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Elterntreff für Eltern drogenkranker und gefährdeter Kinder: Neue Info-Broschüre liegt aus Hier gibt es Hilfe ohne Vorbehalt und Tabu

Von Judith Kadow 17.11.2012, 01:08

Mit einem neuen Flyer macht der Elterntreff für Eltern mit gefährdeten und drogenabhängigen Kindern auf sich aufmerksam. Seit 2009 gibt es diese Selbsthilfegruppe in Zerbst, die sich einmal im Monat im DRK-Suchtberatungsraum trifft.

Zerbst l Das eigene Kind ist drogensüchtig. Für viele Eltern ist dieser Fakt ein Tabuthema, das Wegsehen und Nicht-Wahrhaben-Wollen über lange Zeit der tägliche Begleiter. Auch bei Annett Kaiser aus Ragösen war dies so. Der eigene Sohne griff zu Drogen. Seine Aggressionen und eine Abwärtsspirale bestimmten über Jahre sein Leben, aber auch das seiner Familie.

"Wir sind hier füreinander da, ohne Vorbehalte und Tabus."

Annett Kaiser, Leiterin Elterntreff

"2008 war ich soweit, Hilfe zu suchen, wollte mich mit anderen Eltern austauschen können. Doch es gab kein Angebot, das mir zusagte", erinnert sich Annett Kaiser. 2009 knüpfte sie dann Kontakt mit Cornelia Pfeffer, die als Suchtberaterin für die Diakonie in Zerbst tätig war und heute für das DRK tätig ist.

Annett Kaiser ruft 2009 den Elterntreff ins Leben. Sechs bis zehn Eltern bilden den Kern der Gruppe, die sich einmal im Monat trifft. "Durch die Änderungen in der Trägerlandschaft des Landkreises sind wir nun im Suchtberatungsraum des DRK in Zerbst untergebracht", erzählt Kaiser. Jeden zweiten Donnerstag im Monat findet der Elterntreff zusammen.

"Wir sind hier füreinander da, ohne Vorbehalte und Tabus", erzählt Annett Kaiser. "Nur hier ist dieser Austausch möglich, sich vollkommen zu öffnen." Die Eltern fangen sich gegenseitig auf, beruhigen sich. Sie schildern die Entwicklung der Kinder, teilen Erfolgserlebnisse und Rückschläge miteinander. Beispielsweise sprechen sie über die eigenen Vorwürfe gegen sich selbst, das Scheitern als Mutter. Aber auch Illusionen werden den Müttern und Vätern genommen. "Es gibt kein Patentrezept, das das Kind nach drei Sitzungen heilt", weiß Annett Kaiser aus eigener Erfahrung. Doch sie weiß auch, dass die eigene Familie, das nähere Umfeld selten die Gespräche mit anderen betroffenen Eltern ersetzen können. "Man muss erkennen, dass das Kind sein eigenes Leben lebt und man ein Stück weit loslassen muss. Man darf nicht in diesem Sorgensumpf untergehen", so Kaiser. Diesen rigorosen Selbstschutz kann ein Nichtbetroffener nur selten nachvollziehen. "Wenn ich das in der Familie äußere, erhalten ich natürlich andere Reaktionen als im Elterntreff", erklärt Kaiser. Doch dieser Selbstschutz sei enorm wichtig für die Eltern.

"Viele Eltern scheuen den Kontakt mit der Suchtberatung."

Cornelia Pfeffer, Suchtberaterin

Sport und Wahrnehmungsübungen werden beim Elterntreff genauso angeboten wie Gespräche. "Der Elterntreff findet unter meiner Leitung statt", so Kaiser. Bei fachlichen Fragen ist Cornelia Pfeffer zur Stelle. Sie bietet - auch außerhalb des Elterntreffs - den Eltern Gesprächsmöglichkeiten, aber auch den Kindern, wenn diese denn das Angebot annehmen.

Die Teilnahme am Elterntreff ist genauso freiwillig wie das regelmäßige Erscheinen. "Wir sind eine Selbsthilfegruppe. Es gibt kein Muss, keine Mitgliedsbeiträge oder sonstiges. Wer unsere Hilfe möchte, ist jederzeit willkommen", lädt Annett Kaiser ein. Doch die Hemmschwelle sei noch immer groß. Das weiß auch Cornelia Pfeffer. "Viele Eltern scheuen den Kontakt mit der Suchtberatung oder wollen Termine für ihre Kinder machen, aber sehen keinen Gesprächsbedarf für sich."

Um gezielt Eltern mit diesem Problem anzusprechen und zu informieren, liegen seit dieser Woche die neuen Flyer des Elterntreffs in Arztpraxen, Schulen und Jugendämtern aus. Die Grundlage von dessen Gestaltung bildeteten Ideen aus der Gruppe. Doch nicht nur im Raum Zerbst verteilt Annett Kaiser die Flyer. Auch in der Region Coswig, Wittenberg und Roßlau. "Nicht selten suchen Eltern aus angrenzenden Landkreisen unseren Elterntreff auf, da für sie die Anonymität hier größer ist", erzählt Kaiser.

Seit vielen Jahren ist die Drogensucht für sie ein Dauerthema. Ihr Sohn ist seit etwa einem halben Jahr auf dem Weg der Besserung. "Doch wenn ich wieder in alte Verhaltensmuster zurückfalle, mich davon zu sehr einnehmen lasse, wird mir im Elterntreff das sofort vor Augen gehalten", erzählt Annett Kaiser. Denn auch dafür ist der Elterntreff da: gegenseitig aufeinander aufzupassen.

Cornelia Pfeffer wie auch Annett Kaiser stehen als Ansprechpartner unter (0 39 23) 6 13 55 91 beziehungsweise (03 49 07) 3 05 56 zur Verfügung.

Der Elterntreff findet jeden zweiten Donnerstag im Monat ab 17 Uhr im Suchtberatungsraum des DRK in Zerbst, Dornburger Platz 9, statt.