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Kindertag Zeit und Liebe sind das Wichtigste

Zerbster Experten geben Tipps für Eltern zum Kindertag.

Von Petra Waschescio 01.06.2017, 05:00

Zerbst l Die Frauen haben einen, die Männer auch – einen Tag, der nur ihnen gewidmet ist. Die Kinder haben davon sogar zwei. In den alten Bundesländern wird am 20. September der Welttag des Kindes gefeiert, in den neuen Bundesländern der Internationale Kindertag am 1. Juni. Es ist ein Überbleibsel aus der Zeit, in der Deutschland und die Welt in Ost und West geteilt waren.

Aber ob am 20. September oder am 1. Juni: An beiden Tagen sollte es nicht vorrangig um Geschenke gehen. Es gab höhere Ziele: Beide Tage sollten daran erinnern, dass Kinder Rechte haben, unter anderem in Frieden und Wohlstand groß zu werden.

Übrig geblieben sind die Süßigkeiten, Geschenke und Feste. Dass sich die Kinder darauf freuen, ist kein Wunder. Dennoch sind diejenigen, die täglich mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben – Ärzte, Kita-Erzieher, Sozialarbeiter, Familienberater – einer Meinung: Kinder brauchen das ganze Jahr über Aufmerksamkeit und Zuwendung. Ihr Rat an die Eltern:

Silke Alarich, Leiterin des Freien Kindergartens in Zerbst: „Kinder brauchen ganz viel Liebe und Zuwendung, damit sie Vertrauen bekommen. Dafür ist wichtig, dass die Eltern viel Zeit mit ihnen verbringen. Das ist natürlich ein Spagat, den die Eltern bewerkstelligen müssen, wenn sie arbeiten gehen wollen oder müssen. Nach der Arbeit noch Kraft und Zeit zu haben, sich mit den Kindern zu beschäftigen, ist nicht einfach. Wichtig ist, dass Eltern und Kinder etwas gemeinsam machen – ohne digitale Medien. Für die Entwicklung der Kinder ist es besser, Gesellschaftsspiele zu spielen, mit ihren Eltern durch die natur zu laufen, wo sie klettern und rennen können. Oder gemeinsam etwas basteln. Es ist besser statt fertiger Burgen und Spielzeugschlösser zusammen mit den Kindern selbst etwas zu bauen. Das stärkt das Selbstvertrauen, weil die Kinder mit eigenen Händen etwas geschaffen haben. Kinder brauchen die Freiheit, sich auszuprobieren. Feste Regeln sind dabei wichtig.“

Irina Singer, Schwangerenberatung Zerbst: „Es ist vor allem Zeit und Aufmerksamkeit, um Kindern die Möglichkeit zu geben, sich entfalten zu können. In der Elternrunde der Beratungsstelle sprachen die Mütter darüber, wie wichtig es ist, ausreichend Zeit für die Kinder zu haben, das ist mehr, als sie zu versorgen. Ich würde sagen, Kinder brauchen auch ihre Väter. Häufig sind die nicht präsent, sei es durch die Arbeitssituation oder weil die Beziehung des Elternpaares in die Brüche gegangen ist.“

Rainer Schnelle, Leiter des Geschister-Scholl-Heims in Zerbst: „Eltern sollten sich Zeit nehmen, vor allem störungsfreie Zeit ohne Handy. Das geht oft unter. Sie sollten Spiele spielen, die nicht elektronisch sind. Haben die Eltern keine Zeit mehr für ihre Kinder, verlieren die Jungen und Mädchen das Vertrauen. Die Eltern erfahren dann nichts mehr darüber, was ihre Kinder bewegt.“

Dr. Uwe Mathoy, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Städtischen Klinikum Dessau: „Eltern sollten sich intensiv mit ihren Kindern beschäftigen, sie sollten sie als wichtiger wahrnehmen als ihr Smartphone. Sie sollten aktiv mit ihnen spielen, sie unterstützen und fördern. Viel wichtiger als Geld ist Zeit, die wir unseren Kindern geben und mit ihnen gestalten. ein Wochenendausflug muss nicht in den teuren Tierpark führen. Man kann gemeinsam Schwimmen gehen, angeln oder eine Radtour machen. Das ist für die Entwicklung der Kinder besser. Selbst kleine Kinder sind heute schon medial überfordert. Die digitalen Medien sind eine Katastrophe, was die Hirnentwicklung angeht. Junge Kinder können noch nicht erkennen, was real ist und was nicht, die schnellen Szenenwechsel überfordern sie. Die Kindern können nicht mehr fokussieren, sich auf nichts mehr lange konzentrieren. Die Zunahme an Aufmerksamkeitsdefiziten geht auf den Medienkonsum zurück. Das zeigen Studien eindeutig.

Wenn Eltern keine Zeit für ihre Kinder haben, wird es für sie zudem schwierig, soziale Bindungen zu entwickeln. Wenn niemand für sie da ist, können sie nicht am Modell Eltern oder Geschwister lernen. Sie lernen nicht, von angesicht zu Angesicht zu kommunizieren. Auch wenn sie älter werden, fehlt ihnen die Bindungsfähigkeit, weil lauter Einzelpersonen in der Familie lebten. Weil alle unter einem Dach, aber nebeneinanderher gelebt haben. Nähe, Wärme und Zärtlichkeit sind Voraussetzung für die Entwicklung von Bindungsfähigkeit.

Eltern sollten außerdem unbedingt auf gemeinsame Mahlzeiten achten, zu denen dann auch mal der Fernseher ausgeschaltet werden sollte. Sie sollten auf gesunde Ernährung achten und gemeinsam mit den Kindern backen und kochen.

Und zuletzt: Für Kinder sind Aktivitäten im Verein, ob Sport oder Feuerwehr oder Jugendrotkreuz wichtig. Auch hier lernen sie soziale Bindungsfähigkeit, sie lernen, wie man Freunde gewinnt oder aber auch verliert. Sie lernen, wie man im Team zusammenarbeitet. Auch dabei sind Eltern wichtig. Wenn die Wege zum Sport mal weit sind, sollten sie die Kinder fahren, wenn es mal nicht so gut läuft, sollten sie die Kinder motivieren durchzuhalten und nicht gleich aufzugeben.“