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Denkmaltag Zeitzeugen auf der Spur

Am Tag des offenen Denkmals öffnete das Zerbster Francisceum am Weinberg. Schüler zeigten mit Hut und Gewändern die Geschichte ihrer Schule.

Von Sebastian Rose 15.09.2020, 06:00

Zerbst l Langsam aber sicher füllt sich kurz vor 14 Uhr der Schulhof vor dem Gebäude des Zerbster Francisceums am Weinberg. Anlass sind die Führungen durch das alte Gebäude, die am Tag des offenen Denkmals durch mehrere Gymnasiasten abgehalten wurden. „Wir sind froh, dass wir die Führungen überhaupt anbieten können“, sagt Heike Richert, Initiatorin des Denkmaltags an der Schule und Leiterin des Theaterkurses am Gymnasium. „Das Schulfest im April musste ja corona-bedingt abgesagt werden. Jetzt haben wir ein striktes Hygiene-Konzept entwickelt, um den Besuchern das alte Kloster zu zeigen.“

Die Führungen übernehmen an diesem Tag die Schüler. Ganz freiwillig, wie Heike Richert versichert. „Alle hier sind mit Leib und Seele dabei. Ungefähr 50 Prozent sind aus dem Theaterkurs und treffen sich sowieso oft in der Freizeit neben der Schule. Und auch die andere Hälfte macht gerne an diesem Tag mit. Keiner musste überredet werden.“

Allerdings seien durch die relativ kurzfristigen Ansetzungen der Jugendweihen und Konfirmationen einige Schüler verhindert. „Ein paar konnten wir ersetzen. Aber es ist ja klar, dass sie nach so einem besonderen Tag nicht noch hierhin kommen können“, erzählt Heike Richert mit einem Lachen, welches unter der Mundschutz-Maske hervorblitzt.

Diskussionen über die Maskenpflicht im Gebäude gibt es an diesem Tag keine unter den Teilnehmern. Selbst dass einige der Besucher ein paar Minuten auf die nächste Führung warten müssen, da immer nur Achter-Gruppen im Gebäude unterwegs sein dürfen, wird verständnisvoll hingenommen.

Auf der circa 40-minütigen Führung geht es angefangen im Schulhof, wo eine Schülerin im Kostüm eines Franziskanermönchs erklärt, was es mit dem Orden auf sich hat, durch den Schulgarten. „Der Franziskanerorden wurde durch den heiligen Franz von Assisi gegründet und ist ein Bettelorden“, sagt der Mönch im Kostüm. „Deswegen wurde das Kloster auch im Armenviertel direkt in der Nähe der Stadtmauer gebaut. Es wurde Geld erbettelt und an die Armen weitergegeben.“

Vorbei am Weinberg, wo die Franziskaner-Mönche, wie der Name bereits verrät, Wein angebaut hatten, geht es weiter zu einem alten Brunnen. Nach einem kurzen Halt und viel Applaus für die Darstellerin erklingt nun das Wort „Salvete“. Das heißt so viel wie „Seid gegrüßt“, erklärt der Schüler und informiert die Besucher ein wenig über die Vergangenheit des Gymnasiums, welches früher tatsächlich mal eine kleine Universität war. Aus Ländern wie England, Frankreich, Franken, Böhmen und Schlesien kamen die Studenten, um in Zerbst zu studieren.

Nach einem Gang über die Wendeltreppe ins Innere des Gebäudes gelangen die Teilnehmer dann nach mehreren weiteren Theatereinlagen in einen 50-Meter langen Gang, wo früher links und rechts die Menschen beherbergt waren. „Eine tolle Akustik zeichnet diesen Gang aus“, erklärt die Kleingruppenführerin Melanie Brohse. Spontan packt einer der Teilnehmer seine kleine Mundharmonika aus und überzeugt sich davon.

Die wohl meisten Lacher aber erhält die Vorstellung von der Diskussion eines Studienrates mit seiner „lieben Frau Leonore“. Beide streiten sich liebevoll um die Härte der Strafen. In einem alten Notizbuch aus der Schulbibliothek heißt es nämlich, dass ein gewisser Bengel seinen Lateinlehrer arglistig betrogen habe und dafür eine Stunde im schuleigenen Gefängnis, dem Karzer, absitzen musste. Und sogar aus Faulheit wurden damals Strafen verhängt: Zu langsam zur Tafel gehen wurde mit drei Stunden Karzer versehen!