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Kulturfesttage Manfred Bieler und seine Heimat

Zum zweiten Mal wurde in der Zerbster Essenzen-Fabrik ein großer Sohn der Stadt Zerbst gewürdigt - Manfred Bieler.

Von Silke Schmidt 13.03.2019, 05:00

Zerbst l „Er war ein Zerbster und behielt seine Gefühle für sich“, so titelte die Essenzenfabrik, gemeinsam mit der Theatergruppe des Francisceums und Prof. Hans-Rüdiger Schwab über einen Abend zu Manfred Bieler, dem in Zerbst geborenen Autor und einen der bedeutendsten deutschen Erzähler der Nachkriegszeit. Auch Schwab ist den Zerbstern längst bekannt. Er setzte 2017 das Zerbster Prozessionsspiel in Szene und führte auch Regie.

Die szenische Lesung reiht sich ein in die Zerbster Kulturfesttage und fand, wie bereits im vergangenen Jahr, ein interessiertes Publikum, welches sich wohl mit Bieler selbst und natürlich auch mit den Texten aus zahlreichen Veröffentlichungen befassen wollte.

„Um die Herstellung eines längst verlorenen Bildes“, ginge es, so jedenfalls deutete es ein eingespielter Originalton von Manfred Bieler an. Doch welches Bild, ließe sich fragen. Hans-Rüdiger Schwab, die Schüler des Gymnasiums und die Mitglieder der Essenzenfabrik bereiteten es auf, das Bild von Bieler und der Stadt.

In fünf Kapiteln entdeckten die Zuschauer, den „großen Sohn der Stadt Zerbst“. Es begann mit Erinnerungen an Bielers Kindheit, es folgten Grundzüge seiner Literatur und Kritik, ging über zu den Schwierigkeiten in der DDR, streifte Bieler und Anhalt und führte in einer poetischen Heimatkunde zu Romanen wie der „Mädchenkrieg“ und „Der Bär“.

Schwab wählte die Texte aus und gestaltete mit den Vorlesenden das Bild. Eine Textpassage aus dem Roman „Still wie die Nacht oder Memoarien eines Kindes“, wirft einen Blick auf Bielers Kindheit in Zerbst, und auf sein Geburtshaus, der Schloßfreitheit 10, dem heutigen Amtsgericht. Dort verbrachte Bieler die ersten zehn Jahre, bevor er schmerzlich beschreibt, wie er Zerbst verlassen muss, um mit seiner Familie nach Dessau zu ziehen.

Wie prägend dieser Verlust wirklich war, lässt sich dann erahnen, wenn man wie Hans-Rüdiger Schwab auf die immer wiederkehrenden Bezüge zur Stadt Zerbst schaut. Die Zuschauer kennen die Straßen und Gebäudenamen, die erwähnt werden und erinnern sich an die Priegnitz, an St. Bartholomäi, an den Vogelherd, an den Markt.

„Man könnte Stadtführungen nach Bieler machen“, sagt Professor Schwab. Das Buch mit Bielers Kindheitserinnerungen erscheint 1989. Bieler ist da längst ein renommierter Schriftsteller. Stefanie Kölling, Fritz Kölling, Christina Dammann und Ines Hildebrand lesen aus den Feuilletons der großen Zeitungen, wie Bielers Werke von den Literaturkritikern wertschätzend aufgenommen wurden.

In der damaligen DDR steht es um Bieler anders. Schwab erhielt in Vorbereitung der Veranstaltung über die Familie Bielers Einsicht in dessen Stasiakte. Bieler ist im Visier der Stasi. Seine Texte sind wie die von Heym und Biermann Thema auf dem 11. Plenum des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Der nach Bielers Roman entstandene Film „Das Kaninchen bin ich“, wird verboten.

Dann wenden sich Schwab und die vorlesenden Schüler Bieler und Anhalt zu. In „Bonifaz“ oder „Der Matrose in der Flasche“ aus dem Jahr 1963 wird Zerbst nicht genannt, aber es geht um eine kleine Stadt, in der man Bitterbier trinkt und Bregenwurst ißt und es gibt da noch einen Perlhuhngarten. Bald ist klar, um welche Stadt es sich handelt.

Mit einem Blick auf die Romane „Der Mädchenkrieg“ und der „Der Bär“ wird es emotional. Die Stadt Zerbst und ihre Geschichte, der Charakter der Einwohner, sowie Ortsbeschreibungen der 1920 bis 1960er Jahre werden zum Mittelpunkt der Lesungen.

Besonders eindrucksvoll und emotional ist die Schilderung über die Bombardierung der Stadt Zerbst, am 16. April 1945. Still ist es, als die Schüler von der Bombardierung lesen. Wie redet man vom Entsetzen? Wie lebt man in einer Trümmerstadt?

Manfred Bieler beantwortet diese Frage, wie ein Schriftsteller, nicht wie ein Politiker. Im Publikum ist es für einen Moment ganz still. Hans-Rüdiger Schwab hatte diese Reaktion erwartet und sprach von einem „Leuchten in den Augen“, der Zuschauer, wenn es um ihre Stadt Zerbst geht.

Einige kennen Bielers Texte, sprechen sie mit, erinnern sich gemeinsam an die Orte und haben sicher auch ihre eigenen Erinnerungen dazu. Der Abend um Manfred Bieler ist auf jeden Fall gelungen. „Hier wird zu Recht an einen Sohn der Stadt erinnert“, würdigt Bürgermeister Andereas Dittmann die Akteure mit dankenden und lobenden Worten.