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Karneval Rathausschlüssel ohne Macht

Die Zerbster Karnevalisten haben ihre Prunksitzungen wegen Corona abgesagt. Nur der Sturm auf das Rathaus soll stattfinden.

Von Thomas Kirchner 13.10.2020, 01:01

Zerbst l Der 14. November 2020 wird der Start und zugleich das Ende der 43. Session des Carneval-Clubs „Rot-Weiß“ Zerbst sein – ein Novum. Aber was ist schon normal in Pandemie-Zeiten? „Normalerweise ist das der Beginn auch der Zerbster Karnevalisten in eine gut drei Monate dauernde närrische Zeit“, sagt Vorstandsvorsitzender Christian Neuling. Doch in dieser Zeit sei eben alles anders.

„Wir starten die neue und gleichzeitig 43. Session um 11.11 Uhr mit der Schlüsselübergabe und der Ehrung unserer Senatoren auf der Schloßfreiheit. Weitere Veranstaltungen wird es nicht geben“, ergänzt Vorstandsvorsitzender Lutz Voßfeldt. Man habe alle Prunksitzungen, den Auftritt im Altenheim und auch den Kinderkarneval abgesagt. „Wir folgen damit einer Empfehlung des Karneval Landesverbandes sowie der aktuellen 8. SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung in Sachsen-Anhalt und der fehlenden Aussicht, dass die Coronabeschränkungen gänzlich aufgehoben werden. Auch wenn es eben nur eine Empfehlung ist“, so Voßfeldt.

Man hätte sich hier als Verein eine klare Aussage des Karneval Landesverbandes gewünscht und nicht nur eine Empfehlung. „So überlässt man die endgültige Entscheidung den Vereinen im Land und schiebt so den schwarzen Peter weiter“, sind sich die beiden Vorstandsvorsitzenden einig. Neuling: „Wir können einfach nicht garantieren, dass sowohl Vereinsmitglieder und Mitwirkende als auch die Gäste gesundheitlich unbeschadet aus den Veranstaltungen gehen.“ Der Vorstand habe darum schweren Herzens nach mehreren Sitzungen und einstimmig beschlossen, sämtliche geplanten Sitzungen der Session abzusagen.

Somit ist es die zweite Session in der Geschichte des Carneval-Clubs Zerbst, welche abgesagt werden muss. In den Jahren 1991/1992 fiel die 14. Session Clubs aus. „Damals gab es die Idee, in der Stadthalle und im Schloss ein Spielcasino einzurichten. So konnte die Session – damals noch in der Stadthalle – nicht stattfinden“, erinnert sich Dietmar Mücke, der Vorsitzende vom Turnverein „Gut Heil“, zu dem auch der Carneval-Club gehört.

„Aus unserer Sicht gibt es kein sicheres Hygienekonzept für den Karneval in geschlossenen Räumen, für das wir die Verantwortung übernehmen können, denn das Brauchtum „Karneval“ lebt schließlich von der Nähe. Das besondere Gefühl miteinander zu tanzen, zu feiern und vieles mehr, können wir unter diesen Umständen nicht wie gewohnt teilen“, erklärt Voßfeldt.

„Für uns hat die Gesundheit aller Karnevalisten und die unserer Mitmenschen die höchste Priorität“, betont Christian Neuling ergänzend. Die ganze Truppe habe seit Monaten am Programm gearbeitet, an den Büttenreden, den Sketschen. „Die Tanzgruppen und die Marktschreier haben ihre neuen Darbietungen einstudiert und alle sind traurig, das Programm nicht zeigen zu können. Wir werden ein kleines Programm bei der Schlüsselübergabe präsentieren. Mehr geht in dieser Session leider nicht“, kündigt Voßfeldt an.

Nach dem traditionellen Umzug werden die Zerbster Jecken traditionsgemäß vor dem Rathaus den Schlüssel vom Bürgermeister einfordern. Wie gewohnt wird sich natürlich der Rathauschef der Herausgabe mit einigen Neckereien widersetzen. Letzterer bedauert die Absage der Veranstaltungen.

„Momentan halten wir an der Schlüsselübergabe am 14. November fest, soweit bis dahin keine anderen Vorgaben seitens der Gesundheitsbehörden erlassen werden. Aber zumindest unter freiem Himmel sollte es noch möglich sein, in Gesellschaft zu lachen, auch wenn es manchmal schwer fällt“, sagt Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD).

Mit dabei sind natürlich auch die Hoheiten Prinz Alexander I. und Prinzessin Nicole I. (Alexander Engelhardt und Nicole Biehler). Nicole und Alexander hatten in der vergangenen Session die Rolle der Jecken-Hoheiten übernommen und verlängern nun ihre Amtszeit für die Schlüsselübergabe vor dem Rathaus. Was die Zerbster Karnevalisten allerdings in diesem Jahr mit dem Schlüssel und der Macht über das Rathaus und der Stadt anfangen wollen, bleibt offen – gezwungenermaßen wohl nicht allzu viel. Das Coronavirus hat sie entmachtet, bevor sie die Macht überhaupt erkämpft haben.

Christian Neuling und Lutz Voßfeldt sowie der gesamte Vorstand bedauern die Absage, sehen allerdings momentan keine andere Möglichkeit, die Gesundheit aller zu schützen. „Wir hoffen natürlich sehr, dass wir im November 2021 wieder voll durchstarten und den Zerbstern und unseren Gästen ein Lachen ins Gesicht zaubern können“, so die beiden Vorsitzenden des Zerbster Karnevalvereins.