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Jagd Aus Liebe zu Natur und den Tieren

Immer mehr Frauen machen ihren Jagdschein. Stephanie Alarich aus Deetz ist eine davon. Sie erzählt, warum das für sie ein Traum ist.

Von Petra Wiese 16.12.2020, 00:01

Zerbst l Es ist meist dunkel, und es kann kalt werden, wenn der Jäger auf seinem Hochstand sitzt. Doch hat er sein Umfeld im Blick. „Sieht man etwas durch das Fernglas, steigt der Puls“, sagt Stephanie Alarich. Die Deetzerin ist Jungjägerin, hat die Jagdscheinprüfung im September diesen Jahres abgelegt. Sie darf seitdem mit Erlaubnisschein in den Wald, das Gewehr geschultert und schießen. „Schießen nur, wenn man ganz sicher ist, wenn alles passt“, erklärt die 35-Jährige. So hat sie es in der Jagdschule Fläming bei Wilfried Bustro gelernt.

160 Stunden dauert bei ihm die Ausbildung zur Vorbereitung auf die Jagdscheinprüfung. In der Regel beginnt ein Lehrgang im Oktober und wird im Frühjahr abgeschlossen. Durch Corona konnte in diesem Jahr erst im September geprüft werden. Stephanie Alarich war nicht die einzige Frau in der Runde.

Zunehmend entdecken auch Frauen die Jagd für sich. Seine Kurse würden von Frauen genauso angenommen, wie von Männern, so Wilfried Bustro. Das Interesse an der Natur und den Tieren sei das Gleiche. Auch bei Stephanie Alarich war es ihre Naturverbundenheit, die sie veranlasste, das „Grüne Abitur“ zu machen. Den Wunsch hegte sie schon lange, da war sie noch keine 20. Mit 35 hat sich die Zahntechnikerin schließlich entschlossen, „ich mache es einfach.“

Sie fragte bei Wilfried Bustro nach, ob das auch für jemanden, der nichts mit der Jagd zu tun hat, machbar sei. Durchaus. Und Bustro versichert, dass seine Schüler intensiv auf die Jagdprüfung vorbereitet werden und alles, was nötig ist, lernen. Aber: „Jeder muss auch was dafür tun“, macht er deutlich. Leicht ist das Ganze nicht. Von der Familie bekam Stephanie Alarich die Ansage „Mach’s doch“, und sie tat es. „Ich habe schon vor dem Lehrgang angefangen zu lernen“, erinnert sie sich, schließlich wollte sie sich diesen Wunsch, der aus ihrem tiefsten Innern kam, erfüllen. „Ich muss das durchstehen“, motivierte sie sich und hielt am Ende das Papier in der Hand. „Ich konnte es kaum glauben, dass ich es geschafft habe“, war sie glücklich und stolz.

Die Herausforderung, dass alles zu lernen und abrufen zu können, sei für Frauen und Männer gleich. Der einzige Nachteil, den Wilfried Bustro vielleicht für Frauen sehen würde: „Viele haben das erste Mal eine Waffe in der Hand.“ Männer hätten dagegen meistens schon öfter mal geschossen. Aber auch das Schießen kann man lernen und üben.

Die Schießausbildung ist ein Teil des Lehrgangs. „Aber das Schießen hat nicht oberste Priorität“, so Wilfried Bustro. Ein Jäger muss sich nicht nur auskennen im Umgang mit der Waffe, sondern vor allem die Tiere kennen, die dem Jagdrecht unterliegen. Er muss über ihre Verhaltensweisen und Lebensräume Bescheid wissen, Seuchen und Krankheiten erkennen. Ein Jäger muss wissen, wie mit dem erlegten Wild umzugehen ist, Abschusspläne aufstellen und vieles mehr. Die Jagd ist ein weites Gebiet, in das auch Natur- und Artenschutz sowie die Wildhege hinein spielen. Der Jäger muss Vorschriften und Rechte kennen, und auch einen Einblick in das Hundewesen gibt es bei der Ausbildung.

Dass das Lernen auch nach dem Lehrgang und bestandener Prüfung nie aufhört, weiß Stephanie Alarich. „Man lernt immer weiter dazu“, sagt sie. Nach und nach findet man heraus, wo die Tiere stehen. Sie werden gekirrt und beobachtet. Derweil stehen vielleicht ein paar Arbeiten im Gelände an. „Es wird nie langweilig“, so die junge Frau und Mutter zweier Kinder, die die Natur und das Draußensein genießt.

Die Jagd ist auf jeden Fall nichts für Angsthasen. Im Wald ist man allein mit den Geräuschen – dem Knacken von Ästen, dem Rascheln der Blätter und den Tieren, die sich nähern. All das findet die Deetzerin nicht schlimm. Sie geht in den Wald, wenn es zeitlich passt, mit Beruf und Familie vereinbar ist. Frühmorgens ganz zeitig etwa. Oder wenn der Vollmond die Dunkelheit erhellt. Man muss natürlich genau wissen, wann welches Tier gejagt werden darf. Und schließlich ist Wildfleisch als hochwertiges Lebensmittel nicht zu verachten, findet sie.

Wenn dann mal ein 100 Kilo-Wild erlegt ist, muss sich eine Frau eben Hilfe holen, um alles wegzukriegen. Das geht Männern aber nicht anders, weiß Wilfried Bustro. Schließlich gibt es auch viele ältere gestandene Jäger. Die Herren haben in der Regel kein Problem, dass auch immer mehr Frauen im Wald ihren Mann stehen. Der Erfahrungsaustausch findet unter anderem in der sich derzeit verjüngenden Jägerschaft statt. Da werden die Mitglieder auch mit aktuellen Infos versorgt und erfahren neueste Entwicklungen – unter anderem zum Wolf oder aktuell zur afrikanischen Schweinepest.

275 Mitglieder zählte die Jägerschaft Zerbst zum Ende des vergangenen Monats, 251 davon sind männlich, 24 weiblich. Der Frauenanteil liegt bei 8,73 Prozent, kennt Wilfried Bustro als Schatzmeister der Zerbster Jägerschaft, deren Vorsitz Ralf Müller inne hat, die Zahlen.

In Bustros Kursen schwankt der Frauenanteil. Im Oktober 2017 waren drei Frauen unter den 13 Teilnehmern, im Jahr darauf vier unter 15, 2019 sogar acht bei 17 Teilnehmern. Da sind alle Berufsgruppen vertreten, bestätigt der Leiter der Jagdschule Fläming. Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen sind dabei, Schüler, Studenten, Büromenschen. Eine Umfrage des Deutschen Jagdverbandes hat ergeben, dass die Dienstleistungsgruppe – darunter Erzieher, Friseure, Lehrer und Pflegepersonal – den größten Anteil unter angehenden Jägern stellt.

Nach dem Profil, das der Deutsche Jagdverband den Jägern nach der Umfrage gibt, sind 19,8 Prozent weiblich und 80,2 Prozent männlich. Alle Generationen treffen sich beim Grünen Abitur. Das Durchschnittsalter der Jägerinnen beträgt 36,4 Jahre, bei Männern 35,1 Jahre. Als Hauptmotive ist für Frauen das Gern in der Natur-Sein mit 85 Prozent vertreten, gefolgt von 72 Prozent angewandter Naturschutz, 69 Prozent Freude an der Jagd und 62 Prozent die Jagdhundeausbildung. Bei den Männern ist es zu 87 Prozent, das Gern in der Natur-Sein, zu 75 Prozent die Freude an der Jagd, zu 74 Prozent der angewandte Naturschutz und 57 Prozent das Wild essen.

Jagen ist inzwischen kein Privileg mehr. Jeder oder Jede, im Besitz der erforderlichen Kenntnisse und mit bestandener Jägerprüfung, darf auf die Jagd gehen. Ein Hobby für die einen, wie das Fußballspielen, Motorradfahren, Reiten oder Angeln für die anderen.