooperation regionaler Akteure darunter der AG Bornum, die die Versorgung der Region mit regenerativer Energie voran treiben will. Unabhängig von den 0,2 Cent/kwh, die in das Stadtsäckel fließen sollen, will die Agrargenossenschaft „was Regionales machen“, so Gaube, „es in eigener Hand behalten.“ „Wir sind in der Region und bleiben in der Region“, sagt er. Eine Freiflächenphotovoltaikanlage soll unter anderem oberhalb von Trüben entstehen. Auf Flächen, die immer schon unwirtschaftlich waren. Auch Agri-PV kann sich Gaube vorstellen mit Schafen oder Rindern auf der Fläche.
Solar auf allen Dächern
In Sachen regenerative Energien hat das Unternehmen auch fast alle seine Dächer mit Solarmodulen bestückt. Ein Dach fehlt noch, aber das wird kommen, kündigte der Vorstandsvorsitzende an. Mit zwei Biogasanlagen ist der Betrieb ebenfalls am Start.
Außerdem werden 300 Hektar Ackerland und 168 Hektar Grünland als ökologischer Betrieb bewirtschaftet. Hier befindet man sich quasi im zweiten Umstellungsjahr. Auch die Ernte 2024 wird noch Umstellungsware sein, erst danach ist alles „Bio“. Man wird dem Trend der Zeit gerecht, obwohl auch der Bio-Markt inzwischen schon ziemlich voll ist. Hier sind es junge Kollegen, die sich ausprobieren und Erfahrungen sammeln, freut sich der 60-Jährige über deren Engagement.

Zeitgemäß kümmert sich der Betrieb auch um die drei Mietwohnungen in Trüben. Bis dato mit Ölheizung betrieben, erfolgte im Sommer eine Umstellung. Die Hackschnitzelheizung beheizt demnächst neben den drei Wohnungen auch das Büro und die Werkstatt der Agrargenossenschaft. Das neueste Projekt des Unternehmens in Sachen Nutzung erneuerbarer Energien.
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Mit den fehlenden Niederschlägen der letzten Jahre muss auch der Bornumer Betrieb leben. Beregnung, soweit sie denn möglich ist, macht auf jeden Fall etwas aus. Wenn dann jedoch Verbote greifen, nützt auch die vorhandene Beregnungsanlage nichts. Mit angepasstem Saatgut, sparsamerer Bodenbearbeitung und anderen Maßnahmen wird gearbeitet. Für Getreide und Raps war dieses ein schlechtes Erntejahr, der Mais hat profitiert.
Die Niederschlagsmengen waren zwar nicht so niedrig, aber es hat immer zur falschen Zeit geregnet, blickt Mario Gaube zurück. Das Wetter ist im Kreislauf die große Unbekannte, mit der die Landwirte leben müssen.
Zu viel Bürokratie
Schön wäre es, wenn es weniger Bürokratie für die Landwirte geben würde, wünscht sich Mario Gaube. Die Politik sollte mal umsetzen, was sie predigt. „Die ständig steigenden Vorgaben und Kontrollen kosten uns Zeit, Personal und Ressourcen. Die Bewältigung aller Anforderungen in der vorgegebenen Zeit ist immer wieder herausfordernd. Vom immer wieder versprochenen Bürokratieabbau sind wir leider meilenweit entfernt“, macht Gaube deutlich.
Außerdem würde der Diplom-Agraringenieur sich wünschen, dass die Arbeit der Landwirte mehr geschätzt wird. Es muss erst etwas in den Regalen fehlen, bevor man aufmerksam wird. Immer auskömmliche Preise und Regen zur rechten Zeit, stehen weiterhin auf der Wunschliste. Mit über 400 Leuten wurde im Juni diesen Jahres - durch Corona verspätet - das 30-jährige Jubiläum der Agrargenossenschaft gefeiert. Der Bornumer Ortsbürgermeister Mario Rudolf hat bei der Gelegenheit die gute Zusammenarbeit mit dem Betrieb gewürdigt.