1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zerbst
  6. >
  7. Beim Ausmisten rennen die Ratten hinaus

Heimaträtsel dreht sich um den alten Schafstall in Dobritz, der schon lange abgerissen ist Beim Ausmisten rennen die Ratten hinaus

Von Petra Wiese 17.11.2012, 02:16

Der alte Schafstall in Dobritz ist die Lösung unseres Heimaträtsels vom Donnerstag. Warum sich die Leute vor dem Gebäude versammelt hatten, darüber gab es einige Spekulationen.

Dobritz l "Auf dem Bild ist der große Schafstall von Dobritz" - Günther Heuschkel ist sich ganz sicher. "Ich sitze da mit auf dem Stein," erklärt der 72-Jährige. Damals war er um die 20. "Wir haben da oft gesessen und uns unterhalten, erinnert er sich. Da war das Kommunikationszentrum des Dorfes. Die Leute auf dem Bild, kenne er alle, so Heuschkel. Das waren seine Kumpel, und der Opa ist auch zu sehen. Bei welcher Gelegenheit das Foto jedoch gemacht wurde, daran kann er sich heute nicht mehr erinnern.

Zum Schafstall kann er noch mehr erzählen: Zum Beispiel, dass er bis 1968 mit Schafen belegt war. Der Schafstall gehörte einst zum Gut und wurde später von der LPG genutzt. Nur einmal im Jahr wurde ausgemistet, dann war der Mist schon ein Meter hoch. Und der Schafstall war voller Ratten. Beim Ausmisten kamen die Ratten dann in Scharen herausgerannt, "das war ekelig", so der Dobritzer.

Er erinnert sich auch, dass an dem A-Masten auf der Ecke ein Lautsprecher angebracht war. Vom Bürgermeisterbüro aus wurden Ansagen gemacht oder es wurde auch Musik übertragen.

"Der Stein könnte viel erzählen", meldete sich Hildegard Meerkatz. Die 88-Jährige erkannte Vater, Sohn und Schwiegersohn auf dem Foto, sie selbst lehnt an der Mauer. "Ich nehme an, da war Maibaumrichten", vermutet sie. Die Dobritzerin hat das Bild selber zu Hause, erinnert sich an den Schäfer Kuckert, dessen Frau und Sohn. 1723 wurde der Stall erbaut, weiß Hildegard Meerkatz, 1974 abgerissen.

Dass die Leute bei einer Hochzeit oder einem 1. Mai-Umzug zuschauen, vermutet Christa Metzker. Sie ist sich nicht sicher, ob eventuell ihr Vater mit auf dem Foto ist. Die 73-Jährige hat in dem Schafstall selber schon mit ausgemistet, als sie bei der LPG gearbeitet hat. Mit der Gabel wurde alles auf den Hänger geschmissen, berichtet sie. Das sei recht beschwerlich gewesen.

"Der Platz vor dem Schafstall war der Platz zum Maibaumrichten", erklärte Wolfgang Reich aus Dobritz. Das könnte es gewesen sein, was die Leute gucken lässt, meint er. "Wir haben als Jungs immer Schilf vom Dach geklaut", erinnert sich der 63-Jährige an seine Kindheit. Das feste Schilf eignete sich besonders gut, um Pfeile daraus zu bauen. "Wir mussten nur aufpassen, wenn der Schäfer kommt."

Jürgen Ludwig aus Zerbst, der über Dobritz schon im Zerbster Heimatkalender von 1970 eine Geschichte veröffentlichte, kann über die Nutzung des Schafstalls noch ganz andere Auskünfte geben. 1813 sei das Gebäude als Quartier für russische Kosaken genutzt worden. Die Truppen waren auf dem Feldzug in Richtung Möckern unterwegs. Über den Schafstall würden auch alte Tagebuchaufzeichnungen des ehemaligen Gutsschäfers Auskunft geben, so der 81-jährige Hobby-Heimatgeschichtler.

Hermann Kuckert war der Schäfer im Dobritzer Schafstall - Schwiegertochter Gesine Kuckert meldete sich aus Zerbst zu Wort. Das dürfte der Mann mit Schlips und Pullover auf dem Bild sein. Den Dobritzer Schafstall eindeutig zuordnen konnte Hans-Joachim Faatz (57) aus Reuden, der in Dobritz zur Schule ging und sich an die Schafe erinnern kann. Lisbeth Straube aus Deetz tippte zunächst auf Nedlitz, bevor sie sich für Dobritz entschied. Helmut Lehmann dachte an Lübs oder Prödel.

Ilse Böttge aus Grimme "outete" sich als die Frau mit dem Fahrrad und dem Körbchen. Als Lehrerin arbeitete sie in der Dobritzer Schule, kam jeden Tag bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad. Die Kinderkrippe war auf dem Weg dorthin. Warum die Leute an dem Tag dort standen, wisse sie nicht.

Aufklärung gab es am Nachmittag, als die Anrufzeit längst vorbei war. "Meine Mutter hat das Bild gemacht", sagt Manuela Heuschkel aus Zerbst. Das war 1961 oder `62, und es war ein Maibaumrichten. Die Mutti, Christa Rübner, war Lehrerin und Chorleiterin an der Dobritzer Schule. Und der Chor hatte beim Maibaumrichten einen Auftritt.

Das Foto vom alten Schafstall hat Katrin Wecke längst in die Dobritzer Chronik eingearbeitet. Den Gewinn dieses Heimaträtsels - ein Duschtuch - geht an Günther Heuschkel. Der Preis liegt in der Redaktion auf der Alten Brücke in Zerbst zum Abholen bereit.