Corona Bundespolizei verweigert Einreise
Zwei Zerbster Bulgaren werden an der tschechisch-deutschen Grenze zurückgewiesen
Zerbst
Angelin Yankov und Radostin Angelov haben sich am 12. Februar von Warna an der bulgarischen Schwarzmeerküste auf den Weg ins rund 2000 Kilometer entfernte Zerbst in Sachsen-Anhalt gemacht. Nach mehreren Pausen zum Essen, Trinken und Schlafen erreichten die 33- und 21-jährigen Männer am Sonntag, 14. Februar, gegen 8.30 Uhr die tschechisch-deutsche Grenze auf der A 17 nahe Dresden.
Zwischen Grenze und Dresden hatte die Bundespolizei auf einem Parkplatz einen Kontrollpunkt errichtet, denn seit dem frühen Morgen des 14.Februar gelten wegen der hohen Corona-Infektionszahlen in Tschechien verschärfte Einreisebedingungen. Auch die Reisenden auf dem Weg nach Zerbst wurden angehalten und kontrolliert.
Vorgelegte Papiere in Sachsen nicht akzeptiert
Ein Bundespolizist hat die beiden aufgefordert, ihre Papiere vorzuzeigen. Dem kamen sie nach eigenen Angaben freundlich nach. Die Männer waren mit einem Transporter mit Zerbster Kennzeichen unterwegs. „Wir haben unsere Meldebescheinigungen vom Zerbster Einwohnermeldeamt sowie unsere negativen Corona-Testbescheinigungen vorgelegt (auch der Volksstimme). Doch offenbar gab es ein Problem. Man sagte uns, wir müssten uns einem neuen Corona-Test unterziehen“, schildert Yankov.
Der koste aber pro Person 50 Euro. Kein Problem, hätten die jungen Männer daraufhin entgegnet, sie hätten Geld, um die Tests zu bezahlen. Wie viel Geld sie denn in der Tasche haben, habe der Bundespolizist jetzt wissen wollen. Inzwischen wären ein zweiter Beamter und eine weitere Beamtin der Bundespolizei dazugekommen, so die beiden Männer. Von einem erneuten Test sei jetzt allerdings keine Rede mehr gewesen.
EU-Bürger können sich in Mitgliedsstaaten frei bewegen
Er habe den Bundespolizisten erklärt, dass er in Zerbst lebe und arbeite, erzählt Yankov im Gespräch mit der Volksstimme. Seine Frau und seine drei Töchter (10 Jahre, 7 Jahre und 7 Monate alt) warteten dort auf ihn. Er wohne nicht mehr in Bulgarien, lebe in Zerbst, wo er ein Häuschen gekauft, eine kleine Baufirma gegründet hat und jetzt mit seiner Familie zu Hause sei – seit fünf Jahren. Alle Familienmitglieder seien auf der Meldebescheinigung eingetragen. „Das hat aber niemanden interessiert“, schildert Angelin Yankov.
Die Beamten wären hart geblieben, er und sein Begleiter müssten zurück nach Bulgarien, berichten die beiden Zerbster. Sie sollten „deutsche“ Papiere vorzeigen. Die Frage, was denn mit deutschen Papieren gemeint ist, sei unbeantwortet geblieben. In der Regel sind diese auch nicht nötig, denn Teil des EU-Abkommens ist, dass Unionsbürger sich ohne Aufenthaltserlaubnis frei in allen Mitgliedstaaten der EU bewegen können (Quellen: www.bmi.bund.de / einbuergerungstest.biz).
Beamte drohen mit Gefängnis
„Man hat mich dann darauf hingewiesen, dass ich zu viel rede und wenn ich nicht aufhören würde, könne dies auch im Gefängnis enden“, erzählt der 33-jährige Familienvater. Schließlich seien er und Radostin Angelov zusammen mit rund 20 weiteren Fahrzeugen von den Bundespolizisten zurück nach Tschechien eskortiert worden – ein Polizeiauto vorweg, ein zweites Einsatzfahrzeug hinterher.
„Wir waren ziemlich ratlos und verzweifelt und haben einen Bekannten, Dirk Strohschneider in Zerbst, angerufen. Er hat uns geraten, die Grenze im bayrischen Passau zu passieren, wohin wir uns anschließend auch auf den Weg gemacht haben“, so die beiden Männer.
Bundespolizisten in Bayern hilfsbereit
An der tschechisch-deutschen Grenze in Passau angekommen, seien sie auch dort angehalten und kontrolliert worden. „Aber anders als in Sachsen gab man sich freundlich und mit denselben vorgezeigten Papieren zufrieden, die wir auch schon den Bundespolizisten nahe Dresden vorgelegt hatten. Die Passauer Beamten halfen uns sogar noch, die erforderliche Online-Registrierung zu erledigen, die wir vergessen hatten“, schildern sie. Anschließend hätten sie problemlos einreisen dürfen.
„Am frühen Abend des 14.?Februar, ein Sonntag, erreichten wir endlich das heimatliche Zerbst – mit einem Umweg von insgesamt rund 900 Kilometern. Wir sind schon entsetzt, ein wenig fassungslos und vor allem traurig. Nachvollziehen können wir die unterschiedliche Behandlung an den Grenzkontrollpunkten nicht“, sagen die beiden Männer.
Innenministerium äußert sich nicht zu diesem Vorfall
Das Bundesinnenministerium als oberster Dienstherr wollte sich nicht zu dem Vorfall äußern und verwies an die Bundespolizei. Die hat keine Kenntnis von dem Vorfall. Der Vorgang könne nicht mehr nachgeprüft werden. „Wir haben den von Ihnen geschilderten Sachverhalt durch die Bundespolizeiinspektion Berggießhübel prüfen lassen. Im Ergebnis konnte kein Sachverhalt ermittelt werden, der Ihren Schilderungen entspricht“, schreibt Christian Meinhold, Sprecher der zuständigen Bundespolizeidirektion in Pirna.
Dies bedeute keinesfalls, dass der angesprochene bulgarische Staatsangehörige und sein Begleiter nicht versucht haben könnten, die tschechisch-deutsche Grenze in Sachsen zu überqueren. „Sollte dies tatsächlich der Fall gewesen sein, so haben zumindest keine Zurückweisungsgründe vorgelegen, die eines Eintrages in das Vorgangsbearbeitungssystem bedurften“, erklärt Meinhold.
Hintergrund: Jeder polizeilich relevante Vorgang wird im Vorgangsbearbeitungssystem erfasst, Verkehrsunfälle, Ordnungswidrigkeiten, Strafanzeigen und alle sonstigen relevanten Ereignisse mit Daten zu Tätern, Tatverdächtigen, Geschädigten und Zeugen.
Verweis auf schärfere Kontrollen
Sehr wahrscheinlich hätten zu diesem Zeitpunkt die Einreisevoraussetzungen der bulgarischen Staatsangehörigen nicht ausgereicht, um eine Einreise nach Deutschland zu begründen. „Die Tschechische Republik ist mit Wirkung vom 14. Februar 2021, 0?Uhr, als Virusvarianten-Gebiet eingestuft. Die Bestimmungen für die Einreise von Tschechien nach Deutschland wurden in Folge deutlich verschärft“, so Meinhold.
Im Rahmen der vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen seien eine Vielzahl von Personen festgestellt worden, die nicht die geforderten Nachweise, wie unter anderem die digitale Einreiseanmeldung oder einen negativen Coronatest vorweisen konnten. „Eine Einreise ist lediglich in Anlehnung an die Ausnahmetatbestände der Corona-Schutz- und im Zusammenhang mit der Corona-Einreiseverordnung möglich“, betont der Polizeisprecher.
Polizeisprecher bedauert Unannehmlichkeiten
Welche der Voraussetzungen letztlich nicht vorlag, könne im Nachgang und unter Verweis auf die mehreren Tausend Abweisungen an der deutsch-tschechischen Grenze in Sachsen nicht nachvollzogen werden. „Dies gilt auch für die dann vorgelegten Dokumente beziehungsweise das Erfüllen der Einreisevoraussetzungen an der tschechisch-deutsche Grenze in Bayern“, schreibt der Bundespolizeisprecher. Auf die Frage, warum die Einreise der beiden Zerbster in Passau im Gegensatz zu Sachsen reibungslos und ohne Komplikationen verlief, wollte sich der Polizeisprecher nicht konkret äußern.
Auf die Behandlung der beiden Zerbster durch die kontrollierenden Beamten in Sachsen ist der Polizeisprecher in seinem Schreiben zunächst nicht eingegangen, betont aber auf telefonische Nachfrage: „Wenn sich der Vorfall so abgespielt haben sollte, wie Sie ihn geschildert haben, bedauern wir dies natürlich.“ Es bestehe keinesfalls die Absicht, bei den Reisenden für unnötige Unannehmlichkeiten zu sorgen. „Wenn es denn doch so gewesen ist, tut uns das natürlich leid“, sagt Meinhold.